Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

243
Erbunwürdigkeit - Erbverzicht
Grbunwürdigkeit oder Indignität. Im röm.
Rechte wurde in gewissen von dem Gesetze bestimmten
Fällen eine testamentarische oder gesetzliche Erbscbaft
und selbst ein Vermächtnis dem Berufenen oder Be-
dachten wegen Unwürdigkeit entzogen. Es handelte
sich hauptsächlich um Impietät Mißachtung) gegen
den Erblasser oder dessen Willen. Tas Entzogene
(sog. 6l6pticium) wurde ursprünglich nur dem
Fiskus, später auch andern würdigern Personen
zugewiesen. Die erheblichsten Gründe sind: absicht-
liche oder fahrlässige Herbeiführung des Todes des
Erblassers, Zerstörung oder Beseitigung des Testa-
ments, arglistige Verhinderung an der Errichtung
oder Änderung einer letztwilligen Verfügung. Das
Preuft. Allg. Landr. 1,12, §§. 590 fg., 600 fg.'; II, 16,
8. 18, das Sächs. Vürgerl. Gesetzb. §§. 2277-79,
2425, der Ooäo civil Art. 727-730, 1046, 1047,
ein württemb. Gesetz vom 5. Sept. 1839, das Österr.
Bürgert. Gesetzb. §§. 540-543 und der Deutsche
Entwurf §§.2045 fg. haben das Institut unter Ein-
schränkungen der Gründe und Abweichungen im
einzelnen aufgenommen.
Grbverbrüderung(^0nfi-Ht6ruitH3), ein Rechts-
geschäft, welches nur unter Familien des hohen
Adels und hier seit dem Ende des 14. Jahrh,
häufiger vorkommt. E. wird ein Vertrag genannt,
dessen Inhalt dahin geht, daß nach dem Äussterben
der successionsfäbigen Mitglieder der einen Familie,
oder doch der männlichen Mitglieder derselben, die
andere Familie, d. h. der uach deren Succcssions-
ordnung Nächstberechtigte, succedieren soll. Vertrag-
schließende Parteien sind die Familien. Regelmäßig
räumten die Familien sich gegenseitig Rechte ein.
Soweit es sich um lehnbare Territorien handelte,
bedürfte der Vertrag der Bestätigung seitens des
oder der Lehnsherren. In älterer Zeit bediente man
sich der Form der Vergabung von Todes wegen.
Gleichzeitig pflegten die beiderseitigen Untertbanen
den Vertragschließenden zu huldigen- diese nahmen
die Titel und Wappen der verschiedenen Familien an.
Später erhielt die E. die Form und Natur eines
Erbvertrages. Für die Versorgung der Witwen und
die Dotation der Töchter einer im Mannsstamme
ausgestorbenen Familie blieb deren Familiengesetz
maßgebend. Nach der herrschenden Meinung kann
wenigstens in denjenigM Staaten, welcbe eine Ver-
fassung haben, derzeit eine E. nur unter Mitwirkung
der Landesvertretung geschlossen werden; meist wird
auch die Mitwirkung der Aguaten erforderlich sein.
Die früher geschlossenen E. werden noch als rechts-
beständig angesehen, insbesondere der 1642 wegen
der Erbfolge in Mecklenburg geschlossene Vertrag.
Mit den E. wurden nicht selten Erbeinig u n g e n
(unioiin8 Ii6i'6(1iwi-mch verbunden, Schutz- und Trutz-
bündnisse, welche zugleich die nachkommenden Ge-
schlechter verpflichten sollten. - Vgl. Stobbe, Hand-
buch des deutschen Privatrechts, §§. 299, VI, 310,
Grbvermächtnis, s. Erbe. Ml, IV.
Grbvertrag, im allgemeinen ein Vertrag,
welcher unmittelbar die Beerbung eines der Ver-
tragschließenden oder beider zum Gegenstande hat.
