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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahnzeit
lung des Eisenbahnnetzes machte sich immer dringender das Bedürfnis geltend, die Normalzeit mindestens für den innern Eisenbahndienst auf noch weitere, möglichst große Ländergebiete auszudehnen, da die verschiedenen Zeitrechnungen der einzelnen Länder und Bahnverwaltungen nicht nur den gegenseitigen Verkehr und insbesondere die Aufstellung der Fahrpläne ungemein erschwerten, sondern auch die Sicherheit des Betriebes gefährdeten. In Deutschland wurde (1874) eine Einigung dahin erzielt, daß wenigstens die graphischen Fahrpläne (s. Eisenbahnfahrpläne, S. 870 a) der deutschen Bahnen nach mittlerer Berliner Ortszeit aufgestellt wurden. Später nahmen einzelne Bahnverwaltungen die Berliner Zeit überhaupt für den innern Dienst an.
In nachfolgender Übersicht ist der Zustand dargestellt, der sich hinsichtlich der Normalzeiten für den innern Eisenbahndienst in Deutschland und den übrigen europ. Hauptländern bis zum 1. Juni 1891 entwickelt hatte.
Berliner Zeit Mittlere Ortszeit der Hauptstädte der einzelnen Länder Besondere Zeit
Auf allen Hauptbahnen Norddeutschlands, mit Ausnahme von Oldenburg, und auf den Reichseisenbahnen (s. d.). Auf allen Bahnen in Baden, Bayern (Pfalz: Ludwigshafener Zeit), Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Oldenburg, Portugal, Rumänien, Rußland (Petersburger und Moskauer Zeit), Schweiz, Serbien, Spanien, Türkei, Ungarn, Württemberg. Auf allen Bahnen in England und Schottland-Greenwicher Zeit), in Österreich-Ungarn (westlich von Krakau: Prager, östlich von Krakau: Budapester Zeit), in Schweden (nach einem westlich vom Meridian des Stockholmer Observatoriums belegenen Meridian).
In Baden, Bayern und Württemberg, in England, Schottland und Irland, in Frankreich und Algerien (seit 15. März 1891) sowie in Schweden galt die E. zugleich für das bürgerliche Leben, in Belgien, Dänemark, Italien, Niederlande, Österreich-Ungarn, Rußland, Schweiz und Spanien dagegen nur für das Verkehrswesen, während im sonstigen bürgerlichen Leben nach mittlerer Ortszeit gerechnet wurde. In Nordamerika sind 1881 unter Aufhebung der zahlreichen, etwa 75 verschiedenen E. zunächst für das Verkehrswesen 5 Zeiten eingeführt worden, die Städte und Ortschaften haben indes nach und nach ihre Ortszeit aufgegeben und für das gesamte bürgerliche Leben die E. angenommen. Seitdem sind die 5 verschiedenen Zeiten noch auf 4 verringert worden, sodaß in ganz Nordamerika nur 4 - um je eine volle Stunde voneinander abweichende - Zeiten bestehen. Hieraus ergiebt sich, daß nur in Baden, Bayern, Württemberg, England, Schottland, Irland, Frankreich, Schweden und Nordamerika die Fahrpläne der Eisenbahnen mit der bürgerlichen Zeitrechnung übereinstimmten, während sie in allen übrigen Ländern von der maßgebenden mittlern Ortszeit abweichende Angaben enthielten. In den Ländern, in denen die E. für das Verkehrswesen galt, enthielten daher auch die für das Publikum bestimmten Fahrpläne lediglich die Zeitangaben für den betreffenden, der Zeitrechnung zu Grunde gelegten Ort; nur im Deutschen Reich (ausschließlich Bayern, Württemberg und Baden), wo die E. lediglich für die Verwaltungen selbst, nicht auch für das bürgerliche Leben oder das Verkehrswesen galt, wurden für das Publikum besondere Fahrpläne nach mittlerer Ortszeit aufgestellt.
