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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Franz Joseph I. (Kaiser von Österreich)
Abdamung seine" Oheims Ferdinand!, und Verzicht- !
leistung seines Vaters die Regierung an. Während
Italien durch die Siege Nadetzkys wieder dem österr.
Scepter unterworfen wurde, eilte der Kaiser zur
Niederwerfung des Aufstandes selbst nach Ungarn,
wo er bei der Erstürmung von Naab sich persönlich
beteiligte. Nach Vesiegung des ungar. Aufstandes
und Abschluß des Friedens in Italien entfaltete sich
die österr. Politik unter dem Ministerium Schwarzen-
berg kräftig uach außen hin, besonders in Deutsch-
land. Die 4. März 1849 gegebene Versassung wurde
wieder aufgehoben und das frühere absolutistische
Regierungssystem auf das ganze Reich ausgedehnt.
Mit der Kurie wurde 18. Aug. 1855 ein Konkordat
abgefchlossen, das den Ansprüchen des Klerus in
weitem Maße entgegenkam. Der Kaiser bereiste die
verschiedenen Länder seines Reichs, um sich mit ihren
Eigentümlichkeiten und Bedürfnissen uäher bekannt
zu machen. Am 18. Febr. 1853 versuchte der Ungar
auf der Löwel-Bastei in Wien durch eiueu Messer-
stich zu ermorden; doch scheiterte das Attentat, und
die nicht ungefährliche Verwnndung ward nach eini-
gen Wochen geheilt. Am 24. April 1854 erfolgte die
Vermählung des Kaifers mit der Prinzessin Elisabeth
(geb. 24. Dez. 1837), der Tochter des Herzogs Max
in Bayern, und 5. März 1855 wurde F. I. die erste
Tochter, Sophia (gest. 1857), 12. Juli 1856 die
zweite, Gisela (seit 1873 vermählt an Prinz Leopold
von Bayern), 21. Aug. 1858 der Krollprinz Rudolf
(s. d.) und 22. April 1868 die jüngste Tochter, Marie
Valerie (seit 1890 vermählt mit dem Erzherzog Franz
Salvator aus der Linie Toscana), geboren.
Der Krieg gegen die verbündeten Franzosen und
Piemontesen, den Österreich 29. April 1859 eröffnete,
nahm für die österr. Waffen einen ungünstigen Ver-
lauf (f. Italienischen Krieg von 1859), und auch
als nach den Verlusten bei Magenta der Kaiser in
Person den Oberbefehl übernommen, ging 24. Juni
die Schlacht bei Solferiuo verloren. F. I. fah sich
daher 11. Juli in der Zusammenkunft mit Na-
poleon III. zu Villafranca zur Unterzeichnung von
Friedenspräliminarien bewogen, denen 10. Nov.
1859 der Züricher Friede (s. d.) folgte. Der Kaifer
trat die Lombardei ab, behielt jedoch das Gebiet von
Venedig. Während man noch den Frieden verhan-
delte, bereiteten sich auch im Innern des Kaiserstaa-
tes durchgreifende Veränderungen vor. Am 20. Okt.
1860 erfchien das fog. Diplom, das teils die Wieder-
herstellung der frühern, teils die Erlassnng neuer
Landesverfassungen fowie die Einberufung einer
Centralverfammlung zur Mitwirkung in der Reichs-
gesetzgebung in Aussicht stellte. Am 26. Febr. 1861
wurde hierauf die neue Verfassung des österr. Kaiser-
staates publiziert und wenigstens in den deutsch-österr.
Ländern mit Jubel aufgenommen. Am 1. Mai 1861
erfolgte die Eröffnung des ueugefchaffenen Neichs-
rats durch den Kaiser selbst, dessen Thronrede großen
Enthusiasmus iu den deutschen Kronländern erregte.
Allerdings dämpften diese freudige Erregung als-
bald die Vorgänge in Ungarn und Kroatien, die
man der Reichseinheit uicht zu gewinnen vermochte.
