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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Form (rechtlich) - Forma
der Erfahrung (s.^^im-i; daher F. der Anschauung,
des Denkens u. s. w.) in der theoretischen Philoso-
phie, wie die von F. und Materie des Willens in
der praktischen. In allen diesen Bedeutungen stebt
die F. dem Gesetz sehr nahe. Von besonders reicher
und mannigfaltiger Anwendung ist der Begriff der
F. in der Ästhetik; es giebt im Gebiete des Schönen
laum etwas, was nicht irgendwie unter diesen Be-
griff fiele. Auch hier ist die Verwandtschaft von F.
und Gesetz zu beachten. - In der Techni^wird
F. in verschiedener Bedeutung gebraucht. So be-
zeichnet F. in der Buchdruckerci die in den Schließ-
rahmen eingeschlossenen Typen und Druckplatten
<s. Buchdruckerkunst, Bd. 3, S. 662 a); in der Gießerei
eme Vorrichtung, die dazu bestimmt ist, das flüssige
Metall zum Zweck seiner Formgebung aufzunehmen
und im Innern erstarren zu lassen ss. Gußformen
und Formerei); in der Papierfabrikation die Unter-
lage , auf welcker sich der flüssige Papierbrei zum festen
Papier gestaltet; in der Eisenerzeugung die Offnun-
gen des Hochofens, durch welcke der Wind in das
Innere gelangt ss. Eisenerzeugung, Bd. 5, 3. 924 d).
Form (in rechtlicher Beziehung). Die F. ist von
Bedeutung sowohl für das gerichtliche Verfabren
wie für die Rechtsgeschäfte, wie auch für Erlasse
und Gesetze. In frühern Perioden der Rechts -
geschichte ist die F. von großer Bedeutung. Es
werden bestimmte Worte und symbolische Zeichen
angewendet. Davon entbinden sich die spätern ge-
schäftsreichen Zeiten. Aber ganz ohne F. können
auch sie nicht auskommen.
1) Zunächst das gerichtlicheVerfabren. Selbst
das Strafverfahren gliedert sich in bestimmter Reiben-
folge. Die Anklage wird erhoben, der Antlagebeschluß
gefaßt, die Geschwornen werden ausgelost und be-
eidigt; der Angeklagte wird vernommen, Beweise
werden erhoben. Der Ankläger und der Verteidiger
halten ihre Vorträge, den Geschwornen werden be-
stimmte Fragen vorgelegt, der Obmann der Ge-
schwornen verkündet die Antworten u. s. w. Ohne
diese scharfe formelle Gliederung würde das Ver-
fahren der Sicherheit und der Übersichtlichkeit ent-
bebren. Knappe und feste F. bieten die Sicherheit,
daß alles, was zur Sache gehört, in gegebener Zeit
nun Vortrag gelangt, daß nichts Wesentliches über-
sehen wird. Die F. sichert die Ordnung, die Voll-
ständigkeit und die Kürze des Verfabrens. ^o ist
es auch im Civilprozeß. Für jede Handlung, an
welche sich wichtige rechtliche Folgen knüpfen, find
bestimmte F. vorgeschrieben: die Erhebung derKlage,
die Zustellung, die mündliche Verhandlung, dao Ur-
teil, die Rechtsmittel, die Zwangsvollstreckung.
2) Die F. der Rechtsgeschäfte sind dazu be-
stimmt, den Parteien zum Bewußtsein zu bringen,
um was es sich handelt; die Anwendung der F.
sichert den Beweis, daß es sich nicht bloß um Vor-
verhandlungen gehandelt hat, daß die Bindung auch
Ernst gewesen ist. Die F., namentlich dic Schrift, der
Abschluß vor Notar und Zeugen, die Verlautbarung
vor Gericht, der Eintrag in öffentliche Bücher und
Register sichert endlich den Beweis des Indalts der Er-
klärungen. Zwar um eine Forderung ss. Forderungs-
recht) zu begründen, hat das moderne Recht keine F.
gefordert, mit Ausnahme des Preuß. Allg. Landr.
1,5, §. 131, welches auch für die obligatorischen
Verträge, wenn sie einen höhern Wert als 150 M.
betreffen, Sckriftlickkeit verlangt; das Deutscke Han-
delsgesetzbuch Art. 3l7 stellt die Regel auf: Bei
Handelsgeschäften ist die Gültigkeit der Verträge
durch schriftliche Abfassung oder andere Förmlich-
keiten nicht bedingt. Ausnahmen von dieser Regel
nnden nur insoweit statt, als sie in diesem Gesetz-
buch enthalten sind. Eine ähnliche Regel enthalten
das Sächs. Bürgert. Gesetzb. §. 821, das Österr.
