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Englische Kunst
sance, Inigo Jones (s. d.), noch gelegentlich anwendete. Dieser brachte aus Italien die lebhafteste Begeisterung für Palladio und seine Kunst mit und teilte diese den Engländern für die Dauer mit, so daß sie zu den eigentlichen Trägern des Palladianismus wurden. Sein Schloß Whitehall in London ist die Musterleistung dieser Richtung.
Durch Christopher Wren, den Erbauer zahlreicher kleinerer protestantischer Kirchen (s. Taf. Ⅰ, Fig. 6) und der auf Wunsch des zum Katholicismus hinneigenden Hofs der Stuarts nach Art der Peterskirche zu Rom errichteten Paulskirche zu London (s. Tafel: Londoner Bauten, Fig. 3), ferner durch den im Schloßbau thätigen John Vanbrough (s. umstehende Figur) u. a. kam ein mächtiger, vielfach derber Barockstil (Queen Anne style) in Aufnahme, neben dem aber noch got. Formen hergingen. Durch die klassicistische und romantische Strömung am Ende des 18. Jahrh. wurde England zum führenden Lande in der Baukunst. Der Gartenbau lenkte auf die Nachahmung fremder Stile, so des chinesischen, des maurischen und des gotischen, die bald, in monumentaler Weise ausgebildet, den Profanbau zu beherrschen begannen, so daß man auch auf dem Kontinent bis in die jüngste Zeit vorzugsweise engl. Gotik für Schloß- und Gartenbauten anwendete. Ebenso wurden die Engländer durch die Architekten Kent, Chambers, Adams, Soane, Wyatt, Smirke, Wilkins u. a. von der begeisterten Wiederaufnahme des Palladianismus auf die Antike hingewiesen und die eigentlichen Schöpfer des in Frankreich Empire-Stil (s. d.) genannten Klassicismus (s. d.). Sie waren die ersten, die durch Stuart und Rewett sowie durch eine Gesellschaft von für die Baukunst begeisterten Dilettanten die antiken Baureste systematisch aufmessen und sogar, soweit möglich, Teile derselben nach England übertragen ließen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrh. hat außerdem durch zahlreiche Aufmessungen und Veröffentlichungen die Kenntnis fremder Kunstweisen großen Fortschritt gemacht; doch je mehr der Klassicismus zurückgedrängt wurde, und die Gotik sich dieser Richtung gegenüber frei im modernen Sinne entfaltete, desto leichter und müheloser wurde das Fremde in einen eigenartigen nationalen Stil verarbeitet (Queen Victoria style), so daß dieser eine beneidenswerte Einheitlichkeit auf Grund der vielseitigsten Anregungen und Vorbilder erlangte. Die Gotik bildet, nachdem in den vierziger Jahren durch Barry die Parlamentshäuser in London in diesem Stil errichtet worden waren, immer noch die Grundlage, von der aus die E. K. fortschreitet; Meister wie Barry, Pugin, Scott, Street, Waterhouse haben sich in diesem Stil bewegt, während Digby Wyatt, Owen Jones, Fergusson u. a. für die Erforschung der Kunstschöpfungen aller Länder eintraten. Als bedeutendste Denkmäler moderner Gotik lassen sich das Parlamentsgebäude in Westminster, das naturhistor. Museum und der Justizpalast (s. Tafel: Londoner Bauten, Fig. 5) in London sowie die Universität in Glasgow nennen. Neben der Gotik und ital. Renaissance, deren erste Proben Barry an Londoner Klubhäusern lieferte, ist wieder die Frührenaissance in den Formen des Stils Königin Elisabeth, doch untermischt mit japan. Einflüssen, lebhaft in meist höchst malerischen Entwürfen hervorgetreten. An innerm Wert steht die engl. Baukunst keiner andern nach; an Umfang hat sie bei der regen Kirchenbauthätigkeit, den zahlreichen Schulen und Stiftungen, dem Wachstum der Städte und des Britischen Reichs, dem Reichtum seiner Bewohner die erste Stelle in der Welt eingenommen. Großartig entwickelte sie sich namentlich an den Werken des Ingenieurs und an jenen Nutzbauten, zu deren Herstellung dieser sich mit dem Architekten in einer Person verbindet. Die Eisenbauten z. B. für den Krystallpalast der Ausstellung von 1851 (s. Tafeln: Ausstellungsgebäude Ⅰ, Fig. 1 und Ⅱ, Fig. 1), die Bahnhöfe (s. Tafel: Bahnhöfe Ⅳ, Fig. 2) Englands haben den Ton für die Gestaltung solcher Werke angegeben. Nicht minder hat sich seit 1850 das engl. Kunstgewerbe, schon früher beliebt durch die Dauerhaftigkeit seiner Erzeugnisse, auch in den Kunstformen eine hervorragende Stelle erobert.
