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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gartenkunst
Im Mittelaller erhoben sich in Italien nach Art s
der altrom. Villen Landsitze mit Gärten in feen-
hafter Ansstattung, wie sie Tasso und Ariosto in
ihren Gedichten schildern; auch die Kupfertafeln in
dem Werke des franz. Architekten Androuet Ducer-
ceau ("1^68 i>Iu8 ßxcelisnts dü.tim6ut8 ä6 ^i^ncs",
2 Bde., Par. 1576-79, in Fol.) und in der Muster-
sammlung des Holland. Malers und Baumeisters
Hans Vredeman de Vries ("Ilortorum viriälr-
riorumcius tormae", Antwerp. 1583, in Querfol.)
geben einen Begriff von den ital. oder antiken Gär-
ten des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrh.,
die ganz besonders an den von Carlo Maderno,
Domenico Fontana, Alessandro Algardi u. a. in
Italien angelegten Gärten ihre Vorbilder hatten.
Im großen und ganzen aber waren die Gärten
der ilal. Villen mehr zierliche Anhängsel des Hauses
als eigentliche Gärten, die Umgegend bildete den
Park. Nach Art der ital. Gärten wurden demnächst
auch die Gärten in Frankreich unter Franz I. und
Heinrick IV. zu Fontainebleau und St. Germain
angelegt, doch erschienen sie ohne die romantischen
Umgebungen der ital. Gärten dem König Lud-
wig XIV. zu kleinlich, für feine kolossalen neuen
Schloßbauten nicht geeignet. Er fand auch in dem
Zeitgenossen Andre Le Nötre (s. d.) den rechten
Mann für die Verwirklichung eines nenen Garten-
ideals in großartigem Stil. Dieser große Garten-
künstler befreite sich vor allem von der zu damaliger
Zeit überhandnehmenden Sucht nach Spielereien
und wirkte ganz besonders durch breite, teilweise
einen Blick in die Ferne gestattende und sternförmig
durchquerte Avenuen. Än den Kreuzungspunkten
derselben, hin und wieder architektonifch erweitert
und mit Statuen befetzt, fanden sich große Becken
mit hochgehenden Wasserstrahlen, auch alle mög-
lichen Spielereien der Wasserhebekunst, während
die durcb die einzelnen Alleen gebildeten und durch
hohe Buckenhecken coulissenartig abgeschlossenen Ab-
teilungen teils wie Wohnräume behandelt wurden,
teils 5)bst- und Küchengärten in ihrem Innern bar-
gen. Zur Ausführung gelangten derartige Garten-
anlagen zuerst in Vaur, uachher in Versailles, zu
Paris im Tuileriengarten, zu Clugny, Chantilly,
St. Cloud, Meudon, Sceaur. Le Nötres Ruhm
wuchs dadurch bedeutend: man berief ihn auch nach
dem Auslande, um Gärten anzulegen. Er lieferte
die Risse zu den Parks von St. James und Green-
wich bei London, und es galten für die schöne G.
keine andern Regeln mehr als die seinigen, nach
welchen auch die Gärten von Schönbrunn bei Wien,
von Sanssouci bei Potsdam, von Schwetzingen bei
Mannheim, von Herrnhausen bei Hannover, von
Nymphenburg und Schleißheim bei München, von
Ludwigsburg und Fcworite bei Stuttgart ausge-
führt wurden. Während so in der ganzen Welt die
französische G. von Le Nötre ihre Glanzperiode
feierte, traten in England bereits Anzeichen einer
bevorstehenden Umwälzung derselben auf, angeregt
zunächst durch Lord Franz Vacon (1561 - 1626),
welcher die steifenLinien, geschorenen Bäume,Kanäle,
die übermäßige Verwendung von Figuren u.s. w.
scharf tadelte, auch Vorfchläge machte, in den Gärten
die freie Natur zur Darstellung zu bringen; dann
durch Miltons Schilderung des Verlorenen Para-
dieses (l667j. Addison (1672 - 1719) und Pope
(1688 - 1744) folgten dieser Anregung und gestal-
teten ihre kleinen Besitzungen demgemäß um, doch
erst der Maler Kent, ein Zeitgenosse Popes, und
später Repton (1752 - 1817) verschafften dieser
neuen, auf eingehendes Studium der Natur begrün-
deten Richtung der G. allgemeinen Eingang.
