861
Germanen (Studentenverbindung) - Germania (geographisch)
Rede sein kann; in dieser Beziehung könnte man besonders die verwandtschaftlichen Sympathien der deutschen Nordseeschiffer, zumal der Hamburger, für die Engländer vergleichen.
Heute giebt es drei große german. Volksstämme^[richtig: Volksstämme:] die mit finn.-lappischen Stämmen vermischten Skandinavier oder Nordgermanen (zerfallend in Schweden, Dänen, Norweger und Isländer); die mit den kelt. Britten (Kymren, Schotten und Iren) vermischten Engländer und die mit romanisierten Kelten (in West- und Süddeutschland) und Slawen (in Ostdeutschland) vermischten Deutschen, zu denen auch die Niederländer gehören und denen sich die Friesen assimiliert haben. Diese Dreiteilung hat sich durch die geschichtlichen Verhältnisse der german. Völkerwanderung herausgebildet. Vor derselben zerfielen die G. in zwei besondere große Gruppen: die Westgermanen (Deutsche, Friesen und Engländer) einerseits und die Ost- und Nordgermanen andererseits. Von den westgerman. Stämmen sind nur die nach Italien gewanderten Langobarden gänzlich romanisiert worden. Die ostgerman. Gruppe existiert heute nicht mehr: die ihr angehörenden Goten, Gepiden, Rugier, Vandalen und Burgunden sind in den roman. Nationen aufgegangen. Die Grenze zwischen West- und Ostgermanen bildete zu Beginn unserer Zeitrechnung etwa die Wasserscheide der Elbe und Oder. Beide Hauptstämme unterschieden sich schon zu Beginn unserer Zeitrechnung nicht unerheblich durch ihre Mundart, ihre Kleidung und Bewaffnung, ihre Bauart, Verfassung u. a. m. Wichtiger noch war der Unterschied, daß die Westgermanen dem Bereich der röm. (vor Cäsar der kelt.) Kultur angehörten, die Ostgermanen aber unter dem Einfluß der griech. Kultur standen. Die letztere Einwirkung ist durchgreifender gewesen, weil die Handelsbeziehungen der griech. Kaufleute in Olbia (heute Odessa), welche den ostpreuß. Bernstein von den Goten bezogen, in eine ältere Zeit hinaufreichen. So finden wir denn, daß im 5. und 6. Jahrh. n. Chr. die ostgerman. Goten und die ihnen stammverwandten Völker gesitteter waren, geistig höher standen und empfänglicher waren, die antike Bildung in sich aufzunehmen, als die wildern und rohern westgerman. Stämme. Über die einzelnen west- und ostgerman. Stämme und ihre Wohnsitze sowie über die Abgrenzung der Skandinavier von den Ostgermanen s. Westgermanen und Ostgermanen. Über öffentliche und private Zustände vgl. Germanisches Altertum.
Körperliche Merkmale der G. sind blondes Haar und blaue Augen und ein größerer und kräftigerer Körperwuchs als bei den Mittelmeervölkern. In Deutschland ist der blonde Typus entschieden der vorherrschende, besonders in Norddeutschland, am geringsten im Oberelsaß und in Ostbayern. Die Blondheit der Skandinavier ist noch kein Beweis der Reinheit der Rasse, weil auch die Finnen flachsblond sind. In Britannien läßt sich noch vielfach der hochgewachsene blonde Angelsachse von dem kleinen und dunkeln anglisierten Kelten scheiden. Ähnlich in Deutschland (s. Deutsches Volk 2 und 3, Bd. 5, S. 94 b und 95 a). Im allgemeinen aber überwiegen Mischformen. Hinsichtlich der Schädelform scheint sich die Rasse verändert zu haben. Wenigstens haben die Friesen, die nebst den Dänen von allen german. Stämmen sich am reinsten erhalten haben, nach neuern Messungen meist mittelköpfige Schädel, die obendrein noch zur Kurzköpfigkeit hinneigen und sehr niedrig sind: das gerade Gegenteil von den langköpfigen Schädeln der fränk. und alamann. Reihengräber aus der Zeit der Völkerwanderung. Während bei den Friesen auf 100 Schädel 51 Mittel-, 31 Kurz- und nur 12 Langköpfe kommen, hat man berechnet, daß unter 100 dän. Schädeln 57 Lang-, 37 Mittel- und 6 Kurzköpfe sind. In Deutschland herrscht im Norden der mittelköpfige Typus vor mit Neigung zur Langköpfigkeit, im Süden der kurzköpfige. (S. Deutsches Volk 3.) Wahrscheinlich repräsentiert schon der Urgermane und selbst der Urindogermane keinen anthropologisch reinen Rassentypus, sondern einen Mischtypus. Vgl. J.^[Johannes] Ranke, Somatisch-anthropol. Beobachtungen (in A. Kirchhoffs "Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung", S. 329-380, Stuttg. 1889).
