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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsches Heerwesen (Landheer)

heers sollte an Streitbaren 1 Proz. der Matrikel betragen, die des Reservekontingents 1/2 Proz. Die Reiterei sollte ein Siebentel des Kontingents ausmachen und auf je 1000 Mann zwei Geschütze vorhanden sein; 1 Proz. des Kontingents entfiel auf Pioniere und ein Zwanzigstel der Fußtruppen sollten Scharfschützen sein. Für die Bildung eines Belagerungstrains nebst Mineur- und Sappeurtruppen waren besondere Bestimmungen erlassen, ebenso über die Einteilung des Heers, die Gliederung der Truppenkörper, die Bereithaltung der Truppen im Frieden, die Mobilmachung, das Rangverhältnis der Befehlshaber verschiedener Kontingente, die Rechte und Pflichten des Bundesfeldherrn und der Armeekorpscommandeure, die Zusammensetzung des Hauptquartiers, die Verpflegung und die Gerichtsbarkeit. Das Heer sollte aus 10 Armeekorps bestehen, von denen Österreich und Preußen je drei, Bayern eins zu stellen hatten. Die Kontingente von Württemberg, Baden, Hessen und bei Rhein, Hohenzollern, Liechtenstein, Hessen-Homburg und Frankfurt a. M. bildeten das 8., die von Sachsen, Kurhessen, Nassau, Luxemburg, Sachsen-Weimar, den drei sächs. Herzogtümern, Reuß, Anhalt und Schwarzburg das 9., und die Kontingente von Hannover, Holstein und Lauenburg, Braunschweig, Mecklenburg, Oldenburg, Lübeck, Bremen, Hamburg, Waldeck, Schaumburg-Lippe und Lippe das 10. Armeekorps.

Im J. 1830 wurden die kleinen Kontingente zu einer Reservedivision vereinigt, die dazu bestimmt war, die Kriegsbesatzung der Bundesfestungen zu verstärken; nur über das Kontingent von Frankfurt a. M. blieb dem Bundesfeldherrn besondere Bestimmung vorbehalten. 1839 wurde bestimmt, daß 1/6 Proz. der Matrikularbevölkerung als Ersatzkontingent stets bereit zu halten sei, und es verblieben nur 1/3 Proz. für die erst beim Ausrücken des Hauptkontingents aufzustellende Reserve. Durch Bundesbeschluß vom 27. April 1861 wurde die Stärke des Ersatzkontingents auf 1/3 Proz. erhöht und das Reservekontingent zum Hauptkontingent geschlagen, wodurch dieses auf 1 1/2 Proz. der Matrikularbevölkerung gebracht wurde. Das Bundesheer umfaßte also mit den Ersatztruppen 1 5/6 Proz. der Bevölkerung.

Die besondern Verhältnisse der kleinen Kontingente bedingten mannigfache Abweichungen von den in der Bundeskriegsverfassung niedergelegten Grundsätzen über die Organisation der Truppen. Die Reservedivision bestand aus den Kontingenten der thüring., anhalt., hohenzoll., reuß., lippeschen Staaten, sowie Waldecks, Hessen-Homburgs, Liechtensteins und der Stadt Frankfurt a. M.; diese Kontingente bestanden lediglich aus Infanterie; Nassau und Mecklenburg-Strelitz wurden von der Stellung von Reiterei entbunden, stellten dagegen mehr Artillerie; Luxemburg und Hamburg stellten keine Artillerie, aber mehr Reiterei. 1840 wurde sodann angeordnet, daß diejenigen Kontingente, welche kein vollständiges Bataillon aufstellten, zu kombinierten Bataillonen zusammengestellt werden sollten. Im Mai und Juni 1846 wurden allgemeine Vorschriften für die Musterung der Bundestruppen erlassen; solche Musterungen wurden sodann in Zeiträumen von 5 bis 7 Jahren angeordnet. Zur Zeit des Krimkrieges traf man einige Vorkehrungen zur Verstärkung des Bundesheers. Man erhöhte das Hauptkontingent auf 1 1/6 Proz., verfügte die ständige Bereithaltung des Reservekontingents und erhöhte die Zahl der für 1000 Mann bereit zu haltenden Geschütze auf 2 1/2.

Durch den bereits erwähnten Bundesbeschluß vom 27. April 1861 erfolgte sodann die völlige Verschmelzung des Haupt- und Reservekontingents unter gleichzeitiger Verdoppelung des Ersatzkontingents. Von diesem Zeitpunkte ab betrug die Stärke des Heers bis zur Auflösung des Bundes 553028 Mann, von denen 452474 Mann auf das Hauptkontingent und 100554 auf das Ersatzkontingent entfielen, nebst 1134 Feldgeschützen. Die Verteilung nach Waffengattungen zeigt folgende, auf der Matrikel vom J. 1860 beruhende Tabelle:

Waffengattung Gesamtstärke Haupt-Kontingent Ersatz-Kontingent

Scharfschützen 28438 23268 5170

Infanterie 398197 325797 72400

Reiterei 69218 56630 12588

Feldartillerie 50254 41118 9136

Pioniere 6921 5661 1260

Die Stärke der von den einzelnen Bundesstaaten zu stellenden Kontingente giebt folgende Tabelle an:

Armeekorps Staat Gesamtstärke Haupt-Kontingent Ersatz-Kontingent

1.-3. Österreich 173841 142233 31608

4.-6. Preußen 147170 120412 26758

7. Bayern 65268 53400 11868

8. Württemberg 25585 20933 4652

" Baden 18334 15000 3334

" Großherzogtum Hessen 11357 9293 2064

9. Sachsen 22000 18000 4000

" Kurhessen 10413 8519 1894

" Nassau 6720 5498 1222

" Limburg 1064 870 194

" Luxemburg 1913 1565 348

10. Hannover 93933 19581 4352

" Braunschweig 3842 3144 698

" Holstein-Lauenburg 6600 5400 1200

" Mecklenburg-Schwerin 6564 5370 1194

" Mecklenburg-Strelitz 1317 1077 240

" Oldenburg 4114 3366 748

" Lübeck 747 611 136

" Bremen 823 673 150

" Hamburg 2379 1947 432

Reservedivision Sachsen-Altenburg 1802 1474 328

" Sachsen-Coburg-Gotha 2046 1674 372

" Sachsen-Meiningen 2110 1726 384

" Sachsen-Weimar 3685 3015 670

" Anhalt-Dessau 1564 1280 284

" Anhalt-Bernburg 677 555 122

" Hessen-Homburg 366 300 66

" Waldeck 953 779 174

" Lippe 1297 1061 236

" Schaumburg-Lippe 385 315 70

" Schwarzburg-Sondershausen 826 676 150

" Schwarzburg-Rudolstadt 989 809 180

" Liechtenstein 100 82 18

" Reuß 1365 1117 248

" Frankfurt 879 719 160

Über die Festungen des Bundes s. Deutsche Bundesfestungen.

Über die Küstenverteidigung waren trotz wiederholter Anregung von preuß. Seite gemeinsame Bestimmungen nicht getroffen, und die Bundesküste war schutzlos gegen den Angriff fremder Flotten, soweit nicht Österreich und Preußen auf ihrem Gebiete Verteidigungseinrichtungen getroffen hatten; nicht einmal die Mündungen der Elbe und Weser waren durch Befestigungen gesichert.

E. Seit Begründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs (1866 und 1871). Nach den im Frieden zu Prag 23. Aug. 1866 getroffenen Bestimmungen vereinigte Preußen alle nördlich des Mains gelegenen ehemaligen deutschen Bundesländer mit Ausschluß von Luxemburg und