Bürgert. Gesetzb. §. 883, das Schweizer Obligatio-
uenrecht Art. 9, der Deutsche Entwurf §. 104, das
franz. Recht s^ocle civil 1341) mit der indirekten Aus-
nahme, daß Rechtsgeschäfte, deren Wert die Summe
von 150 Frs. übersteigt, nur durch Urkunde oder Eid,
nickt durch Zeugen bewiesen werden können. Allein
die Rechtsgeschäfte, welche ihre (^u3a ss. d.), den
wirtschaftlichen oder sittlichen Rechtfertigungsgrund
des Versprechens nicht wiedergeben, müssen nack
heutigem Reckt in schriftlicher F. erscheinen. Es
giebt keinen mündlichen Wechsel (s. d.) oder Check
(s. d.). Das Teutsche .Handelsgesetzbuch Art. 30l
beschränkt sich für die kaufmännische Anweisung
und den kaufmännischen Verpflichtungsschein aui
die Vorschrift: Zur Gültigkeit der Urkunde ist dis
Angabe des Verpflichtungsgrundes nicht erforder-
lich; ähnlich das Sächs. Bürgert. Gesetzb. §. 1398
. und das Schweizer Obligationenrecht §. 15" bezüg-
lich eines Schuldscheins, sollen so wicktige Rechte
wie das Eigentum übertragen werden, so bedarf es
bei beweglichen Sachen, abgesehen von dem franz.
Recht, der F. der Besitzübcrgabe, bei Grundstücken
der gerichtlichen Auflassung, nach einigen Rechten
einer öffentlichen Urkunde, und der überschreibung
! im Gruudbuch. sS. Eigentumserwerb.) Besonders
erschwerende F. hat die Gesetzgebung vorgeschrieben
für Rechtsgeschäfte, bei denen die Gefahr einer
Übereilung nahe liegt, wie bei den Bürgschaften
der Frauen (f. Bürgschaft); nach Sckweizer Obli-
gationenrecht Art. 490 bedarf jede Vürgfchaft zu
ihrer Gültigkeit der schriftlichen Vertragsform. Auf
ähnlichen Gründen beruhen die erschwerenden F.
der Schenkung ss. d.) und der letztwilligen Verfügung
ss. LetztwillM Verfügung). Es bangt mit der be-
absichtigten Sicherung des Beweises und mit der
, für diefe Rechtsverhältnisse gebotenen Publizität
! zusammen, daß die Begründung mancher Rechts-
verhältnisse oder die Erwerbung mancher Rechte sick
nicht vollzieht ohne die Anzeige ss. d.) zu einem
öffentlichen Register, über die F. der Begründung
einer Aktiengesellschaft und der Aktienzeichnung
s. Aktie und Aktiengesellschaft, der Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschaften ss. d.). .hat das Gesetz
für ein Rechtsgeschäft eine F. vorgeschrieben, fo ist
das ohne diese F. geschlossene Rechtsgeschäft in der
Regel ungültig, übrigens können die Parteien die
Gültigkeit jedes Rechtsgeschäfts davon abhängig
machen, daß erst noch eine F. hinzukommt, z. B.
schriftliche Abfassung, notarielle Errichtung, gerickl-
^ liche Verlautbarung. Das Geschäft gilt dann nicht,
so daß jedem der freie Rücktritt gestattet ist, solange
diese von den Parteien verabredete F. nicht ange-
wendet ist. Anders, wenn die F. nur des Beweises
wegen verabredet war.
3) Privilegien, Erfinderpatente, das Vergwerks-
eigentum werden nicht anders verliehen als in einer
! von der zuständigen Behörde zum öffentlichen Glau-
! ben ausgefertigten Urkunde. Selbst der Gefetzgeber
ist an die F. der durch den Druck wiedergegebenen
Sckrift gebunden; denn Gesetze und Verordnungen
treten heute nirgends in Kraft, sie feien denn in die-
ser F. öffentlich bekannt gemacht.
I'orina. slat.), Form; w koi-ma, in aller Form;
in oyMink iorniI,, in bester Form; iu loi-irm cou-