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Friedrich Wilhelm I. (König von Preußen)
schlag. Kaiser Leopold, mit seinen Ansprüchen ans
die ganze span. Erbschaft von England und Holland
im Stich gelassen, faßte den Plan, die Massenstarte
norddeutsche Macht an sich zu fesseln durch die Ein-
willigung zur Königskrönung. Am 16. Nov. 1700
wurde der Krontraktat in Wien abgeschlossen. Die
neue Königskrone sollte auf das souveräne Herzog-
tum Preußen begründet werden; als Gegenleistung
verhieß F. außer dem Neichskontingent von 6000
Mann noch weitere 8000 Mann Brandenburger
und bei den künftigen Kaiserwahlen sowie in den
Reichstagsangelegenheitcn mit Osterreich zusammen-
zugehen. Alsbald nach Abschluß des Vertrags eilte
F. nach Königsberg und setzte sich und seiner Ge-
mahlin dort 18. Jan. 1701 unter großer Pracht-
entfaltung die Krone auf. Die Folge der kurzsichti-
gen und unpolit. Haltung des Königs war, daß
Preußen in gänzliche Abhängigkeit von Osterreich
geriet und trotz der großen Opfer, die es im Spani-
schen Erbfolgekricge brachte, doch vorläufig keinen
erheblichen Gewinn davontrug, sondern seine eigenen
Interessen im Nordischen Kriege vernachlässigte.
Bei dem Erlöschen der Hauptlinie der Oranier
mit dem Tode Wilhelms III. (1702) erhob F. als
Sohn einer Oranierin Ansprüche auf das gesamte
reiche Erbe des Hauses, erhielt aber nach vielfachen
Unterhandlungen nur die Graffchaft Mors am
linken Rheinufer und die Grafschaft Lingen an der
Ems. Nach dem Ausstcrben des Hauses Longue-
ville kamen 1707 das Fürstentum Neuchätel und
die Graffchaft Valengin an Preußen. Andere Ge-
biete wurden durch Kauf erworben, so die Gras-
schaft Tecklenburg, das Amt Petersberg bei Halle,
die Vogtei über Nordhausen und Quedlinburg.
Elbing, das als Pfandbesitz zu Preußen gehörte,
mußte 1700 an Polen zurückgegeben werden.
Nach Danckelmanns Entlassung erhielt der Obcr-
kammerherr Kolbe von Wartenberg, der Günstling
des Königs, die Herrschaft am Hofe fowie die oberste
Leitung der Politik und der Verwaltung. Die Ne-
gierung des sog. Dreigrafenministeriums, der Gra-
fen Wartenberg, Wittgenstein und Wartensleben,
war erfüllt von Mißbräuchen und Fehlgriffen aller
Art. Das an und für sich zweckmäßige und heil-
same Vererbpachtungsfystem der tönigl. Domänen
wurde mit überstürzter Hast durchgeführt, sodaß als
Folge allgemeine Unzufriedenheit und fchwere finan-
zielle Verluste sich ergaben. Gegen dieses Treiben
bildete sich eine Opposition, die sich um den Kron-
prinzen Friedrich Wilhelm scharte, und der Rüdiger
von Ilgen, Marquard von Printzen, der Leiter der
geistlichen und Unterrichtsangelegcnheiten, sowie
Ernst Voguslaw von Kamele, ein Mitglied der Hof-
kammer und ein naher Freund des Kronprinzen, an-
gehörten. Dem Drängen dieser Männer mußte F.,
obschon nur langsam und ungern, nachgeben. Jan.
1711 wurden Wartenbcrg und Wittgenstein aus
ihren Amtern entlassen, und es kam endlich eine
bessere Ordnung in die Geschäfte. Das Oberdomä-
nendirektorium Wartenbergs wurde aufgehoben, an
seine Stelle trat wieder die alte Hofkammer, nun-
mehr unter Kameles Vorsitz. Ein anderer bedeuten-
der Fortschritt war die 1712 durch Friedr. Wilh.von
Grumbkow, einen Freund des Kronprinzen, durch-
geführte Umwandlung des Amtes des Gencral-
triegskommissars in eine kollegialische Behörde, das
Generalkriegickommissariat.
