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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Englische Kunst

abnorm weich bleiben, so daß Anschwellungen, Verbiegungen und Verkrümmungen an den verschiedensten Knochen des Körpers entstehen. Der Verlauf der Rhachitis ist gewöhnlich folgender: Den Anfang machen Unregelmäßigkeiten in der Verdauung, insbesondere chronische Darmkatarrhe mit grünlichen dünnen Stuhlentleerungen, unruhigem Schlaf und Abmagerung; häufig geben die Kinder auch Zeichen von Schmerz von sich, wenn sie ihre Glieder freiwillig bewegen oder von ihrer Umgebung berührt werden. Hierauf beginnen die Gelenkenden der Knochen anzuschwellen, besonders die des Vorderarms, des Unterschenkels und der Rippen; daher die Knöchel an Fuß und Hand, wie durch ein umgeschnürtes Band abgebunden, ober- und unterhalb des Gelenks hervorragen (Doppelglieder, Zweiwuchs) und die Verbindungsstellen der Rippen mit ihren Knorpeln durch ihre charakteristische Austreibung deutlich in das Auge fallen (rhachitischer Rosenkranz). Allmählich werden dann die übrigen Teile welch und durch die Muskeln, denen sie in diesem Zustand keinen Stützpunkt mehr bieten können, sowie durch die Schwere des Körpers krumm gebogen; insbesondere kommt es leicht zu Verkrümmungen und Verbildungen der Brust, der Wirbelsäule und des Beckens, welche häufig die schwersten Folgen für das ganze übrige Leben nach sich ziehen. Infolge der abnormen Weichheit der Rippen und Rippenknorpel vermag der Brustkorb dem äußern Luftdruck bei der inspiratorischen Erweiterung des Brustkastens nicht gehörig Widerstand zu leisten, und es entsteht so eine eigentümliche Verunstaltung desselben (sog. Hühnerbrust), welche sich durch Vorstehen des Brustbeins und Einsinken der Rippenknorpel kundgiebt und oft noch in spätern Jahren zur Entstehung von Lungenkrankheiten Veranlassung geben kann; ebenso vermag die rhachitische Verunstaltung des knöchernen Beckens, durch welche dessen Durchmesser beträchtlich verkürzt wird (sog. rhachitisches Becken), beim weiblichen Geschlecht noch nach Jahrzehnten für die Trägerin verhängnisvoll zu werden, indem sie ein schweres Geburtshindernis abgeben kann. Gleichzeitig erkranken die Zähne, werden schlecht, fallen aus und ersetzen sich nur langsam wieder. Am Schädel bleiben die Fontanellen lange offen und der Hinterkopf ist häufig so weich, daß er beim Liegen des Kindes eingedrückt werden und durch Druck auf das Gehirn Krämpfe oder Schlafsucht und Betäubung erzeugen kann (sog. weicher Hinterkopf, Schädelschwund oder Craniotabes). Die E. K. hat gewöhnlich eine Dauer von 2 bis 3 Jahren. Geht die Krankheit in Genesung über, so pflegt sich dies zuerst durch die Abnahme der oft außerordentlich großen Magerkeit zu verraten. Die schlotternde Haut wird durch die Glieder wieder ausgefüllt, das runzlige und alte Gesicht geglättet, während der aufgetriebene Leib an Umfang verliert. Allmählich fangen die Kinder an, sich im Bett aufrecht zu setzen und sich mit Spielen zu beschäftigen; aber gerade zu dieser Zeit ist große Gefahr vorhanden, daß sich bei ihnen Verbiegungen und dauernde Verkrümmungen der Wirbelsäule entwickeln. Ebenso kommen gerade in der beginnenden Rekonvalescenz, wenn die Kinder zu früh das Bett verlassen und sich an den Möbeln festhaltend im Zimmer herumzulaufen versuchen, am häufigsten Verbiegungen und Einknickungen der Extremitäten zu stande, weshalb sie gerade zu dieser Zeit verdoppelter Aufsicht und Überwachung bedürfen.