Ⅱ. Bildnerei. In der Bildhauerkunst ist eine Einwirkung der Schule von Niccolò Pisano, dem Wiedererwecker der mittelalterlichen Skulptur, auf die Plastik der Normandie und Englands unleugbar. Im allgemeinen erweist sich die mittelalterliche Bildnerei wie Baukunst von Frankreich abhängig. Doch ist so reicher bildnerischer Schmuck wie an den franz. Domen in England selten. Eine glänzende Ausnahme machen die Kathedralen von Wells und Lincoln, in denen sich ein freier, anmutiger Stil äußert. Nicht minder beachtenswert ist die große Zahl von Grabstatuen, in der sich die Eigenart der E. K. früh Geltung verschafft. Bis zum Anfange des 14. Jahrh. dauerte diese ergiebige Zeit. Im Laufe dieses Jahrhunderts gewinnen die Skulpturen nicht selten eine zarte Anmut und einen reichen architektonischen Stil. Bis gegen Ende des 18. Jahrh. wurde weniges und unter diesem fast alles Bedeutende von fremden, meist ital. und niederländ. Künstlern ausgeführt. Dann trat nach einigen Vorläufern John Flaxman (1755‒1826) auf, zuerst ein genaueres Studium der Antike in England einführend. Früh machte sich ein als «Realismus» verschrieener Zug zum einschmeichelnd Schönbildnerischen in der engl. Bildnerei geltend: Nollekens, Chantrey, Westmacott, Watson waren talentvolle, meist an Canova sich anlehnende Künstler dieser Richtung. Einen größern Ernst zeigte die folgende, Thorwaldsen verwandte Schule, an deren Spitze der in Rom lebende Gibson (s. Taf. Ⅲ, Fig. 8 u. 9) stand. Ferner sind zu nennen: Wyatt, Baily (s. Taf. Ⅲ, Fig. 1), Spence, Slater und der jüngere Richard Westmacott; im Porträtfach J. H. Foley (s. Taf. Ⅲ, Fig. 5), Woolner und Moßman, im Genre James Westmacott (s. Taf. III, Fig. 10) und Munro. In neuerer Zeit hat sich, dank der präraffaelitischen Malerschule, die Bildnerei zu einem kräftig realistischen Stil durchgearbeitet und leistet namentlich im Porträtfache sehr Bedeutendes. Ursprünglich durch die Plastik der ital. Frührenaissance zu unbefangenem Naturstudium sich aufrichtend, führte diese Richtung zu einem eigenartigen Stil, der von Armstead, W. C. Marshall (s. Taf. Ⅲ, Fig. 3), Steell, MacDowell (s. Taf. Ⅲ, Fig. 4), Theed (s. Taf. Ⅲ, Fig. 2), John Bell vorbereitet, durch Böhm (s. Taf. Ⅲ, Fig. 7), Stevens (1818‒75) und den Schotten D. W. Stevenson (s. Taf. Ⅲ, Fig. 6) zu hoher Monumentalität geführt, durch den Maler Leighton bereichert wurde und jetzt durch Thornycroft, Onslow, Lawson Ford u. a. vertreten wird.
Ⅲ. Malerei. Die Malerei wurde in England während des Mittelalters kaum in geringerm Maße