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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Friedrich Wilhelm III. (König von Preußen)
Redlichkeit. Der König selbst gab das Beispiel an sei-
nem Hofe, wo edle Einfachheit, verbunden mit Ord-
nung und Pünktlichkeit herrschte. Das königl.Paar
bot das Muster eines glücklichen häuslichen Lebens.
Wohlwollen und Pflichttreue thaten sich auf allen
Gebieten kund. Aber durchgreifend war das alles
nicht; die fast engherzige Peinlichkeit des Königs
konnte noch nicht wahrnehmen, daß das Staats-
wesen der Umgestaltung von Grund aus bedürfte.
Er war auch zu mißtrauisch gegen sich selbst, um
den Widerstand, auf den manche gute Idee von ihm
stieß, zu bekämpfen. Bei dem erneuerten Kampfe
der europ. Mächte gegen Frankreich behauptete der
König die seit dem Baseler Frieden angenommene
Neutralität in einer Zeit allgemeinen Schwankens,
wo nur seste Entschlossenheit durchdringen konnte.
Er vermeinte, diese Ruhe benutzen zu können, um
die alten und neuen Provinzen seines Reichs zu
einer höhern Stufe der Bildung und des Wohl-
wollens zu erheben. Die wenig rühmliche Politik
Preußens, das im Frieden zu Lune'ville (1801) feine
am linken Rheinufer liegenden Provinzen abtrat
und dafür durch den Reichsdeputationshauptschluß
von 1803 eine das Fünffache betragende Entschädi-
gung erhielt, wurde freilich nicht von F. W. persön-
lich geleitet; aber er lieh unwürdige Ratgeber, wie
Lombard und Haugwitz, gewähren.
Auch bei dem durch die Dritte Koalition zwischen
England, Rußland und Osterreich gegen Frankreich
1805 ausgebrochenen Kriege blieb F. W. seinem
Neutralitätssystem getreu. Aber die Verletzung des
preuß. Gebietes in Franken und die persönliche Zu-
sammenkunft mit dem Kaifer Alexander in Berlin
änderten die Lage der Dinge. Der König befahl
Rüstungsmahregeln und verpflichtete sich durch den
Vertrag vom 3. Nov. 1805, der Koalition gegen
Frankreich beizutreten, wenn Frankreich die von
Preußen gestellten Bedingungen verwerfe. Aber
als nun der preuß. Unterhändler Graf Haugwitz an
Napoleon abgefandt wurde, brach des Königs Scheu
vor dem Kriege doch wieder durch. Er gab Haug-
witz die mündliche geheime Instruktion, auf alle
Fälle den Frieden zu sichern. So schloß, nachdem
2. Dez. die Schlacht von Austerlitz geschlagen war,
Haugwitz zu Schönbrunn 15. Dez. einen Vertrag
mit Frankreich, wonach Preußen Ansbach zu Gunsten
Bayerns, Cleve und Neuchätel zur freien Verfügung
an Frankreich abtrat und dafür Hannover erhielt.
Die Erwerbung Hannovers führte aber zum Konflikt
mit England, der indes im Aug. 1806 beigelegt wurde.
Nach erfolgter Abrüstung mußte sich F. W. auch
den demütigenden Pariser Vertrag vom 15. Febr.
1806 gefallen lassen. Die Errichtung des Rhein-
bundes 12. Juli 1806 schränkte vollends Preußens
Machtsphäre ein. Um ein Gegengewicht zu schaffen,
faßte nun der König die Idee, im Norden Deutsch-
lands einen Norddeutschen Bund zu stiften, der alle
nichtrheinbündischen Staaten unter Preußens Vor-
herrschaft (mit der Kaiserwürde) umfassen sollte.
Napoleon lobte diese Pläne, hintertrieb sie aber hin-
ter des Königs Rücken und knüpfte mit England
wieder Verhandlungen an. Die Nachricht hiervon
bestimmte F. W. zu neuen Rüstungen, die zum
Ausbruch des Krieges führten. (S. Franz ösisch-
Preußisch-Nussischer Krieg von 1806 bis 1807.)