Das Entstehen der Rhachitis wird durch Erblichkeit, durch anhaltende Einwirkung einer naßkalten, feuchten, nebligen Witterung oder ungesunder Wohnungen, vor allem aber durch unzweckmäßige oder mangelhafte Ernährung begünstigt, weshalb vorwiegend gerade künstlich aufgezogene und aufgepäppelte Kinder von ihr befallen werden. Man findet sie hauptsächlich in nördl. Ländern mit feuchter Atmosphäre, z. B. in England, Holland und Nordfrankreich; gegen den Süden zu wird sie seltener; in den Tropenländern verschwindet sie ganz. Die Heilung ist vorzüglich von zweckmäßigerer Lebensart und Ernährung (kräftige Fleischbrühen, Eier, fein zerteiltes, leicht durchgebratenes Fleisch, kleine Mengen von Portwein und Tokayer, kein Brot, keine Mehlbreie, keine Kartoffeln) sowie von Verdauung und Blutmischung verbessernden Mitteln (Kalk- und Magnesiapräparaten, Stahlmitteln, Phosphor, Leberthran), stärkenden Bädern (Solbäder), gesunder Luft, Aufenthalt an sonnigen, trocknen Orten und von dem fortschreitenden Alter zu erwarten, gelingt jedoch selten so, daß keine Spuren der Krankheit (z. B. krumme Beine, verbildete Brust, krummer Rücken) zurückbleiben. Individuen, welche in ihrer Jugend an intensiver und ausgebreiteter Rhachitis litten, bleiben gewöhnlich auffallend, mitunter bis zum Zwerghaften, klein und bieten zuweilen dadurch, daß ihr im Verhältnis zu dem verkümmerten Körper unförmlich großer Schädel ein kleines Gesicht überragt, eine auffallende und häßliche Entstellung dar. Gegen stärkere Verkrümmungen werden geeignete Stützapparate und orthopäd. Kuren, bisweilen selbst operative Eingriffe erforderlich. Die Krankheit war übrigens schon im Altertum bekannt, wie eine antike, entschieden rhachitische Büste des Äsop bezeugt, hat aber erst im 17. Jahrh. bei ihrer Verbreitung in England die Aufmerksamkeit der Ärzte erregt. – Vgl. Stiebel, Rickets, Rhachitis oder Rachitis (Erlangen 1863); Ritter von Rittershain, Die Pathologie und Therapie der Rhachitis (Berl. 1863); Rehn, Rhachitis (in Gerhardts «Handbuch der Kinderkrankheiten», Bd. 3, Tüb. 1878); Kassowitz, Die Symptome der Rhachitis (Lpz. 1886).

Englische Kunst. (Hierzu die Tafeln: Englische Kunst Ⅰ–Ⅲ. Taf. Ⅰ: Baukunst. Taf. Ⅱ: Malerei. Taf. Ⅲ: Bildnerei.)

Ⅰ. Baukunst. Nur wenige europ. Länder führen sich durch so mächtige Bauwerke in die Geschichte ein wie England durch seine Stonehenge (s. d.), seine Dolmen (s. d.), Cromlech (s. d.) und andere vorhistor. Steinbauten, die sich durch Ausdehnung der Anlage, Größe und fortgeschrittene Bearbeitung der einzelnen Blöcke, aus welchen sie aufgetürmt sind, auszeichnen. Die früheste Ornamentik ist die von den irischen Miniaturen (s. d.) beeinflußte, welche die angelsächs. Mönche betrieben; sie zeigt eine Verbindung von antiken Elementen mit nordischen Tiergestalten und Schnörkelwesen, welche sich an der Holzschnitzerei ausgebildet hatten. Auch für die Folgezeit, für jene nach der Einwanderung der Normannen, blieb der Holzbau maßgebend. Die alten Bauwerke angelsächs. Stils sind selten und, wo sie erhalten sind (wie z. B. die Kirchen von Bradford, Earls Barton, Worth und Monkwearmouth), arm an Form; die Ornamentik wird zwar mehr und mehr dem Steinbau entsprechend gebildet, doch die Zickzacklinien und ähnliche vorwiegend lineare Formen mehr verwendet als auf dem Kontinent. Im Grundriß der Kirchen blieben die Nor-^[folgende Seite]