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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahnwerkstätten - Eisenbahnzeit
wo die Eisenbahnen vielfach durch ausgedehnte unwirtliche Gegenden führen und den Reisenden auf den tagelangen Fahrten sonst keine Gelegenheit zur Übernachtung und Verpflegung geboten ist. Die amerik. Pullman-Palastwagengesellschaft versorgt Eisenbahnlinien in einer Länge von rund 190000 km mit ihren Wagen und beschäftigt über 11000 Personen mit einem jährlichen Kostenaufwand von 25½ Mill. M. Auf den europ. Eisenbahnlinien ist seit 1873 zwischen allen größern Orten durch die Internationale Eisenbahn-Schlafwagengesellschaft zu Brüssel Schlaf- und Restaurationswagendienst eingeführt; dieselbe hat auch die sog. Luxusexpreßzüge zwischen Paris einerseits und Bukarest und Konstantinopel andererseits (Orient-Expreßzug, s. Eisenbahnzüge) wöchentlich einmal nach Bukarest in etwa 53 Stunden und zweimal nach Konstantinopel in etwa 70 Stunden, sowie zwischen Paris über Madrid nach Lissabon (Süd-Expreßzug, wöchentlich dreimal nach Madrid in 28, nach Lissabon in 44 Stunden) eingerichtet. Außerdem verkehren noch Luxusexpreßzüge zwischen Paris und Rom, Paris und Pau, Paris und Ventimiglia (Mittelmeer-[Méditerranée-]Expreßzug) und zwischen Paris und Brindisi (Péninsulaire-Expreßzug). Anschlußverbindungen zwischen Paris und London über Calais werden durch die sog. Klubzüge und Schnelldampfer binnen etwa 8 Stunden vermittelt. Die Luxusexpreßzüge bestehen gewöhnlich aus 2 oder 3 Schlafwagen zu 20 Plätzen, die wiederum in Abteilungen zu 2 oder 4 Plätzen eingeteilt sind, aus einem Salonrestaurationswagen mit Speisesaal (für 36 Personen) und einem Küchen- und Gepäckwagen; in dem Gepäckwagen befindet sich ein Kabinett mit kalter und warmer Douche sowie eine Ersatzküche. Alle Wagen, die mit Gas oder elektrischem Licht beleuchtet werden, sind durch fortlaufende Gänge und an den Enden befindliche Plattformen verbunden und gestatten den Verkehr von einem Ende des Zuges bis zum andern. Die Einnahmen der Gesellschaft betrugen 1892: 5628653 Frs., der Reingewinn 650995 Frs., der die Verteilung einer Dividende von 5 Proz. gestattete. Im Betrieb waren 1889: 251 Eisenbahnwagen und 32 Gepäckwagen im Wert von 16053946 Frs. Bestellt wurden 19 Wagen und 1 Gepäckwagen. Der Orient-Expreßzug hat 42,34 Proz. und der Süd-Expreßzug 50,6z Proz. mehr als im Vorjahr erbracht, dagegen haben die inzwischen eingestellten Klubzüge über Calais ungünstige Ergebnisse geliefert.
Auf den preuß. Staatsbahnen werden jetzt Schlafwagen von den betreffenden Verwaltungen gestellt, die Schlafwagen der Gesellschaft verkehren nur noch auf Grenzstrecken größerer Linien, so z. B. zwischen Köln und Brüssel, Köln und Paris, Köln und Ostende, Berlin und Wien, Frankfurt a. M. und Paris u. s. w.