Das Gefecht bei Saalfeld, die Schlacht bei Jena
und Auerstädt, die Übergabe der wichtigsten Festun-
gen, der Verlust aller Länder zwischen Weser und
Elbe folgten schnell aufeinander, und schon 27. Okt.
war Napoleon in Berlin. Der König wählte Cüstrin,
Graudenz, endlich Memel zu seinem einstweiligen
Aufenthalt, sammelte sein Heer aufs neue und
stellte sich mit feinem Verbündeten, dem Kaiser von
Ruhland, den in Ostpreußen eindringenden Fran-
zosen entgegen. Die Schlacht bei Eylau blieb un-
entschieden, die von Friedland führte den Frieden zu
Tilsit (9. Juli 1807) herbei, in welchem dem Könige
die Hälfte seines Staates verloren ging, während
der übrige Teil noch lange von den franz. Truppen
besetzt blieb. Eine Zeit der Einkehr und innern
Sammlung ohnegleichen begann nun; F. W. ver-
gaß alle frühere Bedenklichkeit und ließ dem Minister
Stein, später Hardenberg freie Hand zu durchgrei-
fenden Reformen. Die Armee wurde auf 42000
Mann gefetzt und durch Scharnhorst, Gneisenau u. a.
völlig umgebildet. Eine einfachere Orgamiaüon
der Staatsbehörden wurde durchgeführt, der Gang
der öffentlichen Geschäfte genau bestimmt und die
Gleichberechtigung des Vürgerstandes mit dem Adel
ausgesprochen, auch der Zunftzwang aufgehoben.
Früher schon (9. Okt. 1807) war die Erbunterthänig-
teit allgemein aufgehoben. Am 19. Nov. 1808 er-
schien die Städteordnung, die den Städten die Selbst-
verwaltung gab. Ebenso wichtig war die 6. Nov.
1809 beschlossene Veräußerung der königl. Domänen,
die Verwandlung der Klöster und anderer geistlicher
Stiftungen in Güter des Staates (30. Okt. 1810)
und die Gestaltung des Unterrichtswesens, infolge
deren besonders auch die Stiftung der neuen Uni-
versität zu Berlin (1810) sowie die Verlegung der
Universität zu Frankfurt a. O. nach Vreslau (1810)
stattfand. Das häusliche Glück des Königs wurde
jedoch aufs empfindlichste gestört durch den unerwar-
teten Tod der Königin Luise (19. Juli 1810).
Als 1811 und 1812 die Gerüchte von Napoleons
feindseligen Absichten gegen Preußen die Patrioten
zu dem Gedanken entflammten, daß Preußen die
Waffen zum Verzweiflungskampfe ergreifen müsse,
widerstand F. W., der sich und seinem Volke nicht
traute, ihrem Drängen und schloß sich durch das
Bündnis vom 24. Febr. 1812 an Napoleon an, bis
er endlich durch den Abfall Jorcks gezwungen war,
dem leidenschaftlichen Drängen der patriotischen
Partei, gegen Frankreich zu rüsten, nachzugeben.
Der Freiherr von Stein riß F.W. endlich zum Ent-
schlüsse hin, und 28. Febr. 1813 wurde zu Kalisch
das Bündnis mit Rußland geschlossen. Der Aufruf
vom 17. März entflammte das Volk zum Befreiungs-
tampfe. (S. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg
von 1812 bis 1815.) Der König kam 24. März von
Breslau, wohin er 22. Jan. seine Residenz verlegt
hatte, wieder nach Berlin, ernannte für die Verwal-
tung des Staates Militär- und Civilgouverneure,
hob das Kontincntalsystem auf und stiftete für den
bevorstehenden Krieg als Auszeichnung des Ver-
dienstes um das Vaterland das Eiserne Kreuz. Er
teilte alle Beschwerden des Feldzuges mit den Trup-
pen und gab öfters Beispiele persönlicher Tapferkeit,
griff auch einigemal, namentlich in der Schlacht bei
Kulm, mit Einsicht und Erfolg in den Kampf selbst
ein. Nachdem er bis zum Abschlüsse des Friedens
in Paris verweilt, kehrte er über London zurück und
hielt 7. August 1814 einen feierlichen Einzug in seine
Hauptstadt. Dann begab er sich nach Wien, wo er
bis zu Ende des Kongresses verblieb. Seine Ein-
fachheit und persönliche Zurückhaltung bewahrte er
auch in diesen Tagen äußern Glanzes. Als im
März 1815 Napoleon von Elba zurückkehrte, ver-