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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geldern (Kreis und Kreisstadt) - Geldherrschaft
Erkelenz, welches Iülich-Berg erhielt); das übrige
Obergeldern mit Roermond ilnd Venlo kam mit den
jpan. Niederlanden an Österreich, welches aber beim
Varrieretraktat vonl 15. Nov. 1715 Venlo und die
Herrlichkeit Viontfort den Generalstaaten überließ.
Durch die Friedensschlüsse von Basel 1795, von
Campo-Formio 1797 und vonLuneville 1801 wurde
Obergeldern mit Frankreich vereinigt und durch die
Wiener Verträge von 1815 zwischen Preußen und
dem neugeschaffenen Königreich der Niederlande ver-
teilt. Der preuß. Anteil, anfangs dem Regierungs-
bezirk Cleve zugeteilt, bildet seit der Auflosung des
letztern einen Bestandteil des Regierungsbezirks
Düsseldorf. Früher war er dessen größter Kreis
(1073,7 qkm), indem der damalige Kreis Rheinberg
mit der Grasschaft Mors dazu gehörte. ^eit25.Ian.
185t, ist aber der jetzige Kreis Mors mit Rheinberg
vom Kreise Geldern (s. d.) abgezweigt. Auch sind
schon früher die geldernschen Exklaven Viersen zum
Kreise Gladbach und Erkelenz als Kreisstadt zum
Regierungsbezirk Aachen gelegt worden. - Vgl.
de Meester, (T68c1ii6ä6iii8 van <1<3 8wt6n van (^släor-
I^ml (2 Bde., Harderwijk 1864); Nijhoff, Hot voor-
1MiN118t6 uit cle ^68(^16^61118 VN.I1 ()s6iä61'iHI1(I (Arn-
heim 1855 u. 1857).
Geldern. 1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Dussel-
dorf, hat 5Ui,03 ^in, (1890) 53937 (26810 männl.,
^7 097 weibl.) E., 1 Stadt und 27 Landgemeinden.
- 2) Kreisstadt im Kreis G., 44 1cm im NW. von
Düsseldorf, an dem Maaszufluß Niers und den
Linien Köln-Krefeld-Clcve und Haltern-Wcfel-Venlo
der Preuft. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamteo
und eines Amtsgerichts (Landgericht Cleve), hat
(1890) 5536 E./darunter 368 Evangelische und
111 Israeliten, Post erster Klasse, Telegraph, regel-
mäßige Straßen, einen schönen Martlplatz, zwei
kath., eine evang. Kirche, Synagoge, höhere Knaben-
schule, höhere Mädchenschule, St. Clemenshospital'
Seidenweberei, Cigarren-, Knopf- und ^chnhfabri-
kation, Getreidehandel, Gerberei, Bierbrauern uud
Spritfabrikation. - G., 878 gegründet, erst Residenz
der Grafen und bis 1343 der ersten verzöge von G.,
war seit Philipps II. Zeiten befestigt; ihre Werke
wurden aber 1764 geschleift. - Vgl. Ncttesheim,
Geschichte der Stadt und des Amtes G., Bd. l
(Kref. 1863).
Geldernhuhn, s. Vredahuhn. ^S. 311"".
Geldersch, s. Deutsche Mundarten (Bd. 5,
Geldherrschaft, Geldoligarchie, auch
Plutokratie (vom grch. pintos, Reichtum), nennt
man das Übergewicht des beweglichen Kapitals,
namentlich der Geldmacht in dem Sinne, daß die
letztere einen übergroßen Einfluß auf das öffentliche
Leben in Staat und Gesellschaft gewinnt. Während
im Altertum die Geldoligarchie zuweilen an die
Spitze der Regierung gelangte und ihr polit. Ein-
fluß von größter Tragweite war, kann sie beute in
konstitutionellen Staaten nur mittelbaren Einfluß
auf die polit. Geschicke eines Staates üben, wie der
Begriff überhaupt mehr eine wirtschaftliche Be-
deutung hat. Man bezeichnet nämlich mit G. vor-
zugsweife die leitende Machtstellung dev Großkapi-
tals in der neuern Produktionsordnung. Früher
galten die Grundbesitzer als die vornehmsten Trä-
ger des Reichtums. Die gewöhnlichen städtifchcn
Gewerbe bewegten sich meistens in den Grenzen
des Kleinbetriebes und führten wohl häusig zu
Wohlstand, aber selten zu eigentlichem Reichtum.
