Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Drache

474

Drache (mythologisch und symbolisch) – Drache (Papierdrache)

Körper hervorragen und einer zwischen ihnen flughautartig ausgespannten Hautfalte zur Stütze dienen. Mit Hilfe dieses Fallschirms und ihrer kräftigen bekrallten Füße bewegen sich die höchstens 30 cm (über die Hälfte davon kommt auf den Schwanz) messenden Tierchen, äußerst geschickt kletternd und springend, aber nicht fliegend, auf den Bäumen, ihrer aus Insekten bestehenden Nahrung nachgehend. Sie sind prächtig gefärbt: metallisches Grün und Braun mischt sich mit Orangegelb und Rosenrot, schwarze oder silberfarbene Binden und Linien durchziehen das Ganze. Die Heimat des Tieres sind die Sunda-Inseln; 17 verwandte Arten bewohnen das südl. Asien, ausgenommen Ceylon.

Drache (mythologisch und symbolisch). Der D. spielt in den Sagen und Mythologien fast sämtlicher Kulturvölker eine bedeutende Rolle, und zwar vorzugsweise als Schatzhüter oder als Gewitterdämon. Er ist ein fabelhaftes schlangenartiges Tier von ungeheurer Größe, mit furchtbarem Blick, oft mehrköpfig und mit vergiftendem Hauche. Im griech. Mythus bewacht er die goldenen Äpfel der Hesperiden, wird von Herakles getötet und durch Hera als Sternbild an den nördl. Himmel versetzt. In Kolchis behütet er das Goldene Vließ und wird von Jason überwunden. Ferner gehören hierher der delphische D. (Python, s. d.), den Apollon, und der thebanische D., Wächter der Quelle Dirke, den Kadmos (s. d.) erlegte. In der klassischen Kunst ist seine Darstellung nicht häufig und stets gemäßigt. In der nordischen Sage umspannt der D. als Midgardsschlange (s. Jörmungandr) das ganze Erdenrund; in Drachengestalt hütet Fafnir (s. d.) den Nibelungenhort. In der altdeutschen Kunst wird er mit Vorliebe angebracht, gewöhnlich in Schlangen- oder Eidechsenform. Die Kirche verlieh ihm, um seine Darstellung ihren Zwecken dienstbar zu machen, die Bedeutung der Paradiesesschlange und des Teufels; als letzterer spielt er noch heute im Aberglauben eine Rolle, indem er solchen, die mit ihm im Bunde stehen, durch den Schornstein Schätze ins Haus bringen soll. Der D. als Teufel findet vielfach Verwendung unter den Attributen der Heiligen (Michael, Georg, Longin, Margareta u. s. w.). Nachdem sein Bild lange, und zwar schon bei den alten Griechen, als Schmuck des Helms und Auszeichnung des Schildes gedient, ward es endlich auch Feldzeichen und Wappenschild. Es war das Heerzeichen der Dacier, und auch die röm. Kaiser bedienten sich desselben seit Konstantin. In der nordischen Sage ist Sigurds Helm mit einem D. geschmückt. Die alten Sachsen hatten ihn neben andern als Feldzeichen, Otto Ⅳ. auf seinem Fahnenwagen und die engl. Könige seit Wilhelm dem Eroberer im Panier. In der Begleitung des Papstes erschienen bei öffentlichen Prozessionen Soldaten, die auf einer Lanze das Drachenbild unter dem Kreuze trugen, Draconarii, welchen Namen auch die Träger der Drachenfahne der röm. Kaiser führten. Die neuere Heraldik kennt den D. als Figur im Schilde, auf dem Helme und als Schildhalter. China führt einen D. im Staatswappen (s. Bd. 4, S. 199 b und 200 a.). In der Numismatik kommt der D. als Münzbild (so auf Münzen Chinas und Japans) vor.

Drache, Papier- oder Kinderdrache, ein angeblich von Archytas aus Tarent (um 400 v. Chr.) erfundener einfacher Flugapparat, bestehend aus einem etwa in Form eines Deltoids (s. d.) über ein lat. Kreuz (zwei gekreuzte Holzstäbe) gezogenen Stück Papier oder Leinwand; an den vier Enden des Kreuzes befinden sich Schnuren, die im Schwerpunkte der beiden Dreiecke des Deltoids vereinigt und mit einer langen aufgespulten Schnur verbunden werden. Am untern spitzen Ende des D. hängt ein sog. Schweif aus Papierstücken, die in einer Schnur eingeknüpft sind, etwa sechsmal so lang als der Drachenkörper selbst. Er kommt schon im frühen Altertum in China in mancherlei Formen vor und ist daselbst noch als Spielzeug bei alt und jung sehr beliebt. Im wesentlichen stellt der D., da er immer in schräger Richtung aufgeworfen wird, eine schiefe Ebene vor, die vom Winde unter verschiedenen Winkeln getroffen werden kann. Es stelle in nachstehender Figur a d die Richtung und Größe der Resultante aller Windkräfte vor, die auf die Fläche des D. wirken. Nun wird a d zerlegt in die beiden Komponenten c d und b d. Letztere gleitet wirkungslos an der Fläche D D des D. hin, während c d ihn zum Steigen bringt. Vermöge der zur Ebene des D. senkrechten Komponente c d sollte dieser Flugapparat senkrecht zu seiner Fläche bewegt werden, wegen der Schnur s aber wird er gezwungen, sich in dem Kreisbogen k k aufwärts zu bewegen. Bei ruhiger Luft muß der den D. mittels Schnur haltende Knabe derart laufen, daß die rasch bewegte Drachenfläche den Wind erzeugt. Das Princip der schiefen Ebene findet auch bei den Luftschrauben Verwendung, mit Hilfe welcher man versucht hat, dynamische Flugmaschinen in Bewegung zu setzen; teilweise benutzen dasselbe auch unbewußt die Vögel. – Vgl. Euler, Mathem. Theorie der D. (Berliner Akademie 1756). ^[Spaltenwechsel]

^[Abb.]

Der D. hat eine wissenschaftliche Verwertung gefunden durch Franklin, welcher mit demselben zeigte, daß die Wolken elektrisch sind. Er ließ (1752) einen papiernen, mit einer gut leitenden Spitze versehenen D. an einer Hanfschnur aufsteigen. Als diese durch den Regen naß und dadurch besser leitend geworden war, konnte er aus einem Schlüssel, welcher an der Schnur befestigt war, elektrische Funken ziehen und mit denselben Leidener Flaschen laden. Die Schnur selbst wurde an einem Seidentuche isoliert gehalten. Man hat seitdem wiederholt solche D. zur Untersuchung der Luftelektricität angewendet und nennt sie dann elektrische D. Fast gleichzeitig mit Franklin und ohne von dessen Versuchen mit dem elektrischen D. etwas zu wissen, hat de Romas dieselben Experimente mit dem D. angestellt. Er fand, daß die Luft schon elektrisch ist, wenn noch keine Spur von Gewitter vorhanden ist. Schon vor Franklin ließ (1749) Wilson ein System von D. aufsteigen, um die Temperatur in den obern Luftschichten zu bestimmen. – Über das Photographieren vermittelst eines D. (Drachenphotographie) s. Ballonphotographie.