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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ferdinand I. (König beider Sicilien) - Ferdinand II. (König beider Sicilien)
2. Jan. 18 l6 mit der Prinzessin Marie Antonie
Gabriele, Tochter des reichen Fürsten Franz Joseph
von Kohary, trat 1818 znr kath. Kirche über und
wurde 1827 ungar. Staatsbürger. Er starb in Wien
27. Aug. 1851. Von seinen drei Söhnen: Ferdinand,
August und Leopold, traten die beiden letzten gleich-
falls in österr. Militärdienste, während der erste als
Ferdinand II. (s. d.) König von Portugal wurde.
Der jüngste Sohn des Prinzen August, Ferdinand
ls. d.), ist Fürst von Bulgarien.
Ferdinand I., König beider Sicilien, geb.
12. Jan. 1751, erhielt das nüt Spanien auf Grund
der Verträge unvereinbare Unteritalien und Sici-
lien, als sein Vater Karl III. (s. d.) 1759 den span.
Thron bestieg. Tanucci leitete für den gleichgültigen
und von ihm absichtlich mangelhast erzogenen Fürsten
an der Spitze der Regentschaft und feit 1767 als
erster Minister die Geschäfte zwar trefflich, wurde
aber von F.s herrschsüchtiger Frau Karoline Marie
1777 verdrängt und durch La Sambuca, 1784 durch
Acton (s. d.) ersetzt. Neapel, das sich nun dem span.
Einfluß entzog, um sich England und Österreich an-
zuschließen , beteiligte sich seit 1793 an den Koali-
tionskriegen gegen Frankreich; nach einem vorüber-
gehenden Frieden 1796 sah sich F. nach der Nieder-
lage Macks gegen Championnet zur Flucht nach
Palermo (24. Dez. 1798) genötigt, während in
Neapel nach Niederwerfung der Lazzaroni tne Par-
thenopäische Republik (s. d.) errichtet wurde (23. Jan.
1799). Der Abzug der srauz. Truppen ermöglichte
jedoch schon im Mai 1799 dem Kardinal Ruffo (s. d.)
und feinen Banden die Rückeroberung von Neapel,
wo unter Nelsons Augen treulose und blutige Rache
an den Republikanern genommen wurde. F. kehrte
im Jan. 1800 selbst nach Neapel zurück, wurde aber
1801 von den in Deutschland siegreichen Franzosen
gezwungen, den "ätato äeipresi^", Piombino und
Porto Longone abzutreten und sich der Kontinen-
talsperre anzuschließen. Bei Ausbruch des Krieges
von 1805 nahn: jedoch F. engl. und russ. Truppen
auf und rüstete sich zur kräftigen Beteiligung am
Kampfe gegen Napoleon I. Dieser aber besetzte nach
dem überraschend schnell errungenen Sieg bei Auster-
litz F.s vollständiges Gebiet, welches Joseph Bona-
parte und später Murat bekam, und zwang ihn sowie
dann auch Karoline Marie zur Flucht nach Sicilien.
.hier behaupteten sie sich unter dem Schutz der engl.
Flotte. Als Karoline Marie, müde der Bevor-
mundung durch England und des von diesem der
Verfassung gewährten Schutzes, mit Napoleon in ge-
heime Verhandlungen sich einließ, sorgte der Admiral
Lord Bentinck 1811 für ihre Entfernung aus Sici-
lien, worauf er auch F. im Jan. 1812 zwang, seinen
England mehr ergebenen und einer verfassungs-
mäßigen Regierung geneigtcrn Sohn Franz (I.) zum
Statthalter "zu ernennen. Nach Ventincks Abgang
(Jan. 1813) übernahm F. die Regierung wieder selbst
und erhielt nach Napoleons Niederlage auch Neapel
von den Mächten wieder zurück. Murats verspäteter
Versuch, sich in den Besitz von Unteritalicn zu setzen,
mißlang; aber unter dem äußern Schein der Ord-
nung und Ruhe fraß das Unwesen der Carbonari
(s. d.) um sich. Als, angeregt durch Spaniens Bei-
spiel, 1. Juli 1820 eine Revolution ausbrach, über-
trug F. die Statthalterschaft wieder an Franz, der
die geforderte Verfassung alsbald gewährte, welche
dann F. beschwor, umunmittelbar darauf, unterstützt
von österr. Truppen, auf Grund der mit Osterreich,
Ruhland und Preußen zu Laibach getroffenen Ver-
einbarung, feine unbeschränkte Gewalt wiederher-
zustellen. Auch die von Österreich verlangte mehr-
jährige Besetzung des Landes gestand F. 1822 zu
Verona zu. Er starb 3. Jan. 1825 zu Neapel. Sein
Nachfolger war Franz I. - Vgl. Lanzilotti, Nemoiio
8toi'icli6 äil^.I (Neap. 1827); Colletta, tztoria dol
i'6kin6 äi Napoli aal 1734 Lino al 1825 (2 Bde.,
1834); Vozzo, ^uovi äocuinouti äi 1^. (IV) Lorlioue
(im "^rcliivio Ltorico itiililmo", 1880).
