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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ehrenämter - Ehrenannahme
durch Handlungen und Gesinnungen auf diese An-
erkennung Anspruch machen darf. Die Berechtigung
zu diesem Anspruch ist die innere, die Anerkennung
selbst die äußere E. Beide können miteinander in
Konflikt geraten, wenn im öffentlichen Urteil etwas
innerlich Ehrenhaftes, wie z. V. der Verzicht auf
Rache bei Beleidigungen, für unehrenhaft gehalten
wird. Das Bewußtsein dessen, was man seiner E.
schuldig ist, heißt Ehrgefühl, das gemäßigte Stre-
ben nach E. Ehrliebe, das zu lebhafte Streben
Ehrgeiz (s. d.) und im erhöhten Maße Ehrsucht.
In juristischem Sinne ist E. die Achtung,
welche der Mensch dem Menschen im Verkehr durch
sein Betragen zu bezeigen hat; ihre Verletzung
ist Beleidigung (s. d.). Ein besonderer Grad ist
die Stand es ehre; sie kommt rechtlich insoweit
in Betracht, als in ihrer absichtlichen Verletzung
eine Beleidigung liegt. Auf dem Gebiete des
bürgerlichen Rechts ist E. der Zustand der un-
geschmälerten Rechtsfähigkeit, welche jeder Person
auf Grund der ihr an sich zukommenden Achtung
beigelegt ist. Dagegen ist für das Recht die
Ehrenminderung von Bedeutung. Eine solche
kennt das röm. Recht in mehrfacher, nicht scharf
sich unterscheidender Abstufung; man spricht von
int^min,, turpituäo und leviä Q0tH6 inHcula, an
welche verschiedene Nechtsnachteile sich knüpften.
Auch im deutschen Recht hat man versucht, ent-
sprechend zu unterscheiden in Rechtlosigkeit, An-
rüchigkeit (s. d.) und Verächtlichkeit. Die Recht-
losigkeit ist als beseitigt anzusehen. Verächtlichkeit
oder Vescholtenheit (s. d.) sind im neuern Recht
meist nur insofern von Bedeutung, als durch Rechts-
geschäft Wirkungen an diese Eigenschaft geknüpft
werden oder als es bei Beurteilung rechtlicher Ver-
hältnisse und Maßnahmen auf die freie Würdigung
der Ehrenhaftigkeit oder Vertrauenswürdigkeit an-
kommt, z. V. in der Ehe oder in Ansehung der elter-
lichen Gewalt oder Vormundschaft. Früher trat
auch eine Ehrenminderung im Falle eines Konkurses
ein. Das neuere Recht hat diese Wirkungen sehr
beschränkt. Die Ehrenminderung, welche kraft Straf-
urteils auf Grund des Reichsstrafgesetzbuchs ein-
tritt, hat die im §. 34 daselbst festgesetzten Folgen,
welche auch auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts
sich fühlbar machen. Andere Neichsgesetze haben
diese Wirkungen noch ausgedehnt; z. B. in An-
sehung der Schiedsrichtereigenschaft (Civilprozeß-
ordn. §.858), in Ansehung der Stellung im Gewerbe
bez. in der Innung (Gesetz vom 17. Juli 1878,
ß. 106; Gesetz vom 18. Juli 1881, §. 100), weiter
in Ansehung der Herausgabe periodischer Druck-
schriften (Preßgesetz vom 7. Mai 1874, ß.8) u. a. Ob
neben diesen noch weitere Wirkungen, welche die
einzelnen Landesrechte bestimmten, fortbestehen, ist
nicht unbestritten. - Vgl. K. Binding, Die E. im
Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit (Lpz. 1890).
