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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ecuador

Abiquira. Dieselben gehören wahrscheinlich größtenteils den Tupi und Karibenvölkern an. Ihre wald- und wasserreichen Ebenen, einst die civilisatorische Wirkungsstätte der Jesuitenmissionen und damals reich und mächtig, voller Niederlassungen und bevölkerter Städte, sind seit Vertreibung der Jesuiten (1767), die allein am Napo 33 Ansiedelungen mit 100000 E. besaßen, und vollends seit der mit dem Abfall E.s von Spanien erfolgten Verjagung der Franziskaner, denen ein Teil der Missionen übergeben war, durch die gänzliche Vernachlässigung dieser Ostprovinz fast völlig in den alten Zustand der Wildnis, des Heidentums und der Barbarei verfallen.

Landwirtschaft. Diese erstreckt sich hauptsächlich auf Produktion für den eigenen Bedarf. Von Nahrungspflanzen werden in der Tiefe die normal-tropischen, auf der Hochebene noch Kartoffeln, Weizen, Quinoa, Mais und Gerste gebaut. Ausfuhrartikel sind Kakao, Kaffee und Tabak, weniger Zucker. Die Urwälder liefern außer Chinarinde und Kautschuk auch Sassaparille, verschiedene Harze und Wachs. Neben dem Landbau ist die Viehzucht von Bedeutung, namentlich auf der Hochebene und den Paramos. Hier wird Rindvieh, zum Teil in großen Herden, gezüchtet und auch viel Käse (ein Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung) bereitet. Für das Vieh wird viel Luzerne gebaut. In neuerer Zeit wird auch der Zucht von Merinos Aufmerksamkeit zugewendet.

Industrie und Handel. Die Industrie steht auf einer sehr niedrigen Stufe und ist gegen früher sehr gesunken. Doch werden an verschiedenen Orten (Chillo) noch gröbere Woll- und Baumwollstoffe angefertigt, welche von den untern Klassen ziemlich allgemein getragen und, wie auch Satteldecken aus Schaffellen, sogar nach den Nachbarrepubliken ausgeführt werden. Wichtiger als diese Fabrikate sind jedoch die Flechtarbeiten aus Palmenstroh, namentlich die feinen, unter dem Namen Panamahüte in den Handel kommenden Strohhüte, ausgezeichnete Cigarrentaschen, Hängematten sowie Seilerwaren, Netze und Matten aus Agavefasern. Der Bergbau beginnt neuerdings Fortschritte zu machen. Der Handelsbetrieb ist im Verhältnis zu dem großen Reichtum des Landes an natürlichen Hilfsmitteln unbedeutend. Der Haupthafen ist Guayaquil; außerdem sind Esmeraldas und der Hafen von Manta bemerkenswert. Im allgemeinen ist der auswärtige Handel E.s im Aufblühen begriffen. Der Gesamtwert der Ausfuhr, fast ausschließlich von Guayaquil, belief sich 1891 auf 7351800 Sucres, darunter Kakao 4544398, Kaffee 659061, Strohhüte 315874, Häute 107312, Kautschuk 415776, Gold und Silber 532536, Zucker 154531 Sucres, ferner Chinarinde, Baumwolle, Reis, Bambus und Orseille. Der Wert der Einfuhr betrug (1892) 7241095 Sucres; darunter feine Baumwollwaren (2 Mill. Sucres), Kaschmire, Eisen- und Kurzwaren, Konserven, span. Weine, deutsche und engl. Biere.

Verkehrswesen. An guten Verkehrsstraßen ist in E. Mangel. Die alte Hauptstraße des Landes (Camino real) läuft auf der Hochebene von der Nord- bis zur Südgrenze 1160 km lang, im Passe über den Cerro del Azuay (4347 m); zwei andere Straßen verbinden Guayaquil mit Cuenca und Mocha, letztere führt über den 4280 m hohen Chimborazopaß. Der gesamte Waren- und Personentransport geschieht auf Maultieren; in der Regenzeit werden auch die Flußläufe benutzt. Erst in neuerer Zeit ist mit dem Bau von Fahrstraßen begonnen worden.

