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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Flachsspinnerei
denen Röstverfahren, und zwar wendet man zuerst '
die Wasserrotte und dann, wenn die Gärung bis >
zu einem gewissen Punkt vorgeschritten ist, die Tau-
rotte an. Durch das Bestreben, die natürlichen!
Rösten zu verbessern, resp. die Dauer derselben zu
verkürzen, entstanden die künstlichen Rösten, unter ^
denen die Warmwasserrotte die meiste Veach- i
tung verdient, weil bei derselben die gewöhnliche
Meihode des Flachsröstens im Wasser festgehalten, i
dabei aber von den Witterungsverhältnissen voll-
ständig unabhängig gemacht wird. Während bei
den bis jetzt behandelten Rösten die Lösung der Fa-
sern durch einen Gäruugsprozeß bewirkt wird,
fällt der letztere bei der Dampfröste undHeih-
wasserröste vollständig weg; das Verfahren be-
ruht vielmehr allein auf der lösenden Kraft des
Wasserdampfes und des heißen Wassers. Bei der
alkalischen Röste bedient man sich verschiedener
Alkalien, welche die Röstung beschleunigen, ohne
den Gärungsprozeh zu verhindern, während durch
die Röste mit verdünnter Schwefelsäure der bei den
natürlichen Röstmethoden im Verlauf der Gärungs-
periode durch die eintretende Fäulnis der Lein-
stengel hervorgerufene, äußerst penetrante und
widerwärtige Geruch dadurch aufgehoben werden
soll, daß man dem Wasser ^4 Proz. seines Gewichts
engl. Schwefelsäure zusetzt.
Die Flachsdarren dienen zum Trocknen des
gerösteten Flachses. Zwar kann dies auch in der
^>onne geschehen^ aber bei weitem nicht mit der
Sicherheit und Schnelligkeit wie in Darrstuben
oder Darröfen. Erstere sind geräumige, mit erbitz-
ter Lust erwärmte Kammern, letztere viereckige
Backöfen, in welchen die Flachsstengel senkrecht auf-
gestellt werden. Bei der Feuerung ist wohl zu be-
obachten, daß die Temperatur den Siedepunkt des
Wassers nicht erreiche, indem sonst der Flachs mürbe
und brüchig wird.
Durch die Anwendung einer der verschiedenen
Nöstmethoden ist der Zusammenbang der Fasern
unter sich und mit dem Holz möglichst aufgehoben,
und es handelt sich daher zunächst darum, eine voll-
ständige Trennung dieser beiden Bestandteile von-
einander zu erreichen. Diese Trennung erfolgt (nach
gehörigem Trocknen der Stengel) auf rein mechan.
Wege, entweder durch das Botten oder durch das
Brechen. Das Botten geschieht mittels des Bott-
hammers oder Bleuels, mit welchem der Flachs
gleichsam gedroschen wird; in einzelnen Gegenden
wendet man dafür das Voken an, das in besondern
Stampfmühlen (Vokmühlen) vorgenommen wird
und, wie das Votten, öfters auch nur eine Hilfs-
arbeit des Brechens bildet. Der einfachste zum Bre-
chen verwendete, von .Hand bewegte Apparat ist
die Handbreche oder Brake. Ein solcher Apparat
besteht aus einem festen Teil, der Lade, welche aus
zwei bis drei parallelen Schienen gebildet ist, die,
an den Enden fest miteinander verbunden, einen
ungefähr 25 imu breiten Spalt zwischen sich lassen,
in welchem ein einarmiger, an dem einen Ende um
einen Bolzen drehbarer Hebel paßt. Die Flachs-
stengel werden auf die Lade gelegt und der die Ge-
stalt eines Messers oder einer schiene besitzende Hebel
abwärts bewegt, wodurch ein scharfes Knicken der
Stengel bewirkt wird. Durch diefes Knicken oder
Brechen wird ein Teil des Holzes schon vollständig
beseitigt, während der in der Flachsfaser zurückblei-
bende Rest so sehr gelockert ist, daß er durch Schüt-
telndes Flachses oderDurchziehendesselben zwischen
Lade und Hebel leicht entfernt werden kann. An
Stelle der Handbrechen werden vielfach Brech-
maschinen <s. Tafel: Flachsspinnerei!, Fig.5)
verwendet, die in den verschiedensten Konstruktionen
vorkommen. Die brauchbarste der bekannten Flachs-
brechmaschinen ist wohl die von Kaselowsky, bei
welcher der Flachs durch ein Paar geriffelte Walzen
zugeführt und vorgebrochen wird. Nm die im ge-
brochenen Flachs noch vorhandenen Holzteilchen
(Schabe) zu entfernen, nimmt man mit demselben
die Operation des Schwingens vor, die entweder
von Hand mittels Schwingbretts und Schwing-
messers, oder mittels besonderer Schwingma-
schinen ausgeführt werden kann. Die Arbeit der
Echwingmaschinen hat vor der Handarbeit den Vor-
zug, wohlfeiler zu sein und schneller zu wirken.
