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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gesichtsschwäche; Gesichtsschwindel; Gesichtstäuschungen

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Gesichtsschwäche - Gesichtstäuschungen

indem sich die Anfälle in unregelmäßigen Zwischenräumen wiederholen; auch geht sie nicht selten in andere Nervenkrankheiten, namentlich in Hypochondrie und Hysterie, über. In der Kindheit ist das Leiden sehr selten; am häufigsten findet es sich zwischen dem 30. und 50. Lebensjahre, und bei Frauen etwas häufiger als bei Männern.

Das Wesen und die Ursache des G. sind noch sehr dunkel; sowohl allgemeine Schädlichkeiten, erbliche Anlage, feuchte Witterung, Erkältung, Gemütsbewegungen u. s. w., als örtliche Affektionen, insbesondere Wunden, Geschwüre, Geschwülste, kranke Zähne, Erkrankungen der Schädelknochen, des Mittelohrs u. dgl., können ihn hervorrufen; nicht selten gesellt er sich zum Wechselfieber. Die Heilung des G. gelingt bisweilen auf die Dauer, wenn der Nerv, an dessen Verbreitungsbezirk die Schmerzen auftreten, durchschnitten wird (sog. Neurektomie) oder vollständig entfernt wird (sog. Nervenevulsion). Auch hat die Behandlung mit dem galvanischen Strom häufig vorzügliche Heilerfolge ergeben. Wenn der G. ein Symptom des Wechselfiebers ist, so leisten große Dosen von Chinin oder Chinoidin meist vortreffliche Dienste. Gegen die einzelnen Anfälle erweisen sich subkutane Einspritzungen schmerzstillender Arzneimittel, insbesondere von Morphium, nützlich, nach denen meist sofort bedeutender Nachlaß der Schmerzen, bisweilen selbst dauernde Heilung eintritt. Neuerdings hat man auch durch die Nervendehnung (s. d.) wiederholt sehr hartnäckige Gesichtsneuralgien geheilt. In jedem Falle muß eine genaue Untersuchung des Kranken stattfinden. Oft hat man das Leiden durch Beseitigung sonstiger krankhaften Zustände, z. B. der Geschlechts- und Verdauungsorgane (Stuhlverstopfung u. s. w.), beseitigt.

Gesichtsschwäche, soviel wie Augenschwäche, s. Asthenopie.

Gesichtsschwindel, Augenschwindel, eine Form des Schwindels, dadurch hervorgerufen, daß der Betreffende infolge mangelhafter Funktionierung der Augen, namentlich der Bewegungsmuskeln derselben, nicht im stande ist, sich jederzeit über den Ort seiner eigenen Person und der ihn umgebenden Objekte genügend zu orientieren.