Es leuchtet ein, daß die außerordentliche Verschiedenheit der Zeitrechnungen, die hiernach immer noch im innern und in noch größerm Umfange im äußern Eisenbahndienst (dem Publikum gegenüber) bestehen geblieben war, für die Eisenbahnverwaltungen selbst und für das Publikum große Unzuträglichkeiten und Unbequemlichkeiten mit sich bringen mußte. Wer z. B. von Petersburg nach Paris fahren wollte, mußte auf den Übergangsstationen, wo eine andere Zeitrechnung beginnt, seine Uhr erst genau nach dieser stellen und bei der Fahrt durch Norddeutschland und Elsaß-Lothringen außerdem noch die maßgebende, auf jeder Station verschiedene mittlere Ortszeit berücksichtigen. Auf der kurzen Strecke Straßburg-Ulm hatte er seine Uhr viermal zu stellen, wenn er mit der E. gleichgehen wollte. Um wenigstens derartige Unbequemlichkeit zu vermeiden und die Rechnung nach einer Zeit zu ermöglichen, war gewöhnlich an den Bahnhofsuhren der preuß. Stationen kenntlich gemacht, um wieviel Minuten die Ortszeit von der Berliner Zeit abweicht.
Zur Beseitigung der vorbezeichneten Übelstände hatte die Direktion der königlich ungar. Staatseisenbahnen im Nov. 1889 bei der geschäftsführenden Direktion des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen (s. Eisenbahnverein) einen Antrag auf Einführung einer einheitlichen E. innerhalb des Vereinsgebietes gestellt. Der Antrag schloß sich an den Vorschlag der Europäischen Gradmessungskommission in der Sitzung zu Rom vom 15. Okt. 1883 an, wonach der Meridian von Greenwich den Anfangsmeridian für eine, wissenschaftlichen Zwecken dienende Weltzeit (s. d.) bilden sollte, und beruhte auf der in Nordamerika 1884 zuerst praktisch gewordenen Annahme von Stundenzonenzeiten, nach der die Zeitberechnung auf dem ganzen Erdball nach 24 je um eine volle Stunde voneinander entfernten Zonenzeiten geregelt werden soll. Bei der schon obenerwähnten Zeitrechnung in Nordamerika wurden die um 75, 90, 105 und 120 Grad westlich von Greenwich liegenden, also um je 15 Längengrade (zu 4 Zeitminuten = 1 Stunde) voneinander entfernten und von Greenwich um 5, 6, 7 und 8 Stunden abweichenden Meridiane als zeitbestimmend für 4 Zonen eingeführt. Zugleich wurde festgestellt, daß die genannten Meridiane nicht die Grenz-, sondern die Mittellinien der einzelnen Zonen bilden sollen, sodaß eine Stundenzone - abgesehen von geringen, durch die polit. Einteilung der Länder begründeten Abweichungen - stets durch die 7½ Grad westlich und 7½ Grad östlich von dem betreffenden Meridian belegenen Längengrade begrenzt wird. Von den hiernach in Nordamerika bestehenden vier E. Pacific Time, Mountain Time, Central Time und Eastern Time) umfaßt die östl. Zeit (75. Meridian) die östl. Staaten und Canada, die Mittelzeit (90. Meridian) die mehr westlich in den mittlern Staaten und Canada belegenen Bahnen, während für die noch mehr westl. Gebiete die Zeit des 105. und 120. Meridians (Gebirgs- und Pacific-Zeit) gilt. Japan hat 1888 ebenfalls diese Zonenanordnung eingeführt und den 135. Längengrad östlich von Greenwich als Grundlage der Zeitrechnung angenommen. Die erste Zone dieser auf das Stundenzonensystem begründeten Zeitrechnung würde jene bilden, deren Mittellinie der Meridian von Greenwich ist, und die von den Längengraden 7° 30' westlich und 7° 30'