Ehrenämter, Staats-, Gemeinde- oder an-
dere öffentliche Amter, welche nicht berufsmäßig
gegen Gehalt, sondern von Perfonen, die zur Über-
nahme derselben willens sind, unentgeltlich versehen
werden. Das Wesentliche des Begriffs besteht in
der Unentgeltlichkeit der Amtsführung, wodurch
aber der Ersatz der Auslagen und selbst eine Ent-
schädigung für Repräsentationskosten nicht ausge-
schlossen ist. Dagegen beruht es auf einer Vegriffs-
verwechselung, das Ehrenamtssystem mit dem Sy-
stem der Selbstverwaltung zu identifizieren. Auf
dem Gebiete der Selbstverwaltung werden viele
Amter berufsmäßig, d. h. gegen Amtssold ver-
waltet, und andererseits ist das Ehrenamt der
eigentlichen Staatsverwaltung keineswegs fremd,
wie z. V. die Wahlkonsuln, die kaufmännischen
Handelsrichter, die Geschworenen und Schöffen be-
weisen. Die Inhaber von E. haben zwar die dienst-
lichen Pflichten und sind in der Regel auch der dienst-
lichen Disciplinargewalt unterworfen; da sie aber
aus dem Staatsdienst keinen Beruf machen und bei
ihnen von einer Carriere nicht die Rede sein kann,
so sind sie unabhängig von der Einwirkung der Vor-
gesetzten. Die E. bilden daher eine zweckmäßige
Schranke der Bureaukratie. Andererseits hat das
System der E. auch seine Schattenseiten. Abgesehen
von den oft recht erheblichen Leistungen an Zeit,
Mühe und pekuniären Opfern, die es der Bevölke-
rung auferlegt, führt es dazu, daß in der Erledi-
gung der amtlichen Geschäfte möglicherweise ein
unwissender Dilettantismus platzgreift, indem Per-
fonen zur Übernahme von Amtern bergen werden,
denen es an der erforderlichen Vorbildung fehlt.
Die Folge davon ist dann, daß die Inhaber
von E. thatsächlich von gewandten Unterbeamten
sich leiten lassen oder daß sie sich an hergebrachte
Formulare sklavisch anklammern, wie dies nament-
lich in England bei den Friedensrichtern häufig der
Fall ist. Auch tritt nicht immer an die Stelle der
Abhängigkeit von einer vorgefetzten Behörde wahre
innere Freiheit und Selbstbestimmung, sondern sehr
häufig eine viel schlimmere Abhängigkeit von Partei-
umtrieben oder von lokalen Cliquen und von Ein-
flüssen der Sippschaft, Gevatterschaft, Kundschaft,
der Konfession u. dgl. Gegen diese Gefahren muß
ein Schutz gewährt werden teils durch die gesetzliche
Verantwortlichkeit der Inhaber von E. für ihre Ge-
schäftsführung, teils durch die Unterordnung der-
selben unter höhere Instanzen. Auch vertragen
nicht alle Zweige der Staatsverwaltung die mit
dem System der E. verbundene Decentralisation
und Selbständigkeit, und eine übermäßige Aus-
dehnung dieses Systems könnte zur Entnervuna
und Lähmung der Staatsgewalt führen. - Vgl.
Gneist, Der Rechtsstaat (2. Aufl., Verl. 1879).
Ghrenannahme oder Ehrcnaccept und
Ehrenzahlung, die beiden Formen der Interven-
tion im Wechselrecht. Wenn der Bezogene nicht accep-
tiert, hat der Wechselinhaber Anspruch auf Sicher-
stellung gegen seine Vormänner; wenn der Accep-
tant oder der Aussteller des eigenen Wechsels nicht
zahlt, hat der Wechselinhaber den Regreß gegen seine
Vormänner; in beiden Fällen entstehen regelmäßig
Kosten, welche namentlich bei dem Regreß mangels
Zahlung den Betrag der Verpflichtung empfind-
lich erhöhen können. Um diese zu vermeiden, kann
jeder Regreßpflichtige, beim gezogenen Wechsel der
Übung nach auch der Aussteller, im Wechsel die An-
weisung erteilen, daß im Falle der Nichtannahme
oder Nichtzahlung der Inhaber Accept und Zahlung
oder die Zahlung zunächst bei einer dritten Person
zu suchen hat. Diese dritte Person ist die sog. Not-
adresse, bezeichnet durch die Klausel: "nötigenfalls
bei...", "im Fall der Not bei...", "im Falle"
(frz. "3.U d680iii", engl. "in case ol Q66ä") und
ähnlich. Beim gezogenen Wechsel muß der Inhaber
nach erhobenem Protest mangels Annahme das
Accept von der Notadresse verlangen und kann,
wenn diese acceptiert, Sicherstellung nicht fordern.
Unter mehrern Notadressen gebührt derjenigen der
Vorzug, durch deren Zahlung die meisten Verpstich-