Gesichtstäuschungen bilden im weitern Sinne einen Teil der Sinnestäuschungen. Während des Schlafs können dieselben in der Form des Traums, während des Wachens in der der Hallucination und der Illusion auftreten. In allen mit diesen Namen bezeichneten Zuständen begegnen wir Sinnesthätigkeiten, die entweder ausschließlich durch subjektive Reize angeregt, scheinbar objektive Gestaltung gewinnen, oder die, obwohl durch einen äußern, sog. adäquaten Sinnesreiz eingeleitet, zu Empfindungen, Anschauungen und Vorstellungen führen, deren Inhalt der einwirkenden Erregungsform nicht mehr entspricht. Ganz passend kann ein Teil dieser Erscheinungen auch "Sinnesdelirien" genannt werden. Während diese Aufdrücke auf alle Sinne in gleichem Maße anwendbar sind, bezieht sich der Begriff der "Vision" auf ausschließlich durch den Gesichtssinn vermittelte Formen der Täuschung. Die Sinne, in deren Sphäre der Prozeß dieser Täuschungen sich abspielt, können an sich in vollkommen gesundem Zustande sein, und nur die Erregungen führen unter dem Einfluß veränderter physischer Erregungszustände im Gehirn, der Ursprungsstätte sämtlicher Sinnesnerven, zu einer Form sinnlicher Reaktion, die, von den physiol. Normen sich wesentlich entfernend, das Truggebilde gebiert. Andererseits kann Sinnestäuschung infolge der Erkrankung des Sinnes bei gewissen krankhaften Dispositionen der nervösen Centralorgane eintreten. Durch Krankheitsvorgänge bedingte Reizungen der Netzhaut unsers Auges erregen z. B. eine von dem Träger der Erkrankung allein wahrgenommene (subjektive) Lichtempfindung. Diese an sich könnte nur im engern Sinne eine Sinnestäuschung genannt werden, denn obwohl ihr nicht, wie gewöhnlich, eine objektive Lichtquelle als adäquater Reiz gegenübersteht, so zeigt sich in ihr doch die dem Sehnerven specifische Form der Erregung durchaus normal. Zu einer eigentlichen Täuschung hallucinatorischen, illusorischen oder visionären Charakters erwächst sie erst dann, wenn etwa anomale Erregungszustände des Gehirns sich ihrer bemächtigen und sie zu einem bestimmten Wahngebilde umwandeln. So können bei Geisteskranken die durch Krankheitszustände der Sinne ins Leben gerufenen specifischen Erregungsformen derselben in engste Beziehung zu dem Inhalt der jene beherrschenden Wahnvorstellungen treten.

Als G. im engern Sinne sind diejenigen zu bezeichnen, die innerhalb der Sphäre des Gesichtssinns, ohne daß das Gehirn erkrankt oder ungewöhnlich erregt wäre, entstehen und ablaufen. Gewöhnlich zählt man mehrere durch Erkrankungen des Sehsinns oder Anomalien seines optischen Apparats bedingte Erregungsformen hierher. Kongestivzustände innerhalb des Auges führen, ebenso wie elektrische, chem. oder mechan. Reizungen des Sehnerven, zu Farben- und Feuererscheinungen (Chromopsie, Photopsie), d. h. zu Sinneswahrnehmungen, die gewöhnlich nur durch eine außerhalb des Auges liegende Reizursache veranlaßt und auf eine solche bezogen werden. Zellige Elemente im Glaskörper des Auges können dadurch, daß sie auf seine Netzhaut kleine Schatten werfen, subjektiv zur Wahrnehmung gelangen (entoptisches Sehen) und den Eindruck machen, als schwebten kleine Körperchen vor dem Auge in der Luft (Mückensehen, Mouches volantes). Bei dem Falschsehen erscheinen die Gegenstände verschoben und nach Gestalt und Größe verändert. Gegenstände von regelmäßiger Form können verzerrt und verbogen erscheinen (Metamorphopsie), wenn die Krümmungsflächen der brechenden Medien anomal sind, oder wenn die percipierenden Elemente der Netzhaut, die Stäbchen und Zapfen oder ganze Teile der Netzhaut selbst in ihrer physiol. Anordnung gestört sind. Vertikale und horizontale Striche von gleicher Deutlichkeit erscheinen bei einer gewissen Anomalie der Strahlenbrechung des Auges (s. Astigmatismus), doch ganz ungleichmäßig deutlich. Gewisse plötzlich eintretende Veränderungen in dem Accommodationsvermögen des Auges oder in der Leistungsfähigkeit der die Konvergenzstellung der Augen bewirkenden Muskeln führen dazu, daß die Gesichtsobjekte größer oder kleiner als gewöhnlich gesehen werden (Makropie und Mikropie). Gehemmte Thätigkeit eines Augenmuskels (durch Verwundung, Lähmung u. s. w.) kann bewirken, daß die wahrgenommenen Gegenstände an einen Ort versetzt werden, an dem sie sich nicht befinden, und daß sie, mit beiden Augen angesehen, doppelt erscheinen. Eine außerhalb des Bewußtseins sich vollziehende (automatische) Augenbewegung täuscht eine Scheinbewegung der Objekte vor. Alle diese Täuschungen, deren Zahl eine unbegrenzte ist, beruhen nicht so-^[folgende Seite]