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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Drache (mythologisch und symbolisch) - Drache (Papierdrache)
Körper hervorragen und einer zwischen ihnen stug-
hautartig ausgespannten Hautfalte zur Stütze die-
nen. Mit Hilfe dieses Fallschirms und ihrer kräftigen
bekrallten Füße bewegen sich die höchstens 30 cm
(über die Hälfte davon kommt auf den Schwanz)
messenden Tierchen, äußerst geschickt kletternd und
springend, aber nicht fliegend, auf den Bäumen,
ihrer aus Insekten bestehenden Nahrung nachgehend.
Sie sind prächtig gefärbt: metallisches Grün und
Braun mischt sich mit Orangegelb und Rosenrot,
schwarze oder silberfarbene Binden und Linien
durchziehen das Ganze. Die Heimat des Tieres sind
die Sunda-Inseln; 17 verwandte Arten bewohnen
das südl. Asien, ausgenommen Ceylon.
Drache (mythologisch und symbolisch). Der D.
spielt in den Sagen und Mythologien fast sämt-
licher Kulturvölker eine bedeutende Rolle, und zwar
vorzugsweise als Schatzhüter oder als Gewitter-
dämon. Er ist ein fabelhaftes schlangenartiges Tier
von ungeheurer Größe, mit furchtbarem Blick, oft
mehrköpfig und mit vergiftendem Hauche. Im griech.
Mythus bewacht erdie goldenen Äpfel derHespcriden,
wird von Herakles getötet und durch Hera als Stern-
bild andennördl. Himmelversetzt. InKolchis behütet
er das Goldene Vließ und wird von Iason über-
wunden. Ferner gehören hierher der delphische D.
(Python, s. d.), den Apollon, und der thebanische D.,
Wächter der Quelle Dirke, den Kadmos (s. d.) er-
legte. In der klassischen Kunst ist seine Darstellung
nicht häusig und stets gemäßigt. In der nordischen
Sage umspannt der D. als Midgardsschlange (s.
Iö'rmungandr) das ganze Erdenrund; in Drachen-
gestalt hütet Fafnir (s.d.) den Nibelungenhort. Inder
altdeutschen Kunst wird er mit Vorliebe angebracht,
gewöhnlich in Schlangen- oder Eidechsenform. Die
Kirche verlieh ihm, um feine Darstellung ihren
Zwecken dienstbar zu machen, die Bedeutung der
Paradiesesschlange und des Teufels; als letzterer
spielt er noch heute im Aberglauben eine Rolle, in-
dem er solchen, die mit ihm im Bunde stehen, durch
den Schornstein Schätze ins Haus bringen soll. Der
D. als Teufel findet vielfach Verwendung unter den
Attributen der Heiligen (Michael, Georg, Longin,
Margareta u. s. w.). Nachdem sein Bild lange, und
zwar schon bei den alten Griechen, als Schmuck des
Helms und Auszeichnung des Schildes gedient,
ward es endlich auch Feldzeichen und Wappenschild.
Es war das Heerzeichcn der Dacier, und auch die
röm. Kaiser bedienten sich desselben seit Konstantin.
In der nordischen Sage ist Sigurds Helm mit einem
D. geschmückt. Die alten Sachsen hatten ihn neben
andern als Feldzeichen, Otto IV. auf seinem Fahnen-
wagen und die engl. Könige seit Wilhelm dem Er-
oberer im Panier. In der Begleitung des Papstes
erschienen bei öffentlichen Prozessionen Soldaten,
die auf einer Lanze das Drachenbild unter dem
Kreuze trugen, Oi-aeonarii, welchen Namen auch
die Träger der Drachenfahne der röm. Kaiser führ-
ten. Die neuere Heraldik kennt den D. als Figur im
Schilde, auf dem Helme und als Schildhalter. China
führt einen D. im Staatswappen (f. Bd. 4, S. 199 d
und 2009.). In der Numismatik kommt der D. als
Münzbild (so auf Münzen Chinas und Japans) vor.
Drache, Papier- oder Kinderdrache, ein
angeblich von Archytas aus Tarent (um 400v. Chr.)
erfundener einfacher Flugapparat, bestehend aus
einem etwa in Form emes Dcltoids (s. d.) über ein
lat. Kreuz (zwei gekreuzte Holzstäbe) gezogenen Stück
Papier oder Leinwand', an den vier Enden des
Kreuzes befinden sich Schnuren, die im Schwer-
punkte der beiden Dreiecke des Deltoids vereinigt
und mit einer langen aufgespulten Schnur ver-
bunden werden. Am untern spitzen Ende des D.
hängt ein sog. Schweif aus Papierstücken, die in
einer Schnur eingeknüpft sind, etwa sechsmal so
lang als der Drachenkörper selbst. Er kommt schon
im frühen Altertum in China m mancherlei For-
men vor und ist daselbst noch als Spielzeug bei
alt und jung sehr beliebt. Im wesentlichen stellt
der D., da er immer in schräger Richtung auf-
geworfen wird, eine schiefe Ebene vor, die vom
Winde unter verschiedenen Winkeln getroffen wer-
den kann. Es stelle in nachstehender Figur aä die
^
Richtung und Größe der Resultante aller Wind-
kräfte vor, die auf die Fläche des D. wirken. Nun
wird a. ä zerlegt in die beiden Komponenten c ä und
d ä. Letztere gleitet wirkungslos an der Fläche v v
des D. hin, während eä ihn zum Steigen bringt.
Vermöge der zur Ebene des D. senkrechten Kom-
ponente o ä sollte dieser Flugapparat senkrecht zu
seiner Fläche bewegt werden, wegen der Schnur s
aber wird er gezwungen, sich in dem Kreisbogen k K
aufwärts zu bewegen. Bei ruhiger Luft muß der
den D. mittels Schnur haltende Knabe derart lau-
fen, daß die rasch bewegte Drachenfläche den Wind
erzeugt. Das Princip der schiefen Ebene findet auch
bei den Luftschrauben Verwendung, mit Hilfe welcher
man versucht hat, dynamische Flugmaschinen in Be-
wegung zu setzen; teilweise benutzen dasselbe auch
unbewußt die Vögel.-Vgl. Euler, Mathem. Theorie
der D. (Berliner Akademie 1756).
Der D. hat eine wissenschaftliche Verwertung ge-
funden durch Franklin, welcher mit demselben zeigte,
daß die Wolken elektrisch sind. Er ließ (1752)
einen papiernen, mit einer gut leitenden Spitze
versehenen D. an einer Hanfschnur aufsteigen. Als
diese durch den Regen naß und dadurch besser lei-
tend geworden war, konnte er aus einem Schlüssel,
welcher an der Schnur befestigt war, elektrische
Funken ziehen und mit denselben Leidener Flaschen
laden. Die Schnur selbst wurde an einem Seiden-
tuche isoliert gehalten. Man hat seitdem wiederholt
solche D. zur Untersuchung der Luftelektricität an-,
gewendet und nennt sie dann elektrische D. Fast
gleichzeitig mit Franklin und ohne von dessen Ver-
suchen mit dem elektrischen D. etwas zu wissen, hat
de Romas dieselben Experimente mit dem D. ange-
stellt. Er fand, daß die Luft schon elektrisch ist,
wenn noch keine Spur von Gewitter vorhanden ist.
Schon vor Franklin ließ (1749) Wilson ein System
von D. aufsteigen, um die Temperatur in den obern
Luftschichten zu bestimmen. - über das Photogra-
phieren vermittelst eines D. (Drachen Photogra-
phie) s. Ballonphotographie.