Ferdinand II., König beider Sicilien, Enkel
des vorigen, geb. 12. Jan. 1810, führte, 8. Nov.
1830 zur Regierung gekommen, in: Gegensatz zu
seinein Vater Franz I. (s. d.) anfangs Verbesserungen
ein, säuberte das Beamtentum und erhob Heer- und
Finanzwesen aus ihrem kläglichen Zustand, wandte
sich aber bald wieder dem herkömmlichen Absolutis-
mus und der überkommenen Anlehnung an Öster-
reich zu. Nach dem Tode seiner ersten Gattin, Marie
Christine von Savoyen (1836), heiratete er 1837
Maria Theresia Isabelle, Tochter des Erzherzogs
Karl von Ostcrreich^was zu einem Gegellsatz zwischen
ihm und seinem ^ohn Franz (II.) führte. Harte
Steuermaßregeln, Rückberufung der Jesuiten, Auf-
hebung der sicil. Verfassung, verbunden mit äußern
Unfällen, führten zu den Erhebungen von Syrakus
(1837), Aquila (1841) und Cosenza (1844) und zu
dem Versuch der Brüder Vandiera (Juli 1844),
welche zahlreiche Hinrichtungen und Einkerkerungen
im Gefolge hatten und F. mit wachsendem Mißtrauen
und zunehmender Rachsucht und Härte erfüllten.
Ein neuer Ausbruch des öffentlichen Unwillens er-
folgte in Sicilien nach Pins' IX. Erhebung und
dessen liberalen Erklärungen. Palermo gab 12. Jan.
1848 der ganzen Insel und Uuteritaliendas Zeichen
zum Aufstand, und F. sah sich zur Entlassung seiner
verhaßten Minister, zur Gewährung einer Verfassung
(10. Febr.) und sogar zur Entsendung von Truppen
gegen die Österreicher gezwungen. Während jedoch
die von Mißtrauen erfüllten Abgeordneten Schwie-
rigkeiten machten, bereitete F. den Staatsstreich
vor, den er, gestützt auf die Schweizertruppen und
Lazzaronihaufen, 15. Mai 1848 ausführte; nur
General Pepe trat auf die Seite des Volks über.
Nach Karl Alberts Niederlage bei Cuftozza konnte
auch Sicilicn, das die Errichtung eines selbständigen
Königreichs unter Ferdinand von Savoyen geplant
hatte, niedergeworfen werden, doch erst nach schweren
Kämpfen,befonders nach der furchtbarenVeschiehung
Messinas Sept. 1848, die F. den Namen Bomben-
könig (^6 Vomda) eintrug. Im ganzen Königreich
erreichten nun das polit. Verdächtiguugs- und Ver-
folgungswesen, Sbirrentum, Einkerkerungen und
Verbannungen ihre höchste Blüte; weder W. F.
Gladstones unwiderlegte Veröffentlichungen ("^o
1(!t^61'8 t0 t1i6 Ii!3.1'1 ot'^I)6rd66I1", 1. Ausg. 1851;
die 2. Ausg. 1852 und die folgenden enthalten eine
Prüfung der "Offiziellen Erwiderung der neapolit.
Regierung"), nach welchen 1850 zwischen 15 000
und 20000 polit. Verdächtige in den Gefängnissen
lagen, noch die von Cavour auf dem Pariser Kongreß
veranlaßten Vorstellungen Englands und Frank-
reichs brachten F. von seinem Verfahren ab; die
Ablehnung der letztern als eines Eingriffes in die
königl. Hoheitsrechte führte zur Abberufung des engl.
und des franz. Gesandten von Neapel. Nach dem
Mordversuch des Soldaten Milano (8. Dez. 1856)
suchte F. Sicherheit in gänzlich zurückgezogenem
Leben zu Caserta, wo er an den Folgen der Ver-
wundung im Oberschenkel, die ihm Milano beige-