Ebenso scheiterte die Absicht des Kaisers, durch eine
freie Vereinigung der deutschen Fürsten die Reform
des Deutfchen Bundes zu stände zu bringen. Auf ,
F. I.s an die Mitglieder des Bundes erlassene Ein- '
ladung vereinigten sich zwar alle deutschen Fürsten
und Vertreter der freien Städte mit Ausnahme
König Wilhelms I. von Preußen in Frankfurt a. M.
zu einem Deutschen Iürstenkongreß; aber die Ver-
handlungen, die vom 17. Aug. bis 1. Sept. 1863
dauerten und vom Kaiser selbst geleitet wurden, blie-
ben resultatlos, da sich Preußen weigerte, aus die
von Osterreich gemachten und in den Kongreßsitzun-
gen beratenen Vorschläge einzugehen. (S. Deutsch-
land und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 199.) Da-
gegen einigte sich Ende 1863 Osterreich rasch mii
Preußen zum Kriege gegen Dänemark (s. Schleswig-
Holstein und Deutsch-Dänischer Krieg von 1864).
Die Frage über das fernere Schickfal der Herzog-
tümer brachte indessen eine Spaltung zwischen den
Bundesgenossen zu Wege, die mit dem Vertrage zu
Gastein im Aug. 1865 und der darauf folgenden
Begegnung des Kaisers mit dem Könige von Preu-
ßen zu Salzburg vorläufig beseitigt schien. Das
Bestreben des Kaisers, die ungar. Verfassungs-
wirren endlich beizulegen, führte 1865 unter dem
Ministerium Veleredi die "^istierung" der Reichs-
verfassung von 1861 nebst der Niederberufung des
ungar. Landtags herbei.
Durch den Deutfchen Krieg von 1866 (s. d.), an
dem sich Italien als Preußens Bundesgenosse betei-
ligte (s. Italienischer Krieg von 1866), verlor Oster-
reich seine Stellung im Deutschen Bunde und Vene-
tien. Diese Ereignisse veranlaßten einen System-
wechsel im Innern. Im Oktober desselben Jahres be-
rief der Kaifer den ehemaligen fächs. Staatsminister
von Veust als Minister des Äußern an Mensdorffs
Stelle und übertrug ihm nach Entlassung Belcredis
7. Febr. 1867 das Präsidium einer westl. Regierung.
Gleichzeitig erhielt Graf Andrassy den Auftrag, ein
ungar. Kabinett zu bilden, wodurch das ungar.
Staatsrecht von der Krone anerkannt und das dua-
listische Staatsprineip angenommen wurde. Am
8. Juni 1867 (in den Psingsttagen) wurde F. I. in
Ofen zum König von Ungarn feierlich gekrönt und
erließ eine allgemeine Amnestie. Auch in den deutsch-
slaw. Provinzen wurden wieder verfassungsmäßige
Zustände hergestellt und 22. Mai der Reichsrat vom
Kaiser eröffnet. Die Februarverfassung wurde revi-
diert und die neuen Staatsgrundgesetze 31. Dez.
1867 veröffentlicht. Die im folgenden Jahre erlasse-
nen Ehe- und Schulgesetze bedeuteten thatsächlich
schon einen Bruch mit dem Konkordat, das aber erst
formell durch die Kirchengesetze von 1874 aufgehoben
wurde. Am 18. Aug. 1867 fand eine Zusammen-
kunft des Kaisers von Österreich mit Napoleon III.
und der Kaiserin Eugenie in Salzburg statt, und in
demselben Jahre erwiderte F.I. den Besuch in Paris
bei Gelegenheit der Pariser Weltausstellung. 1863
unternahm der Kaiser gelegentlich der Eröffnung
des Sueskanals eine Reise nach Ägypten, und Sept.
1871 hatte er mit Kaiser Wilhelm I. von Deutsch-
land in Gastein und Salzburg eine Zusammen-
tunst, durch die die freundschaftlichen Beziehungen
zwischen beiden Reichen wiederhergestellt wurden,
seitdem wiederholten sich derartige Begegnungen
fast alljährlich und werden auch unter Kaifer Wil-
helm II. fortgesetzt. Der Besuch, den F. I. und
Alexander I. von Rußland gleichzeitig mit ihren lei-
tenden Ministern im Sept. 1872 in Berlin abstatte-
ten, legte öffentlich Zeugnis ab von dem Einverständ-
nis der drei Mächte in allen wichtigen polit. Fra-
gen und leitete die Zeit des Treikaiserbundes ein.
Die Weltausstellung von 1873 gab F. I. Gelegen-
heit, die Besuche zahlreicher Souveräne zu empfan-
gen,dic er zum Teilinden solgendenJahren erwiderte.
Die fortdauernd guten Beziehungen zum Deutschen