Das feuchtere Klima Englands begünstigt vor
allem die Entwicklung üppiger, frischgrüner Rasen-
plätze und geschlossener Gehölzgruppen, deren stim-
mungsvoller Baumschlag im Verein mit groszen
Rasenbahnen und Wasserflächen die Grundlage zu
den nunmehr neu gefchaffenen Anlagen bildete, die
im Gegensatze zu den französischen englische ge-
nannt wurden. Nach gewöhnlichen Begriffen ist ein
Englischer Garten ein Fleck Land es, auf welchem
man alles Mögliche zusammenbringt und wo die
Linien, statt gerade zu sein, krumm gezogen sind.
Man hat sich dabei aber etwas ganz anderes zu den-
ken. Eine stattliche Villa, Grotten, Einsiedeleien,
Tempelchen, Ruinen, Felsenpartien, Spaliere, Ge-
wächshäuser, sparsam angebracht und möglichst vor
den Augen versteckt, Bäume und Buschwerk mancher-
lei Art und Schattierung, Hecken und labyrinthi-
sches Blumengewinde, grüne Flächen, Anhöhen mit
sanften Abhängen und freundlichen Fernsichten,
silberhelle Teiche und schlangenartig sich windende
Bäche, grüne Wiesen und Inseln, auf denen Kühe
weiden, Schwäne und Enten auf den Wassern,
Hirsche und Rehe in den Büschen: alle diese Dinge,
in einem großen mehr oder weniger begrenzten Be-
zirle malerisch wirkungsvoll verteilt, aber ohne über-
triebene vorsätzliche Zuthaten der Kunst, bilden in
ihrem Gesamtbestande das Ideal eines wahrhaften
Englischen Gartens oder einer künstlerisch gestalte-
ten, idealisierten Gegend, daher denn auch das System
der englischen G., auf größere Strecken angewendet,
Landschaftsgärtnerei heiht. Solchergestalt von
William Kent und Repton geschaffene Parkanlagen
sind unter andern in Carlton House, Claremont,
Esser, Rousham, Croome und Fisherwick. Nach Frank-
reich kam die engl. Gartenmode fast gleichzeitig mit
ihrer Entstehung und fand hier zunächst glückliche
Anwendung bei den Anlagen von Klein-Trianon
zu Versailles und bei der Bagatelle in der Nähe von
Paris, wo Delille sein bekanntes Lehrgedicht "1^63
M-<lin8" schrieb, die deshalb auch wie die Parks in
Ermenonville, Monfontaine, St. Fargeur, Tivoli
bei Paris u. s. w. keine franz., sondern engl. Gär-
ten sind. In Deutfchland hält man Wilhelmshöhe
bei Cassel, Wörlitz bei Dessau, Charlottenburg bei
Berlin, in Osterreich Larenburg bei Wien, Eis-
grub in Mähren, Sebenstein bei Wiener-Neustadt
u. s. w. für die gelungensten und bedeutendsten Proben
deo engl. Gartenstils.
Deutschland besaß zu Ende des 18. Jahrh,
seinen berühmtesten Gartenkünstler an Ludwig von
Sckell, von welchem unter andern die Englischen
Gärten in München, Schönbusch bei Aschaffenburg,
Birkenau an der Bergstraße, Monbijou in der Pfalz
herrühren. Zu den eifrigsten Gartenkünstlern der
neuern Zeit gehörte der Fürst Pückler-Muskau
(1785-1871), dessen Anlagen zu Muskau und
Branitz wie seine Schriften eine Schule für Garten-
lüustler (s. Gärtner) sind; nicht minder bedeutend
war Peter Joseph Lenne (s. d.). '^ein Schüler
Gustav Meyer (1816 - 77), Gartendirektor der
Stadt Berlin, bat sich czanz besonders nm die
Verschönerung dieser Stadt verdient gemacht und
sich in dem Humboldts-Hain, dem Kleinen Tier-
garten sowie in dem nach seinen Entwürfen von
dem jetzigen Gartendirektor Mächtig zur Ausfüh-
ruug gebrachten Treptower Park bleibende Denk-.