An Eisenbahnen besitzt E. die 102 km lange Strecke zwischen Guayaquil und Chimbo, deren Fortsetzung nach Sibambe im Bau und teilweise bereits fertiggestellt ist. Weitere Linien sind in der Bauvorbereitung, sodaß das Netz binnen kurzem gegen 300 km umfassen soll. Außerdem sind noch verschiedene Linien genehmigt, so die 330 km lange Centralbahn von Quito nach Bahia de Caraques am Stillen Ocean. E. soll auch von der neuerdings geplanten Interkontinentalen Eisenbahn (s. d.) von Norden nach Süden durchschnitten werden, und bereits im Sommer 1891 sind von Quito aus nach beiden Richtungen Messungen ausgeführt worden.

Post und Telegraph. Seit 1880 gehört E. dem Weltpostverein an; alle Hauptstädte der Provinzen sind durch telegr. Leitungen miteinander verbunden; die Zahl der Stationen beträgt 54, die Länge der Drähte 2000 km. Eine Linie führt von Guayaquil über Land nach Ballenita und von hier per Kabel bis zum Isthmus von Tehuantepec und nach Neuyork. In Guayaquil besteht eine Fernsprechleitung mit etwa 400 Teilnehmern. Die Zahl der 1892 beförderten Poststücke (Briefe, Postkarten und Warenproben) betrug über 3 Mill. 1891 liefen 606 Schiffe mit 373573 t ein (meist in den Hafen von Guayaquil) und 614 Schiffe mit 376748 t aus.

Verfassung und Verwaltung. Nach der Konstitution vom 11. Mai 1830 ist die Verfassung eine repräsentative. Dieselbe ist mehrfach, zuletzt 1887, abgeändert worden. Die Gesetzgebende Gewalt bildet ein aus direkten Wahlen hervorgegangener Kongreß. Wähler ist jeder 21 J. alte oder verheiratete, des Lesens und Schreibens kundige Bürger. Der Kongreß besteht aus zwei Kammern; die Erste Kammer bilden die Senatoren, von denen jede Provinz zwei auf die Dauer von 4 Jahren wählt (aller 2 Jahre scheidet die Hälfte aus), die Zweite Kammer bilden die Deputierten (einer für je 30000 E.), die auf die Dauer von 2 Jahren gewählt werden. Die Exekutivgewalt übt ein mittels direkter Wahl auf 4 Jahre gewählter Präsident aus, dem ein in gleicher Weise und auf gleiche Dauer gewählter Vicepräsident sowie ein Kabinett von vier Ministern zur Seite stehen. Letztere sowohl, als auch die Präsidenten sind dem Kongreß verantwortlich. Außerdem besteht noch ein aus den Ministern und sieben weitern Mitgliedern gebildeter Staatsrat. Der Kongreß versammelt sich alle zwei Jahre am 10. Juni. Die Verfassung bestimmt, daß keinerlei Vorrechte, weder durch Rang noch durch Rasse bedingt, in der Republik bestehen sollen, thatsächlich befinden sich aber die Indianer noch immer in einem der Sklaverei ähnlichen Zustand.

Zum Zwecke der Verwaltung ist E. in die folgenden 16 Provinzen eingeteilt:

Provinzen Einwohner

Carchi 36000

Imbabura 68000

Pichinchas 205000

Leon 109600

Tunguragua 103000

Chimborazo 122300

Cañar 64000

Azuay 132400

Loja 66500

Bolivar 43000

Oro 32600

Guayas 98100

Rios 32800

Manabi 64100

Esmeraldas 14600

Oriente 80000

Die Hauptstadt der Republik ist Quito mit etwa 40000 E. Es besteht ein Oberster Gerichtshof (in Quito), 6 Obergerichte, 33 Kantonal- und 359 Parochialgerichte.