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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Geschoßstauchung; Geschoßwirkung; Geschoßzündungen; Geschreigeschütz; Geschröt; Geschur; Geschütz

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Geschoßstauchung - Geschütz

Geschoßstauchung, s. Geschoß (S. 905 a).

Geschoßwirkung, die vom Geschoß am Ziele verrichtete Arbeit. Sie ist abhängig von der Geschwindigkeit des Geschosses, von seiner absoluten Masse, seiner Form, von der Haltbarkeit des Materials, von dem Auftreffwinkel der Geschoßachse zum Ziel, der Widerstandsfähigkeit des letztern, unter Umständen auch von der Art und Weise der Zerteilung des Geschosses und der Wirkung des in letzterm enthaltenen brisanten oder zündenden Mittels. Man unterscheidet zunächst die Perkussionswirkung (s. d.) des ganzen Geschosses oder der durch Zerteilung desselben vor dein Ziel oder in dem Ziel entstandenen Geschoßteile, deren Bildung vorbereitet ist oder dem Zufall überlassen bleibt, und die Sprengwirkung (s. d.), welche vermöge des in dem Geschoß enthaltenen brisanten Mittels ausgeübt wird. Untergeordneterer Natur ist die Brandwirkung und die Leuchtwirkung der Geschosse. Über die besondere Wirkung der Infanteriegeschosse im tierischen Körper s. Hydraulische Pressung.

Geschoßzündungen, s. Zünder.

Geschreigeschütz, s. Orgelgeschütz.

Geschröt, in der Jägersprache, s. Gailen.

Geschur, hüttenmänn. Bezeichnung für Krätze (s. d.).

Geschütz, Schießwerkzeug besonders größerer Art, war früherhin mehr Sammelwort, gleichbedeutend mit Artillerie (s. d.), während das einzelne G. Stück hieß (frz. pièce; ital. pezzo). Jetzt wird G. sogar vorherrschend in letzterm Sinne gebraucht, Stück ist veraltet und kommt nur noch in einzelnen Zusammensetzungen (Regimentstücke u. s. w.) vor. Die Romanen brauchen für das einzelne G. auch (frz.) canon, (ital.) cannone, (span.) cañon, doch mehr in verallgemeinerndem Sinne, da dies Wort eigentlich einer Specialität entspricht; frz. auch bouche à feu, Feuerschlund. Das engl. gun ist jede Schießwaffe. G. ist somit die Bezeichnung für diejenigen Feuerwaffen, welche Geschosse von größerm Umfang und Gewicht fortschleudern und im Zusammenhange damit so schwer sind, daß sie nur auf fester Unterstützung ruhend gebraucht werden können, in der Regel durch die vereinten Kräfte mehrerer Leute bedient und mittels Zugtieren fortgeschafft werden. Die G. bilden in diesen Beziehungen den Gegensatz zu den Handfeuerwaffen (s. d.). Die Geschosse der G. kommen heute in Gewichten von 0,45 bis 1500 kg, mit Durchmessern von 3,7 bis 45 cm vor (s. Geschoß und Tafel: Moderne Geschosse). Vermöge des Gewichts und Umfangs der Geschosse haben die G. vor den Handfeuerwaffen folgende Vorzüge: größere Durchschlagskraft der Geschosse, Möglichkeit der Anwendung wirkungsvoller Spreng- und Streugeschosse sowie von Brand- und Leuchtgeschossen. Die G. besitzen im Vergleich zu jenen außerdem eine größere Trefffähigkeit und Schußweite, und es lassen sich mittels G. nicht bloß freistehende, sondern auch verdeckte und wagerechte Ziele beschießen. Dagegen erwachsen aus den Konstruktionsverhältnissen der G. für dieselben auch manche Nachteile, wie größere Kompliziertheit des Materials, größere Abhängigkeit vom Gelände, Einseitigkeit des Gebrauchs (nur als Feuerwaffe). Endlich ist das G. im Felde schwerer zu decken und bietet mit seiner Bedienung und Vespannung dem einzeln auftretenden Infanteristen gegenüber ein leicht treffbares Ziel, während die Wirkung der G. gegen zerstreute Fechter verhältnismäßig gering ist.

