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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gemara - Gemeinde
Gemara, Teil de^ Talmuds is. d.).
Gemarkung, soviel wie Grenze', dann ein ge-
wisser Bezirk, besonders das Areal einer Gemeinde.
Gemäßigte Zonen, die Gürtel zu beiden weiten
des Äquators zwischen den Wende- und Polarkreiseil
auf der Nord- und (Hüdhalbkugel. In Bezug auf
die Temperatur unterscheiden sich die G. Z. von den
andern durch große Schwankungen innerhalb der
Tages- und Jahresperiode. Zwar haben im all-
gemeinen die Tropenzonen höhere, die Polarzonen
tiefere Temperaturen aufzuweisen, aber es treten
in den G. Z. doch Temperaturen auf, die deren
der andern Zonen oft ziemlich gleichkommen. Die
Grenzen, innerhalb deren in den G. Z. die Tem-
peraturenschwanken, können zu l-50^ und -60" (^'.
angenommen werden. Bezüglich der Windströmun-
gen werden die G. Z. die Region der Westwinde ge
nannt, die aber häufig abgelenkt werden durch Luft-
wirbel, die sich fast ununterbrochen bilden und fort-
bewegen und der Witterung den Charakter der Un-
beständigkeit aufdrücken.
Gembitz, poln. Gembice, Stadt im Kreis Mo-
gilno des preuß. Reg.-Bez. Bromberg, 10 km im
SO. von Mogilno, an der Netze, hat (1890) 1016 E.,
darunter 192 Evangelische und 68 Israeliten, Post-
agentur und Fernsprechverbindung.
Gembloux (spr. schangblub), auch Gemblo u r s
(lat. (^6iniuicum), wallon. Städtcken im nördl. Teile
der belg. Provinz Namur, Hauptort des Kantons
G. (27689 E.), an den Linien Fleurus-Landen,
Brüssel-Namur, G.-Iemeppe der Velg. Staatsbahn,
hat (1891) 40l9 E., ein königl. landwirtschaftliches
Institut im Abteigebäude; Brennerei, Zuckersiederci
und Messerfabrikation. G. ist berühmt durch den
Sieg des Herzogs von Parma über die Niederländer
(1578) und durch seine Benediktincrabtei. Dieselbe
wurde 922 von dem heil. Gilbert, einem Abkömm-
ling der frank. Könige, gestiftet und erlangte, an-
fänglich dem päpstl. Stuhl unmittelbar untergeben,
bald mit dem Titel einer Grafschaft unter den Stän-
den Brabants den Vorrang. Anfang des 12. Jahrh,
entstand hier die als Geschichtsquelle geschätzte
Chronik des Sigebert (s. d.) von G.
Gemeinde oder Kommune, im gewöhnlichen
Sinne ein dem Staat untergeordneter öffentlich-
rechtlicher Verband zur Befriedigung örtlicher Ge-
meininteressen; das Wort wird aber aucb, nament-
lich in Zusammensetzungen, von andern Verbän-
den verschiedener Art gebraucht, z. B. Kircken-
gemeinde, Schulgemeinde, Armengemeinde, Virt-
schaftsgemeinde.
^ Die politische G. ist ihrem Wesen nach dem
Htaat ähnlich; sie ist wie dieser eine iurist. Person
(Korporation) des öffentlichen Recbts, sie hat ein
Gebiet und Angehörige, über welche sie herrscht;
sie hat eine Verfassung, Behörden und Beamte,
die ihr als Organ dienen; sie hat rechtserzeugende
Kraft auf Grund ihrer Autonomie (Ortsstatut);
sie hat ferner eigene Verwaltung und hatte früher
regelmäßig auch eigene Gerichtsbarkeit; endlich hat
sie auch, wie der Staat, die Eigenschaft als Kor-
poration des Privatrechts und ist demgemäß ver-
mögensfähig. In der ältesten Zeit fällt bei allen
bekannten Völkern die G. mit dem ^taat zufammen;
die Stadtstaaten des Altertums wie die Volksge-
meinden der german. Stämme waren souveräne
Gemeinwesen von enger lokaler Begrenznng. In:
Laufe der Entwicklung werden eine Anzahl von G.
zu einem Staat zusammengefaßt. Nun verändert
sich aber das Verhältnis der G. zum Staat im
Laufe der Geschichte.
