Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

698

Ecuador

Finanzen. Die finanziellen Angelegenheiten der Republik stehen nicht mehr auf dem frühern ganz kläglichen Standpunkte, sind aber auch noch nicht geklärt. Die Einnahmen betrugen 1891:10334536 Sucres, die Ausgaben 10112436 Sucres. Die innere Schuld betrug (1892) 4306869 Sucres; die äußere Schuld betrug 1824000 Pfd. St., Anleihe von 1855; die Zinsenrückstände von 1867 bis 1891 betrugen 428640 Pfd. St. Durch Übereinkunft mit den engl. Gläubigern wurde 29. Juli 1892 die äußere Schuld auf 750000 Pfd. St. reduziert. Die Schuldscheine sind mit Coupons auf 50 Jahre versehen; Zinsfuß 4½, 4¾ und 5 Proz. mit Tilgungsquoten von ½ und später 1 Proz.

Das Heer bestand (1893) aus 3341 Mann, einschließlich der Offiziere, und einer Nationalgarde von ungefähr 95000 Mann; die Marine wird aus 1 Kreuzer, 1 Kanonenboot und 1 Transportschiff gebildet, die zusammen 114 Mann Besatzung haben.

Das Wappen besteht aus einem ovalen Schilde, auf dem ein Kondor flugbereit thront; im Oberfeld auf dem Streifen des Tierkreises eine Sonne, im Unterfeld ein Berg, aus dem ein Fluß entspringt; auf dem Meere ein Dampfboot. Als Flagge hat E. die alten Farben der frühern Republik Columbia wieder angenommen, nämlich Gelb (doppelte Breite), Blau, Rot, horizontal gestreift.

^[Abb.]

Geistige Kultur. Die Religion der Republik ist die römisch-katholische mit Ausschluß jeder andern, doch herrscht ziemliche Toleranz gegen Andersgläubige. Die Kirche steht unter dem Erzbischof von Quito; die Republik ist in die Diöcesen Quito, Loja, Ibarra, Riobamba, Cuenca, Guayaquil und Puertoviejo eingeteilt. Außer dem weltlichen Klerus giebt es auch Ordensgeistliche, 30 Mönchs- und 11 Nonnenklöster. Mit dem Unterrichtswesen ist es schlecht bestellt. Außer der unbedeutenden alten Landesuniversität in Quito mit 32 Professoren und 216 Studenten (mit der die Lehranstalten in Cuenca und Guayaquil in Zusammenhang stehen) giebt es in Quito und Guayaquil Handels- und technische Schulen sowie 9 höhere und 1088 Elementarschulen mit 68380 Schülern, hauptsächlich Weiße, Mestizen und Mulatten.

Geschichte. Das Gebiet der gegenwärtigen Republik E. wurde ursprünglich von den Quitu bewohnt, 1487 durch den Inka Huaina-Capac mit Peru vereinigt und 1532 von den Spaniern erobert. Es gehörte bis 1710 als Presidencia Quito zum Vicekönigreich Peru, dann zu Neugranada. Einzelne Aufstandsversuche 1809 und 1812 wurden unterdrückt, und erst die zu Guayaquil ausgebrochene Revolution 1820 gelangte durch die Unterstützung Bolivars (s. d.) zum Ziel. Der Sieg der Generale Santa-Cruz und Sucre auf den Andes von Pichincha zwang die Spanier 22. Mai 1822 zu einer Kapitulation, welche die Aufständischen in den Besitz des Landes brachte, das als Departamento del E. der Centralrepublik Columbia (s. d.) einverleibt wurde. Seitdem sich das Land im Mai 1830 auf dem Kongreß zu Riobamba als unabhängige Republik E. unter der Präsidentschaft des Generals Juan José Flores konstituiert hat, bietet seine Geschichte eine fast ununterbrochene Reihenfolge von Revolutionen und Reaktionen sowie von auswärtigen Kämpfen dar. Eine Hauptrolle hat darin Flores gespielt, der teils als Präsident, teils als Oberbefehlshaber der bewaffneten Macht sich bis 1845 zu erhalten wußte. Eine 9. Aug. 1835 eröffnete Konstituierende Versammlung gab dem Freistaate eine neue seitdem mehrfach veränderte Verfassung und wählte Vicente Rocafuerte zum Präsidenten, unter dessen verständiger Leitung Ruhe und Gedeihen eintraten. Auf Rocafuerte folgte 1839 Flores in der Präsidentenwürde, unter dem durch ein Dekret des Senats und Kongresses zu Quito vom 27. März 1839 span. Kauffahrteischiffe in die Häfen der Republik zugelassen wurden, worauf im Nov. 1841 zwischen E. und dem Mutterlande ein förmlicher Friedens- und Freundschaftsvertrag zu stande kam. Flores wurde 31. Jan. 1843 zum drittenmal zum Präsidenten ernannt, mußte aber infolge einer zu Guayaquil ausgebrochenen Revolution, die Rocafuerte leitete, nach mehrmonatigem Bürgerkrieg 22. Juni 1845 das Land verlassen. Zum Präsidenten wurde ein Farbiger, Vicente Roca, gewählt. Im Mai 1846 brach ein Krieg mit Neugranada aus, der aber schon 29. desselben Monats durch den Frieden zu Sta. Rosa de Carchi beendigt wurde. Nachdem im Okt. 1849 die Präsidentschaft Rocas zu Ende gegangen war, beunruhigten Parteiumtriebe das Land, bis 8. Dez. 1850 der Kongreß den Kandidaten der klerikalen Partei, Diego Noboa, zum Präsidenten erhob. Eine der ersten Regierungsmaßregeln desselben war die Zurückberufung der Jesuiten und die Aufnahme aller aus Neugranada flüchtig gewordenen Konservativen. Als infolgedessen Neugranada mit Krieg drohte, wurde Noboa Juli 1851 von einer Junta zu Guayaquil für abgesetzt erklärt, gefangen genommen und verwiesen. Urvina trat als Präsident und Diktator an die Spitze des Staates und nahm seinen Sitz in Guayaquil. Seitdem herrschte bis 1860 die ultrademokratische Partei. Auf Urvina folgte 1856 General Francisco Robles. Durch das Gesetz vom 6. Dez. 1856 wurde für Münzen, Maße und Gewichte das franz. Decimalsystem angenommen. Ein Konflikt mit Peru führte zur Blockade der Häfen E.s seit 3. Nov. 1858. General Guillermo Franco, mit der Verteidigung von Guayaquil beauftragt, schloß 21. Aug. 1859 mit dem Chef des peruan. Geschwaders eine Konvention ab, wodurch die Blockade aufgehoben wurde. Allein der Präsident Robles verweigerte die Ratifikation, legte sein Amt nieder und ging nach Chile. Die Ultrademokraten von Guayaquil übertrugen hierauf die Regierung an General Franco, die Konservativen im Distrikt Quito wählten dagegen eine eigene provisorische Regierung unter dem Chemiker Professor Dr. Gabriel Garcia Moreno und riefen den General Flores zurück, der 8. Aug. 1860 Franco bei Babahoyo