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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geschäftsträger - Geschichte
zerfällt in den höhern G. (Kanzleistil) für alle öffentlichen Verhandlungen der Negierung und der Gerichte und in den niedern G. für alle Privatverhandlungen, die ohne Einmischung der Obrigkeit abgemacht werden können, wie Anzeigen, Zeugnisse, Quittungen u. s. w.
Geschäftsträger (frz. chargé d’affaires) heißt die unterste Rangklasse der Gesandten (s. d.). Ein G. wird, außer von ganz kleinen Staaten, nur bei Beurlaubung des ständigen Gesandten bestellt.
Gescheid, ein früheres Getreidemaß, 1/64 des Malters, in einem Teile Süddeutschlands: in Hanau war das G. 1,908 l, im Großherzogtum Hessen = 2 l (in Mainz aber kam gleichzeitig noch das, ehemals auch in Wiesbaden gebräuchliche ältere besondere G. von 1,709 l vor, und in Darmstadt war bis zur Einführung des neuern Landesmaßes, 1821, das G. = 1,782 l), in Frankfurt a. M. (der Altmaß des Flüssigkeitsmaßes gleich) = 1,793 l.
Gescheide, in der Jägersprache Gesamtausdruck für Magen, Gedärme, Blase und Milz.
Gescheute, die Blüten am Weinstock (s. Geiz).
Geschenen, Dorf im schweiz. Kanton Uri, s. Göschenen.
Geschenk, s. Schenkung.
Geschenkannahme, s. Bestechung.
Geschichte (lat. historia) nennt man alles Geschehene überhaupt, dann aber namentlich auch dessen Überlieferung durch Erzählung und dessen Erforschung und Darstellung in seiner zeitlichen und ursächlichen Aufeinanderfolge. Man spricht im weitern Sinn von einer Natur-, Erd-, Tiergeschichte, wendet aber vorzugsweise den Begriff G. auf den Verlauf und die Überlieferung der menschlichen Begebenheiten an; in diesem engern Sinne beschäftigt sich die G. mit der Erforschung des von Menschen für Menschen Vollbrachten, mit dessen Erklärung und Darstellung in seinem nach Zeit und Ursache verfolgten Zusammenhang. Die Thätigkeit des Geschichtsforschers beginnt aber erst da, wo geschriebene Überlieferungen vorliegen, die Erforschung früherer Zustände gehört in das Arbeitsgebiet der Urgeschichte, Anthropologie und Ethnographie (s. diese Artikel). In Anbetracht der verschiedenen Gebiete, auf welchen das Wirken der Menschen sich äußert, läßt sich auch die G. dieser verschiedenen Gebiete getrennt verfolgen und darstellen als eine G. der Staaten, der Kultur, der Religion, des Rechts, der Wissenschaften, der Litteratur; Kunst, Technik, des Handels, Gewerbes, Ackerbaues u. s. w. Im engsten Sinne begreift man jedoch die Erforschung und Darstellung der polit. Begebenheiten unter der Bezeichnung G., weil diese sich mit der umfassendsten und notwendigsten Schöpfung des menschlichen Geistes, mit den Staaten, d. h. mit der Organisation der menschlichen Gesellschaft, beschäftigen, deren Entstehung, Entwicklung, Umbildung und Verfall darlegen, ihre Abhängigkeit von dem gesamten Kulturzustand der Völker und ihre tiefe und durchgreifende Rückwirkung auf deren Gesamtkultur wie auf das Dasein jedes Einzelnen nachweisen.
Die G. ist reine Wissenschaft, soweit sie den Geschichtsforscher beschäftigt, dem die Aufspürung des Geschehenen, die Reinigung der Überlieferung von der im Laufe der Zeit ihr widerfahrenen Trübung, die zeitliche Bestimmung der Ereignisse und deren Aufeinanderfolge obliegt; sie ist Kunst da, wo der Geschichtschreiber mit seiner Thätigkeit einsetzt, dessen Aufgabe es ist, die Ergebnisse der Forschung und Erfahrung in umfassender und künstlerischer Weise, den Verstand überzeugend und das Gemüt ergreifend, darzustellen. Sache der angeborenen und durch die Erfahrung auszureifenden unmittelbaren Anschauung ist die Erkenntnis des ursächlichen Zusammenhangs der Ereignisse, ihre psychol. Begründung als Äußerungen des menschlichen Geistes und das Begreifen ihrer Rückwirkung auf diesen. Der Wert der G. besteht in der Entwicklung bürgerlicher und sittlicher Tüchtigkeit und eines humanen Zinnes, in der Belehrung über die immer bescheidene, nie bedeutungslose stelle, die der Einzelne im Zusammenhang des Ganzen einnimmt, in der Heranbildung eines sichern Urteils über alle menschlichen, besonders staatlichen Angelegenheiten, endlich in der Erkenntnis der ewigen und unerbittlichen Gesetze, welche die Wirklichkeit beherrschen. Gemeinsam mit den Wissenschaften des Staatsrechts und der Volkswirtschaft bildet die G. die Grundlage für die Politik, welche die von diesen Disciplinen gefundenen obersten Gesetze für das Staatsleben und die Regierung der Staaten zusammenfaßt.
Es giebt zwei Arten der Geschichtschreibung, die referierende und die pragmatische. Erstere, welche die ursprüngliche ist, berichtet nur die Thatsachen, ohne deren Verknüpfung und Erklärung zu versuchen; sie hat sich noch erhalten in den Zeittafeln (s. Synchronismus), welche dem Leser oder Lehrer die Ergänzung des ursächlichen Zusammenhangs der mitgeteilten Ereignisse überlassen, und in den Regesten- und Annalenwerken, welche bloße Vorarbeiten für den Geschichtschreiber im eigentlichen Sinne sein wollen, für welchen sie die Überlieferung sammeln und läutern. Die pragmatische Geschichtschreibung, die heute als die eigentliche gilt, befaßt sich mit der Erforschung und Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs der Ereignisse, der Wirkung der Verhältnisse auf die maßgebenden Persönlichkeiten und der Rückwirkung dieser ans die Verhältnisse. Eine besondere genetische Geschichtschreibung, die man neuerdings der pragmatischen als dritte Art zur Seite stellen will, giebt es nicht; dieselbe ist nur eine Ausbildung und Verfeinerung der pragmatischen, von der sie kein wesentliches Merkmal trennt.
Je nach der Begrenzung des zu behandelnden Gebietes spricht man von Universal- oder Weltgeschichte, wenn die ganze G. der Menschheit oder ein Ausschnitt aus derselben in der Weise erzählt wird, daß der Geschichtschreiber um die G. des heute noch die Welt beherrschenden Europa die der übrigen Länder der Erde gruppiert; diese Weltgeschichte wird seit Zellarius (1634-1707) in alte G., mittelalterliche G. und neuere G. eingeteilt (s. Zeitalter). Es ist jedoch die Zeit abzusehen, wo mit dem Emporkommen Amerikas und vielleicht auch Asiens zu einer politischen und kulturell gleichwertigen Stellung nur noch eine G. als Universaloder Weltgeschichte bezeichnet werden wird, welche eingehender und selbständiger die G. der außereurop. Länder von einem weltbürgerlichen Standpunkte aus behandelt. Gleichberechtigt mit dieser Abgrenzung ist die national- und landesgeschichtliche, Völker- und staatengeschichtliche, auf Grund deren der Geschichtschreiber sein eigenes oder ein fremdes Land oder Volk in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt und die Überlieferung nur berücksichtigt, soweit sie sich unmittelbar oder mittelbar auf dieses Land bezieht, sowie