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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geschütz
entstanden denken, halb durchschnittene ausgehöhlte
Rundhölzer, die mit Blech gefüttert und durch außen
umgelegte eiserne Ringe als Röhren zusammen-
gehalten waren. An die Madsaa schlössen sich die
sog. Wurfkessel oder Mörser an, Gefäße von
konischer Aushöhlung, die das Schießpulver auf-
nahmen und auf deren Mündung das steinerne Ge-
schoß ruhte, sodaß sie nur in nahezu senkrechter Stel-
lung gebraucht werden konnten. Ein Zündloch
führte das Feuer zur Ladung. Um den Wurfkessel
auch unter geringern Neigungswinkeln gebrauchen
zu können, setzte man demselben ein trichterförmig
sich erweiterndes Mundstück an, oder man schob den
Wurfkessel mit seiner Mündung an ein längeres
Robr- beran, wodurch man auf die Hiuterladung
kommen mußte. Der Wurfkessel selbst bildete jetzt
nur noch den Pulversack, die vordere Verlängerung
führte das Geschoß. Dem verlängerten Vurfkefsel
gab man den Namen Vombarde ls. d., ital. dom-
wn'lla); die Verlängerung allein hatte im Deutschen
den Namen Vumbart.
Die Bombarden bildeten die ursprüngliche
Form des schweren G.; sie waren, da man zu jener
Zeit Eisenguß noch nicht kannte, ähulicb wie ein
Faß aus Eisenstäben bergestellt, die man der Länge
nach zusammenschweißte und mit eisernen Reifen
umlegte. Sie kamen schon im 14. Jahrh, in ge-
waltigen Größen vor, so die "Dulle Griete" von
Gent mit 1 in Kaliber, die eine Steinkugel von
680 Psd. warf, die schott. Mons Meg u. a. All-
mählich nahmen diese Donucrbüchseu scklankere
Formen an und waren dann oftmals Hinterlader.
Man verschloß das von rückwärts geladene Robr
mitteilen, oder legte die das Pulver enthaltende
^adc-büchse in einen am hintern Rohrende ange-
brachten Bügel, wo sie mit einem Keil festgehalten
wurde, oder man gab der Ladebücbse ibr Wider-
lager am Schießgerüst. Der sichere Nachweis des
Gebrauchs von G. findet sich zum erstenmal 1324
in der Chronik von Metz; von da bis zur Mitte des
14. Jahrh, läßt sich da5 Vorkommen von G. na-
mentlich bei den roman. Völkern, aber auch in
Deutschland in Abständen weniger Iabre an den
verschiedenstenOrten nachweisen. Auf dieselben wird
der bereits für die Kriegsmaschinen üblich gewesene
Name "Artillerie" bald allgemein augewandt. Das
Vorkommen von G. in der Schlackt von Crecy 1316
als erste Anwendung im Felde ist uicbt sicber erwiesen.
Um 1400 kam bereits der Guß der Geschützrohre
in Bronze vor. Die ^tabeisengeschütze wichen mehr
und mehr den Bronzegeschützen, die von den
Glockengießern hergestellt wurden. Man konnte
nun den hintern Abschluß des Robrs mit dem vor-
Fig. 1.
dern Teil in einem Gusse herstellen, und so wurde
die Vorderladuug uach und nach Regel, wenn aucb
Hinterlader immer noch vorkamen und in der wei-
tern Entwicklung des Geschützweseus wiederkehrten.
Fig. 1 zeigt eine ital. gegossene Bombarde von
l500. Auch in Bronze kamen bald G. von gewal-
tigen Abmessungen vor, wie die "Faule Mette" von
Brauuschweig, die Steinkugeln von 7 Ctr. Gewicht
schoß, und das bekannte Niesengeschütz des Sultans
Mahometll., das bei der Belagerung von Konstanti-
nopel angewandt wurde. Es war beim Gießen leicht,
das Geschützrohr mit Henkeln und Traube (Knopf
am biutern Ende) zu versehen; bald kamen auch die
Säüldzapfen auf, die an fchweren G. zuerst bei der
Artillerie Karls V11I. von Frankreich auf seinem
Zuge nach Italien gefunden werden.
Anfänglich ruhten die Geschützrohre beim Schie-
ßen auf einer Balkenunterlage, oder sie waren in
eine Art Schaft eingelassen, dem man durch Unter-
lagen verschiedene Neigungen geben konnte. War
ein Fortschaffen nötig, so lud man die G. auf be-
soudere Fahrzeuge. Leichte Rohre ruhten auf Böcken.
Hieraus entwickelten sich allmählich die auf Rädern
rubenden Schießgerüste, die den Namen Lafetten
ls. d.) erhielten. Das hintere Pferd war bei leichtern
G. mittels einer Gabeldeichsel unmittelbar an der
Lafette befestigt ls. Fig. 3); später entwickelte sich hier-
aus der abgesonderte Protzwagen, als Vorderwagen
des G. Karl V111. führte auf seinem obenerwähn-
ten Zuge bereits G. in Wandlafetten auf Rädern
mit, die zum Teil felbst mit Protzen versehen waren.
Bis zum Ende des 15. Jahrh, schwanken die Typen
der G. bin und her. Erst von da ab lassen sich be-
stimmt benannte Arten von G. deutlich unterscheiden,
für die namentlich Weite und Länge der Seele und
das Verhältnis beider maßgebend sind. Eine ziemlich
allgemeine Benennung ist Büchsen, die wieder in
Stein- und in Klotzbüchsen zerfallen, erstere eine
Steinkugel, letztere eine Kugel aus Metall (für die
der Name Klotz üblich war) schießend. Große G.
Mörser, Tümmler,
Fig. 2.
werden auch Metzen genannt.
Böller decken sich mit
dem oben als Bom-
barden bezeichneten
Muster. Der Mör-
ser als eigentliches
Wurfgeschütz, von gro-
ßer Weite und ver-
bältnismähig kurz, ge-
wann erst mit dem
16. Jahrh, eine größere Bedeutung <Fig. 2, ita-
lienischer Mortaro von 1500), wo man
aufing, mit demselben Vrandkugeln zu werfen,
und wo fpäter die <Hteinkugel durch die eiserne
Hohlkugel verdräugt wurde. Vorherrschend zum
Brescheschuß bestimmte G. werden Hauptbüchsen,
Scharfmetzen, Mauerbrecher genannt. G. mit be-
weglicher Ladebüchse heißen Kamm erb üchseu.
Die Haufsnitze hat die Form der alten Steinbüchse,
indee> in geringern Abmessungen und namentlich
verkürzt; hieraus entwickelten sich die Haubitzen
ls. d.) als kurze Kammergeschütze (s. Kammer).
Aus Quartane <Viertelsbüchse), die eine Verlän-
gerung der Hauptbüchse bei gleichzeitiger Vermin-
derung des Kalibers darstellt, entsteht die Bezeich-
nung Kartaune, die später allgemein für große
und dabei lange G. gebraucht wird, bis an deren
Stelle der franz. Ausdruck Kanone ls. d.) sich ein-
bürgert. G. mit sehr langen Rohren, dabei von ge-
ringem Kaliber lwie sie in den obengenanuten Holz-
kauouen vorgebildet waren), werden Schlangen,
in ihren Besonderheiten auch Feldschlaugen, Falken,
Falkonetts genannt lFig. 3, Feldschlange von
1550). Eine besondere Gattung von G. bilden die
Hagelbüchsen, bei denen mehrere auf einem Gestell