Durch die beschriebenen Operationen ist, obwohl
die Faser in vollständig reinem Zustand dargestellt
wird, das Produkt für den eigentlichen Spinnprozeh
doch nicht genügend vorbereitet, da die Bastfasern
noch untereinander verbunden und vielfach ver-
worren sind; durch den nun folgenden Hechel-
prozeh wird die Zerteilung und Zerlegung der
Faserbüschel unter gleichzeitiger Absonderung der
kürzern Fasern, sowie ein Ordnen und Geradlegen
der übrigen langen Fasern bewirkt. Man bedient
sich hierzu derHechel, eines Werkzeugs, welches aus
einem System von reihenweise angeordneten Na-
deln besteht, die in einem Brett befestigt sind. Die
Nadeln felbst sind aus Stahl hergestellt und bilden
schlank zugespitzte und polierte Kegel. Die erste
Hechel, auf welcher der Schwingflachs zunächst be-
handelt wird, nennt man Aozugshechel (Rufser), die
folgenden Mittelhecheln und die letzte, für die Her-
stellung besonders seinen Flachses benutzte die Aus-
machehechel. Das Hecheln geschieht in der Weise,
daß der Arbeiter eine Partie Flachs (eine Riste)
faßt, um die Hand schlingt, mit der andern Hand
die freiliegende Partie gleichmäßig ausbreitet, in
die Nadeln der Hechel einschlägt und durch diese
hindurchzieht. Ist der Flachs auf der einen Hälfte
genügend bearbeitet, so schlingt der Arbeiter die ge-
hechelte Partie um seine Hand und bearbeitet hier-
auf in der gleichen Weise die andere Halste. Um
das Handhccheln zu ersetzen, hat man Hechelma-
schinen (s. Taf. I, Fig. 6) konstruiert, bei welchen
die Nadeln auf Hechelstäben befestigt sind, die zu
zwei endlosen Ketten (Hechelfeldern) vereinigt werden,
während die Flachsristen in Kluppen oder Zangen
eingespannt gehalten und derart bewegt werden,
daß die eine hervorstehende Hälfte derselben zuerst
an den Spitzen und allmählich nach der Mitte zu
bearbeitet wird. Gleichzeitig kommt bei den Hechel-
maschinen eine Vorrichtung zur Wirkung, die das von
den Nadeln ausgehechelte Werg (Hede) abnimmt.
Mit dem Hecheln sind die eigentlichen Vorberei-
tungsarbeiten der F. beendet, und der gehechelte
Flachs wird noch denjenigen Arbeitsprozessen unter-
worfen, welche zur Bildung eines gleichmäßi-
gen Bandes und zur allmählichen Überführung
desselben durch Vorgespinst zum Feingarn not-
wendig sind. Diese Arbeitsprozesse bestehen hiernach
in der Bildung des Bandes, dem Vorspinnen, dem
Feinspinnen und den Nach- und Vollendungsarbei-
ten. Die in einer Riste vorhandenen Fasern sind,
wie schon die zopfartige, an beiden Enden in Spitzen
auslaufende Form zeigt, höchst ungleich in derselben
verteilt, und es muß daher zur Erzeugung eines
gleichförmigen Bandes vor allem eine gleichmäßige