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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Ritter

des Gehorsams, der Armut und Keuschheit. Die Gunst der deutschen Kaiser, der morgenländischen christl. Fürsten, das Interesse der Päpste und fromme Stiftungen erwarben dem Orden bald Besitzungen in Asien und Europa. Doch erst unter dem vierten Hochmeister Hermann von Salza (1210-39), der mit Kaiser Friedrich II. auf das engste befreundet war, beginnt die polit. Bedeutung des Ordens.

1230-1410. Nachdem der Plan, dem Orden für seine Teilnahme am Kampf des Königs Andreas von Ungarn gegen die heidn. Kumanen in Siebenbürgen (im Lande Burza, das der Orden vorübergehend erhielt) ein zusammenhängendes Territorium zu gewinnen, gescheitert war, brachte Hermann von Salza die Verhandlungen mit dem Herzog Konrad von Masowien zum Abschluß. Dieser poln. Fürst aus dem Hause der Piasten, der vergeblich im Bunde mit dem Mönch Christian von Oliva die Christianisierung der den Litauern stammverwandten Preußen versucht hatte, übertrug, um sich vor dem Angriff seiner heidn. Nachbarn eine dauernde Stütze zu sichern, dem Orden 1230 endgültig das Culmer Land. Durch kaiserl. Huld als Reichsfürst, als Eigentümer des Culmer- und des noch zu erobernden Landes in Preußen anerkannt, sandte Hermann von Salza als seinen Stellvertreter Hermann Balk nach Preußen und begann damit den Kampf um die Unterwerfung dieses Landes, die volle 53 Jahre in Anspruch nahm. Nicht das Schwert allein, ebenso sehr die kolonisatorische Kraft des Ordens zeitigte dies Resultat. Jeden militär. Fortschritt begleitete Burgenbau, um den sich Städte erhoben; so Thorn, Culm, Marienwerder, Elbing, Königsberg. Kaum war die Einnahme Preußens im Umfang der heutigen Provinzen Ost- und Westpreußen vollendet, so richtete der Orden seine Augen auf sein westl. Nachbargebiet Pomerellen mit Danzig. Es gelang ihm gegen die Bemühungen Waldemars von Brandenburg (1308-19) sich dies Land anzueignen und es zu behaupten im Kriege gegen den König Wladislaw Lokietek von Polen (1306-33), um es endlich durch des letztern Sohn, Kasimir den Großen (1333-70), im Frieden von Kalisch 1343 sich auch rechtlich bestätigen zu lassen. Zwar verzichtete der Orden dafür auf das bereits eingenommene Dobriner Land und Kujavien (d. h. das Gebiet auf beiden Seiten der Weichsel südlich von Thorn), aber er konnte nun auch seine ganze Kraft einer andern Aufgabe zuwenden, die ihm östlich von Preußen zu lösen oblag. Durch seine Vereinigung mit dem Orden der Schwertbrüder 1237 konnte sich der Deutsche Orden als Herr von Livland und Kurland betrachten. Livland und Preußen zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verbinden, war notwendig, und dies konnte nur geschehen durch die Erwerbung des zwischen jene Länder wie ein Keil eingeschobenen Samaiten, eines Teils von Litauen. Waren die Bewohner dieses Landes schon wegen ihres Heidentums ein Gegenstand der Bekämpfung durch den Orden, so verschärfte sich der Gegensatz noch mehr wegen der polit. Wichtigkeit Samaitens für den Orden. Über 150 Jahre tobte dieser Kampf. Zunächst von Livland aus geführt, dann 1283 auch von Preußen aus unternommen, fanden Jahr für Jahr Einfälle statt. Trotzdem hinterließ der Großfürst Gedimin von Litauen bei seinem Tode (im Winter 1341/42) Samaiten seinem Sohn Kestuit unbezwungen; ja gegen ihn wie dessen Bruder Olgierd von Litauen hatte der berühmte Winrich von Kniprode (1351-82) für die Existenz des Ordens bei Rudau in unmittelbarer Nähe von Königsberg 1370 zu kämpfen, ohne besondere Vorteile erringen zu können. Erst der Tod Olgierds 1377, die Feindschaft von dessen Sohn Jagiello mit Witold, der ersterm wegen der Ermordung (1382) seines Vaters Kestuit grollte und bei dem Orden Hilfe suchte, sich aber bald wieder verräterischerweise mit Jagiello gegen den Orden verband, ermöglichte nach einer Fülle von Mißerfolgen (Verlust von Marienwerder u. a. an die Litauer) durch den Vertrag von Raciaz 1404 den Besitz Samaitens, der aber bereits 1409 wieder an das vereinigte Polen-Litauen verloren ging. Drängte die samaitische Frage schon auf Krieg, so kam als zweiter Anlaß zur Schärfung des Gegensatzes zwischen dem Orden und Polen-Litauen der Kauf der Neumark durch den Orden (1399) hinzu, ein Schritt, den er gethan hatte, um sich die Verbindung mit Deutschland offen zu halten. Doch nicht nur diese äußern Gründe verlangten gewaltsam eine Klärung, ebenso sehr machten innere Ursachen dies notwendig. Durch die Heirat Jagiellos von Litauen mit Hedwig von Polen und seinen Übertritt zum christl. (röm.-kath.) Glauben 1386 war dem Orden in dem polnisch-litauischen Reich ein Todfeind erstanden. Die Christianisierung Litauens hatte dem Orden seine Existenzberechtigung, die Verpflichtung zum Kampfe gegen die Ungläubigen entzogen. Die Entscheidung zwischen Deutschtum und Polentum kam mit der blutigen Niederlage des Ordens in der Schlacht bei Tannenberg 15. Juli 1410 zum Austrag.