Die preuh. Armee vermehrte F. von 28000 Mann
bis auf 40000. Neben der stehenden Armee wurde
eine Landmiliz errichtet, gegen 10000 Mann, die
zur Verteidigung der Festungen und der Grenzen
dienen sollte. Auf dem Gebiete des Iustizwesens
gelang dem Könige die Erwerbung der vollen Justiz-
Hoheit für alle feine Lande durch ein Privilegium
äs Hon a^MiHnäo vom Dez. 1702. Als oberster
Gerichtshof ward 1703 das Oberappellationsgericht
in Berlin errichtet. Am glänzendsten entfaltete sich
F.s Thätigkeit bei den Bestrebungen zur Hebung
der geistigen Kultur. 1694 wurde die neue Fried-
richs-Univcrsität in Hatte eröffnet. Zwei Jahre
später wurde in Berlin die Akademie der Künste er-
richtet. Auf Anregung des Philosophen Leibniz
und der Königin Sophie Charlotte entstand die
Societät der Wissenschaften (1700). F. selbst nahm
an der Pflege der Künste und Wissenschaften leb-
haften persönlichen Anteil. Er bencf den Geschicht-
schreiber Pufendorf nach Berlin mit dem Auftrage,
die Thaten des Großen Kurfürsten zu schildern,
während Andreas Schlüter das Andenken dieses
Fürsten durch ein gewaltiges Reiterstandbild ver-
ewigen sollte. Der neuen Societät wies F. neben
der von Leibniz ihr gestellten mathematisch-natur-
wissenschaftlichen Aufgabe als weitere Aufgabe
die Neinhaltung der deutschen Sprache zu. Auch
begünstigte er auf alle Weise die Einwanderung
von prot. Flüchtlingen, vor allem die Ansiedelung
der franz. Re'fugie's. Seinem großen Hange zur
Pracktliebe und Verschwendung, seiner persönlichen
Eitelkeit und der Abhängigkeit von schmeichlerischen
Günstlingen stehen doch bei F. als gute Eigen-
schaften sein deutsch-nationaler Sinn, seine per-
sönliche Liebenswürdigkeit, sein feines Verständ-
nis für Kunst und Wissenschaft gegenüber. Er starb
25. Febr. (n. St.) 1713. F. war dreimal vermählt,
zuerst mit Elisabeth Henricttc von Hesscn-Cassel, dann
mit Sophie Charlotte von Hannover, endlich mit
Sophie Luise von Mecklenburg. Sein einziger l^ohn,
der Sohn der zweiten Frau, war Friedrich Wilhelm I.
Den Namen F.s I. führt jetzt das 4. ostpreuß. Grena-
dierregiment Nr. 5. - Vgl. Ranke, Zwölf Bücher
preuß^ Geschichte (5 Tle., 2. Aufl., Lpz. 1878-79);
Dropsen, Geschichte der prcuß. Politik, Tl. 4, Ab-
teil. 1 u. 4 (ebd. 1870-72); von Ledebur, König
F. I. von Preußen (Bd. 1, ebd. 1878; Bd. 2, Schwerin
1884); Pribram, Österreich und Brandenburg 1688
-1700 (Prag 1885); Waddington, I^cciuiLition
ä6 1a courounL ro^alL äe ?i'U836 par 163 II0I16Q-
öoiim-Q (Par. 1888); Bourgeois, ^euciMsi 6t 1a
politiquo pru88i6nn6 6N ^'ranelie - lüointL. 1702
-13 (ebd. 1887); Isaacsohn, Geschichte des preuß.
Beamtentums, Bd. 2 (Berl. 1877).
Friedrich Wilhelm I., König von Preußen
(1713-40), der einzige Sohn Friedrichs I. und der
Prinzessin Sophie Charlotte von Hannover, ward
15. Aug. (n. St.) 1688 geboren. Seine Gouver-
neure, Graf Dohna und Graf Finckenstein, beide
dnrch straffes, entschiedenes Wesen, durch Ordnungs-
liebe und einfache christl. Gesinnung ausgezeich-
net , übertrugen diese Eigenschaften auch auf den
jungen Prinzen. Die feine Bildung seiner Mutter,
das prunkvolle Auftreten des Vaters blieben ohne
jeden nachhaltigen Einflnß auf ihn. Eine stark her-
vortretende Neigung für das Militär ward geför-
dert durch die enge Freundschaft mit dem Fürsten
Leopold von Dessau )owie durch die Teilnahme F.
W.s an den niedcrländ. Feldzügen. Das leicht-
! fertige Treiben am Hofe des Vaters erregte bei dem
^ Kronprinzen lebhaften Unwillen; ihm und feinen