Im Mittelalter hielt mit dem Verfall der Staats-
gewalt das Aufblühen der G. und die Entfaltung
einer umfassenden polit. Thätigkeit derselben gleichen
Schritt. Es gilt dies auch von der Landgemeinde,
soweit eine solche vorhanden war und überdies die
Einfachheit der Aufgaben, die Geringfügigkeit der
Mittel, die Beschränktheit des Gesichtskreises der
Mitglieder eine Wirksamkeit für öffentliche Inter-
essen gestatteten; namentlich die Verwaltung deö
Gesamteigentums an Ackerland, Wald und Weide
war Sache der G. Die Freiheit der bäuerlichen G.
trat aber mebr und mehr vor der grundherrlichen
Gewalt zurück, und der herrschaftliche Vogt, Amt-
mann oder Nentmeister übernahm die Verwaltung
an Stelle der Genossenschaft, ohne indes die letztere
ganz zu verdrängen, übrigens entwickelten sich in
dieser Beziehung die Verhältnisse in den verschiede-
nen deutschen Territorien sehr verschieden; während
in Süd-, Mittel- und Westdeutschland die grund-
herrliche Gewalt zu Gunsten selbständiger Ge-
meindebildung schon frühzeitig zurückgedrängt
wurde, blieb sie in Nord- und besonders Nordost-
deutschland bis beute der maßgebende Faktor für
die Verhältnisse des platten Landes. Zu reicher
Entwicklung kam dagegen die polit. Thätigkeit in
den Städten; sie übernahmen allmählich die Ge-
samtheit aller staatlichen Anfgaben und forgten so-
gar auch für den kriegerischen Schutz gegen Feinde,
da das ^chutzverhältnis, in welchem sie zum Kaiser
oder zu einem Landesherrn standen, sich meistens
als unzulänglich erwies. Während im übrigen Reich
die feudale Gestaltung der Verfassung, d. h. die Auf-
fassung aller .hoheitsrechte und aller ihnen ent-
sprechenden Pflichten unter privatrechtlichen (patri-
monialen) Gesichtspunkten, immer vollkommener
Platz^ griff und die lehnrechtlichen Verhältnisse an
die stelle der obrigkeitlichen traten, wurden in den
Städten schon früh die Grundgedanken des moder-
nen Staates zur Durchführung gebracht; der Unter-
thanenbegriff, der Begriff der Obrigkeit, die öffent-
liche Wohlfahrtspflege, die Handhabung des Rechts-
schutzes, die Ausbildung der Polizeigewalt wurden
die Grundlagen der städtischen Verfassung, und
immer reicher entfaltete sich die polit. Triebkraft
in den ^tadtgemeinden, sodaß sie fast in allen Be-
ziehungen die Vorbilder der neuern Staaten wurden.
Mit der Ausbildung der landesherrlichen Gewalt
znr modernen Staatsgewalt trat aber ein Rück-
schlag gegen die Freiheit der G. ebenso wie gegen
die Selbstherrschaft der Gutsherren ein; die G.
mußten von neuem einer höhern, weiterreichenden,
der Staatsgewalt, untergeordnet werden. Dies
kostete meist sehr schwere Kämpfe, welche jedoch den
Landesberren vielfach dadurch erleichtert wurden,
daß in den Städten unter der erblichen Herrfchaft
einiger Patriciergeschlechter ("verfaulter Oligar-
chien" nach ^chmollers treffendem Ausdruck) eine
erschreckende finanzielle Verwahrlosung eingetreten
war. An diesem Punkt setzten besonders die bran-
dend.-preuß. Fürsten, der Große Kurfürst und Fried-
rich Wilhelm 1., ein, um zugleich mit Herstellung
der finanziellen Ordnung die Städte der landes-
herrlichen Gewalt dauernd zu unterwerfen. Freilich
battc das auch zur Folge, daß die Stadtgemeinden
aller Selbständigkeit beraubt und zu staatlichen Ver-
waltungsdistrikten berabgedrückt wurden, indem die
Gemeindebeamten in allen Beziehungen von den
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