Je nachdem derselbe die Gewährung eines Rechts
auf die Erbschaft als Erbe überhaupt oder zu einem
Bruchteile (E. im engern Sinne, neuerlich meist Erb -
cinsetzungsv ertrag genannt) oder den Verzicht
auf eine künftige Erbfolge (Erbverzicht) zum
Gegenstande hat, spricht man von affirmativem
oder negativem E. Werden nur bestimmte Stücke
des Nachlasses oder eine Geldsumme zugesichert, so
uennt man den Vertrag einen Vermächtnisver-
trag (s. d.). Der Erbeinsetzungsvertrag erzeugt
einen Anfallsgruud (s. Anfall), welcher in Wirk-
samkeit tritt, wenn der Erblasser verstirbt und der
Vertragserbe ihn überlebt. Aber zum Unterschied
vom Testament kann der Erblasser diese letztwillige
Verfügung nicht ohne Zustimmung des eingesetzten
Erben zurücknehmen. Nur Veräußerungen unter
Lebenden sind ihm gestattet. Die Vertragschließen-
den können sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Dem
röm. Rechte war der E. nicht bekannt. Der l^oäe
civil gestattet nur die vertragsmäßige Erbeinsetzung
in Ehestiftungen, aber hier Dritten ebenso wie den
Ehegatten, Art. 893,895, 1082, 1093,1389. Ohne
Beschränkung auf gewisse Personen lassen den Erb-
einsetzungsvertrag zu, außer dem Gemeiuen deutschen
Rechte, das Bayrische Landr. III, 11, §. 1, das Würt-
temb.Landreckt von 1610, IV, 1, §. 2, das Preuß. Allg.
Landr. 1,12, §§.617 fg., das Sächs. Bürgerl. Gesetzb.
§§. 2003, 2542, 2557 u. a. Andere Rechte gestatten
nur Ehegatten oder Verlobten einen E. zu schließen,
z. B. Österr. Vürgerl. Gesetzb. §§. 602, 1249 fg.,
Fraukfurter Reformation, <^olmser Gerichts- und
Landcsordnung u. a.
Um durch E. über seinen dereinstigen Nachlaß
verfügen zu können, bedarf der Verfügende nicht
nur der Fähigkeit, letztwillig zu verfügen, sondern
auck der Vertragsfähigkeit. Nach dem Gemeinen
Rechte ist für Bevormundete die Genehmigung des
Vormundes erforderlich; das Sächs. Vürgerl. Ge-
setzb. §. 2545 versagt Bevormundeten die Befugnis
zur Errichtung eines E. - Für die Annahme-
erklärung bestimmt das geltende Recht zumeist nur
die Anwendung der allgemeinen Vertragsgrund-
sätze, insbesondere auch in Ansehung der Vertretung.
! Für das Gemeine Recht wird von der herrschenden
! Meinung angenommen, daß die Beobachtung einer
! Form nicht erforderlich sei, sodaß selbst der münd-
liche Abschluß genügen soll. Testamentsform ver-
langen: das Preuß. Allg. Landr. 1,12, §§.621-623
(für Ehegatten und Verlobte genügt außergericht-
liche Aufnahme, wenn aber die Ehefrau durch den
Vertrag an ihren Rechten etwas verlieren soll, ge-
richtliche Form unter Zuziehung eines Beistandes,
II, 1, §. 441; Allg. Gerichtsordn. II, 1, §. 10, Nr. 5),
das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2546, das Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 1249 (Erfordernisse des schrift-
lichen Testaments). Gerichtlichen Abschluß des E.
verlangen das Bayrische Landr. III, 11, §.1 (er-
setzt durch notarielle Beurkundung nach dem bayr.
Gesetz vom 5. Mai 1890), die meisten thüring. Rechte
und einige andere Rechte geringern Geltungs-
gebietes. Das Gleiche gilt zumeist auch wegen der
Aufhebung oder Änderung des E. Der Eingesetzte
ist nach dem Tode des Erblassers in derselben Lage
wie der Testamentserbe, d. h. er hat leine Verpflich-
tung , die Erbschaft zu erwerben oder nicht auszu-
schlagen (s. Erbschaftserwerb). Der Erbeinsetzungö-
vertrag darf fo wenig wie das Testament das Pflicht-
teilsrecht außer Acht lassen. - Vgl. Stobbe, Hand-
buch des deutschen Privatrechts (Berl. 1882-85),
Hartmann, Zur Lehre von den E. (Vraunschw. 1860).
Grbverzicht, der Verzicht auf ein Erbrecht, über
den Verzicht auf ein angefallenes Erbrecht (Aus-
schlagung) s. Erbschaftserwerb. Nach den meisten
Rechten ist ein einseitiger Verzicht auf das künftige
Erbfolgerecht unwirksam, so insbesondere nach dem
^ Gemeinen'Rechte; ausdrücklich ausgesprochen ist dies
16*