Wie viele Menschen heute rein german. Abstammung sind, läßt sich auch nicht annäherungsweise mehr bestimmen. Jedenfalls ist die Zahl der Entgermanisierten unvergleichlich geringer als die der Angehörigen anderer Nationen, welche eine german. Sprache angenommen haben, besonders wenn man an die Ausbreitung der engl. Sprache denkt. (S. Germanische Sprachen.)
Litteratur. K. Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme (Münch. 1837); J.^[Jakob] Grimm, Geschichte der deutschen Sprache (2 Bde., Lpz. 1848; 4. Aufl., ebd. 1880); Ch. Brandes, Das ethnogr. Verhältnis der Kelten und G. (ebd. 1857); H. Künßberg, Wanderung in das german. Altertum (Berl. 1861); G. Weber, Germanien in den ersten Jahrhunderten seines geschichtlichen Lebens (ebd. 1862); Watterich, Der deutsche Name G. und die ethnogr. Frage vom linken Rheinufer (Paderb. 1870); K. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde (Bd. 1-3 und Bd. 5, Berl. 1870-92; Bd. 1, 2. Aufl., ebd. 1890); L. Erhardt, Älteste german. Staatenbildung (Lpz. 1879); G. Kaufmann, Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr. (2 Bde., ebd. 1880-81); W. Arnold, Deutsche Urzeit (3. Aufl., Gotha 1881); Dahn, Geschichte der deutschen Urzeit (2 Bde., Gotha 1883-88); K. Lamprecht, Deutsche Geschichte (Berl. 1891 fg.); R. Much, Deutsche Stammsitze. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte Deutschlands (Halle 1892). (S. auch Germania und Germanisches Altertum.)
Germanen, Studentenverbindung, s. Burschenschaft (Bd. 3, S. 778 a).
Germani, vollbürtige Geschwister.
Germania (Germanien) hieß bei den Römern erstens das Land im Norden der Donau und im Osten des Rheins bis zur Weichsel, welches die von ihnen nicht unterjochten Germanen bewohnten (Germania magna); zweitens das meist auch von Germanen bewohnte, aber seit Augustus als eine militär. Grenzprovinz (Provincia Germania) organisierte linke Ufer des Rheins. Dieses zerfiel in Germania superior mit Mainz und Germania inferior mit Köln als Hauptort. An der Donau wurden die röm. Provinzen Rhätien, Noricum und Pannonien gebildet. Das Land zwischen Rhein und Donau, das durch den "Pfahlgraben" abgegrenzt und durch eine Postenkette an und hinter demselben bewacht wurde, hatte Domitian an Kolonisten gegeben: es waren die Agri decumates oder Decumatischen Äcker (s. d.). Soweit nicht röm. Kultur eindrang, sahen die Römer G. als ein rauhes und sumpfiges Waldland an, das indessen reich an Vieh und zum Ackerbau nicht ungeeignet sei. Quer durch von Westen nach Osten strich nach ihrer Vorstellung der Hercynische Wald (Her-^[folgende Seite]