Im taktischen Sinne begreift man unter dem Namen G. die dazu gehörige Bedienungsmannschaft und Bespannung mit. Bei dem G. im besondern sind zu unterscheiden: das Geschützrohr und die als Schießgerüst wie Transportmittel desselben dienende Lafette. In vielen Fällen tritt dazu noch als Ergänzungsmittel die Protze, mit der das G. zu einem vierräderigen Fuhrwerk umgeformt und der Transport auf größere Strecken erleichtert wird.

Das Geschützrohr aus Bronze, Eisen oder Stahl hat im allgemeinen eine cylindrische Bohrung, die Seele, von größerer oder geringerer Weite und von sehr verschiedenem Verhältnis der Länge zum Querdurchmesser, der das Kaliber des Rohrs heißt; die Mittellinie der Seele heißt Seelenachse. Die Stärke der Wände des Rohrs nimmt von hinten nach der Mündung zu ab; die hintere Öffnung ist entweder dauernd verschlossen, oder mit einem beweglichen Verschluß versehen, je nachdem das G. von vorn oder von hinten geladen werden soll. Es ergiebt sich daraus der Gegensatz von Vorder- und von Hinterladungsgeschützen. Bei erstern ist Spielraum, d. h. der Durchmesser des Geschosses ist geringer als der des Geschützrohrs. Die Seele ist entweder glatt, oder mit Zügen, d. i. gewundenen Einschnitten versehen, vermöge deren das Geschoß geführt und in eine drehende Bewegung versetzt wird. Die G. heißen dem entsprechend glatte oder gezogene G. (s. Fig. 10-12, 16-19). Die Windung der Züge wird der Drall (s. d.) genannt, die Länge einer vollen Windung (Dralllänge) wird gewöhnlich in Kalibern ausgedrückt. Die Ladung des G. wird mittels einer sog. Zündung entzündet, zu deren Aufnahme das entweder im Rohrkörper oder im Verschluß angebrachte, gewöhnlich cylindrische Zündloch dient, welches zugleich das Feuer der Zündung weiter leitet. Zur Verbindung des Rohrs mit der Lafette dienen die in der Mitte des erstern vorspringenden, cylindrisch geformten Schildzapfen. Manche Rohre haben behufs Aus- und Einlegens aus der und in die Lafette über dem Schwerpunkt angebrachte Henkel. Eine Visiervorrichtung, aus dem am hintern Teil angebrachten Aufsatz (s. d. und Fig. 18 und 26) und dem in der Mitte oder über der Mündung sitzenden Korn (s. d. und Fig. 18 und 19) bestehend, dient zum Nehmen der Richtung. Man benennt die Rohre verschiedenen Kalibers entweder nach diesem in Längenmaßen (Centimeter, Zoll), oder nach dem Gewicht des zugehörigen Geschosses (Kilogramm, Pfund), bei schweren Rohren auch nach dem Gewicht dieser (wie in England in Tons). Nach dem Schauplatz, für den die G. bestimmt sind, teilt man dieselben in Feld-, Gebirgs-, Belagerungs-, Festungs -, Küsten -, Schiffs - (Marine-) Geschütze. Die Unterschiede liegen weniger in den Konstruktionsverhältnissen der Rohre als in der Auswahl derselben und in der Lafettierung.

Die älteste Geschichte der G. fällt mit derjenigen der Feuerwaffen überhaupt zusammen, da bei den anfänglich nur geringen Kalibern der letztern eine Unterscheidung von G. und Handfeuerwaffen im spätern Sinne noch nicht am Platze ist. Als Vorbilder der Feuerwaffen überhaupt kann man die Feuerlanze der Byzantiner, welche der jetzt gebräuchlichen Bombenröhre (s. Wurffeuer) entsprach, und die Madfaa der Araber, einen gestielten hölzernen Handbecher, der zum Werfen von Geschossen mittels schwacher Triebsätze diente, ansehen. Aus der Feuerlanze können wir uns die in einzelnen Waffensammlungen noch erhaltenen Holzkanonen