Eisenbahnwerkstätten, zur Herstellung und Unterhaltung der Betriebsmittel (s. d.), der Werkzeuge u. s. w. dienende Arbeitsräume. Der Neubau von Lokomotiven und Wagen wird gewöhnlich nicht in den E. bewirkt, die Beschaffung erfolgt meist durch Ankauf bei den bestehenden Lokomotiv- und Wagenbauanstalten. Dagegen werden in den E. der Königl. Sächs. Staatseisenbahnen (etwa 1450 Arbeiter) zu Chemnitz auch neue Wagen gebaut sowie ältere Lokomotiven in Compoundsystem umgebaut. Die Hauptthätigkeit der E. ist auf Reparaturen beschränkt, sie heißen daher auch kurzweg Reparaturwerkstätten. Je nach ihrem Umsang unterscheidet man Haupt- und Nebenwerkstätten: in den Betriebswerkstätten werden nur die kleinern Reparaturen für den laufenden Betriebsdienst ausgeführt. E., die sich auch mit der Ausbildung von Lehrlingen befassen, werden Lehrwerkstätten genannt. (S. Eisenbahnschulen.) Bei den preuß. Staatsbahnen sind 1894/95 insgesamt 60 Haupt-, 19 Neben- und 199 Betriebswerkstätten, zusammen 278 Werkstätten, vorhanden; die meisten Hauptwerkstätten waren auch Lehrwerkstätten.
Eisenbahnzeit, die Zeit, nach der im Betrieb der Eisenbahnen gerechnet wird, insbesondere auch die Fahrpläne (s. Eisenbahnfahrpläne) aufgestellt werden. Die durch die Bewegung der Erde von Westen nach Osten bedingte Linderung der sog. mittlern Ortszeit (s. Zeitdifferenz) hatte bei Ortsveränderungen in der Richtung der geographischen Länge (s. d.) für den Verkehr so lange nichts Störendes, als man an einem Tage Entfernungen von nur 40 bis 50 km zurücklegen konnte. Als es aber möglich wurde, mit der Eisenbahn in wenigen Stunden Strecken von mehrern 100 km zu durcheilen, wurde die stete Veränderung des Zeitmaßes unbequem empfunden. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Zeitrechnung (Normalzeit) trat daher im Eisenbahnbetrieb schon frühzeitig hervor, indem es sich schon bei verhältnismäßig kurzen Linien als unthunlich erwies, den Fahrbetrieb nach den verschiedenen mittlern Ortszeiten der einzelnen Stationen einheitlich zu gestalten. Fährt z. B. ein Zug von Berlin ab in östl. Richtung und hat der Zugführer bei der Abfahrt seine Dienstuhr ("Kursuhr") nach mittlerer Berliner Zeit gestellt, so wird die Angabe dieser Uhr mit jedem Längengrad, um den der Zug in östl. Richtung vorrückt, um -4 Minuten von der betreffenden mittlern Ortszeit abweichen. Die nach mittlern Ortszeiten aufgestellten Fahrpläne erwiesen sich daher für den Dienstgebrauch als nicht geeignet; insbesondere waren daraus die Fahrzeiten zwischen den einzelnen Stationen nicht ohne weiteres zu entnehmen, man mußte vielmehr erst jedesmal die mittlere Ortszeit der Stationen durch Zu- oder Abrechnung des zwischen ihnen und der Ausgangsstation bestehenden Zeitunterschiedes auf die mittlere Ortszeit der letztern zurückführen. Es wurden deshalb Dienstfahrpläne aufgestellt, in denen diese Arbeit ein für allemal gemacht und die mittlere Ortszeit der Ausgangsstation oder einer sonstigen Station des betreffenden Verwaltungsbezirks durchweg beibehalten wurde. Später wählte man zur Herbeiführung einer Zeiteinheit für noch weitere Gebiete die Hauptstadt des betreffenden Landes als "Normalzeit" für den Eisenbahnbetrieb. In manchen Ländern wurde die gleiche Normalzeit auch für das bürgerliche Leben, in andern Ländern wenigstens für das gesamte Verkehrsleben (Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen) eingeführt. In den Ländern, in denen nur für den innern Eisenbahndienst eine Normalzeit besteht, werden daher die Dienstfahrpläne nach dieser, die Fahrpläne für das Publikum dagegen nach mittlerer Ortszeit aufgestellt. Dienstfahrpläne und Fahrpläne für das Publikum decken sich daher nur in denjenigen Staaten, in denen für das bürgerliche oder doch wenigstens für das Verkehrsleben eine einheitliche Zeit besteht, während in letzterm Falle die Fahrpläne für das Publikum immer noch von der bürgerlichen Zeit abweichen. Mit der fortschreitenden Entwick-^[folgende Seite]