Bedeutendere Kapitalansammlungen entstanden in
den bürgerlichen Kreisen erst mit Hilfe des Han-
dels, besonders des mit großem Risiko, aber auch
mit großen Gewinnchancen verbundenen Handels
mit fernen Ländern. Mit der großartigen Aus-
breitung des Welthandels seit dem Zeitalter der
Entdeckungen begann daher auch eine nene Periode
in der Entwicklung des beweglichen Kapitals. Nicht
minder aber wurde dieselbe gefördert durch das
Aufkommen der Maschinenindustrie seit der zwei-
ten Hälfte des 18. Jahrh, fowie durch die Eisen-
bahnbauten und die übrigen großen Unternehmun-
gen der neuern Zeit. Denn die gegenwärtigen
Industrie- und Verkehrsanlagen konnten größten-
teils nur mittels Gesellschaftsbildung, durch Ver-
einigung kleiner Kapitalanteile zu einem großen
Gefamttapital zu stände kommen, und das letztere
mußte häufig noch durch Aufnahme von Anleihen
ergänzt werden. So brauchte man, um an industriel-
len und sonstigen Unternehmungen Teil zu nehmen,
sich nicht mehr mit irgend einem Betriebe selbst zu
beschäftigen; es genügte, daß man jederzeit wieder
leicht zu veräußernde Aktien oder Obligationen
kaufte. Der Größe der Unternehmungen entsprechen
auch die Kreditbedürfnisse derselben. Daher gelangte
auch das Bankwesen (s. Banken), vielfach wieder in
der Form von Aktiengefellfchaften, zu einer zuneh-
menden Ausdehnung, und das ungeheuere An-
schwellen der Staatsschulden eröffnete einerseits den
Geld- und Kreditopcrationen neue Aussichten auf
Gewinn und erleichterte andererseits immer mehr
die Vermögensanlagen in beweglichen, leicht um-
setzbaren Werten.
So baben sich nicht nur übermäßig große, haupt-
sächlich in Wertpapieren angelegte Vermögen ge-
bildet, sondern es werden auch viele Vermögen
dieser Art von ihren Besitzern fortwährend geschäfts-
mäßig als Kapital ausgenutzt, sei es in Bank-
geschäften, in Börfenfpekulationeu, neuen Grün-
dungen, Emissionen oder auf andere Art. Das Geld
felbst tritt in diesem beweglichen, thätigen Kapital
nur vorübergehend auf und in größerm Maßstabe
nur dann, wenn es sich zu irgend einem Zwecke um
die Zusammenfassung einer bedeutenden, unmittel-
bar disponibeln Vermögensmacht handelt. Aber
auch die übrigen wechselnden Bestandteile dieses
Kapital? sind Werte, die aus Geld lallten und immer
auch in Geld umgesetzt werden tonnen. Diese stets
rührige und schlagfertige Kapitalmacht, hauptfäch-
lich vertreten durch die fog. "naiite inikiice", ist nun
wesentlich maßgebend für die Kreditverteilung und
übt durch ihre spekulativen Operationen auch einen
tiefgehenden Einfluß auf die ganze Gestaltung der
Produktion aus. Die Grundbesitzer und überhaupt
die materiell produzierenden Unternehmen geraten
daher vielfach in Abhängigkeit von diefer Geldmacht,
die kleinern Betriebe fühlen sich durch den auf Kapi-
talvereinigung beruhenden Großbetrieb immer mehr
bedrängt, die Arbeiter sehen in dem konzentrierten
Großkapital den eigentlichen Träger der vom Socia-
lismus bekämpften "kapitalistischen Produktions-
weise", und so erheben sich denn von den verschie-
densten Seiten Klagen über die G. Dieselben wer-
den unterstützt durch den Glauben, daß die bloßen
Geldoperationen einen mühelosen und verhältnis-
mäßig größeren Gewinn einbrächten, als die eigent-
lich produzierenden Unternehmungen. Soweit dies
richtig ist, sind diese Geschäfte aber auch mit einem
weit größern Risiko verbunden; bei jener Meinung
nimmt man aber nur auf die Gewinnenden Rücksicht
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