1411-66. Trotzdem Heinrich von Plauen durch die heldenmütige Verteidigung der Marienburg (seit 1309 Residenz der Hochmeister) den Bestand des Ordens rettete, trotzdem der erste Frieden von Thorn 1411 dem Orden von seinen Besitzungen nur Samaiten und zwar auch nur auf die Lebenszeit Jagiellos und Witolds entfremdete, war mit dieser Niederlage die Blüte des Ordens dahin. Das Mißtrauen zwischen der Ordensherrschaft und den bei Tannenberg untreu gewordenen Nachbarn war unüberbrückbar. Dies erklärt sich schon aus der Thatsache, daß der Orden nicht eine einheimische Regierung war. Wohl verdankte Preußen seiner Herrschaft eine einheitliche Rechtspflege und Verwaltung, wohl war durch den Orden geistige und materielle Wohlfahrt gefördert worden; aber die große Kluft zwischen Landesherrschaft und Volk blieb offen, nie ist ein Preuße in höhere Ämter gekommen. Sobald das preuß. Nationalgefühl erwachte, mußte sich dies Verfahren rächen, und der Widerstand äußerte sich in dem sog. Eidechsenbunde, der mit die Niederlage bei Tannenberg heraufbeschwor. Doch nicht nur im preuß. Adel, auch in den Städten war infolge der scharfen Konkurrenz, die der Orden (neben der Hansa dank seiner vortrefflich geschulten Agenten oder Schäffer in den hervorragendsten Handelscentren des Mittelalters entschieden die bedeutendste Handelsmacht auf Nord- und Ostsee) ihnen durch seine kommerziellen Unternehmungen machte, ein starker Unwille gegen diesen erwachsen. Diesen Geist des Mißtrauens wollte nun der Hochmeister Heinrich von Plauen beseitigen. Er wollte dem Lande, dem er starke finanzielle Opfer auferlegen mußte, 1412 durch Berufung des Landesrats, dem Abgeordnete des Landadels und der Städte angehörten, Anteil gewähren an der Regierung. Aber diese Neuerung,