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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gesindekrankenkassen - Gesindeordnungen
wordeuen G. und besonders den dann leicht der
Vcrfübrnng ausgesetzten weiblichen Dienstboten
Obdach und Kost gewähren. Anch besondere Ge-
sindekrankenkassen sind an vielen Orten ein-
gerichtet worden, ans welchen die Knrkosten sür
erkrankte Dienstboten bestritten werden, infolge-
dessen die oft zu Weiterungen und Differenzen An-
laß gebende Heranziehung der Dienstherrschaften,
resp. der Gemeinden vermieden wird.
Hinsichtlich der Stellung des G. zu den social-
polit. Arbeiterversicherungsgesetzen ist Folgendes
hervorzuheben. Der allgemeinen Krankenver-
sicherungs Pflicht unterliegt das G. im allge-
meinen nicht; jedoch besteht in einzelnen deutschen
Bundesstaaten kraft Landesgesetzes eine besondere
Krankenversicherung der Dienstboten, durch welche
denselben insbesondere freie Kur in Krankheits-
fällen gewährt wird. Nach Reichsgesetz sind die
Dienstboten nnr berechtigt, freiwillig der Gemeinde-
krankenversichernng (s. Gemeindeversicherung) bei-
zutreten (§. 4 des Krankenversicherungsgesetzes),
können dnrch Kassenstatut aber auch berechtigt wer-
den, freiwillig einer Ortskrankenkasse beizutreten
s§. 26, Absatz 3, Ziffer 5 des Krankenversicherungs-
gesetzes). Sofern Dienstboten hiernach freiwillig
beitreten, haben sie die vollen Versicherungsbeiträge
selbst zu entrichten. Ist einUntcrstützungsfall eines
versicherten Dienstboten eingetreten, so geht der An-
spruch des letztern gegen die Dienstherrschaft znr
Höhe der von der Gemeindekrankenversichernng oder
Krankenkasse geleisteten Unterstützung auf die Ge-
meindekrankenversicherung oder Krankenkasse über
(§. 57, Abs. 4 des
In Württemberg ist durch Gesetz vom 16. Dez. 1888
die Krankenversicherung aller Dienstboten obliga-
torisch gemacht; die Versicherungsbeiträge werden
von den Dienstherren erhoben; diese sind jedoch be-
rechtigt, zwei Drittel derselben von dem gezahlten
Lohn in Abzug zu bringen. In Bayern ist durch
Gesetz vom 28. Febr. 1884 die Gemeinde verpflichtet,
den erkrankten Dienstboten freie ärztliche Behand-
lung, Arznei und Pflege zu gewähren und ist be-
rechtigt, Beiträge zu erheben/In Baden kann lant
Gesetz vom 24. März 1888 die Krankenversicherung
der Dienstboten durch Gemeindcstatut obligatorisch
gemacht werden. - Der Unfallversicherung
unterliegt das G. nur dann, wenn und soweit das-
selbe in einem der Unfallversicherung unterliegen-
den Betriebe beschäftigt ist. Die Beiträge entrichtet
ausschließlich die Dienstherrschaft, nicht das G. -
Der Invaliditäts- und Altersversicherung
ist das G. in vollem Umfange, ebenso wie alle an-
dern Personen der arbeitenden Klassen, kraft ge-
setzlichen Zwanges immer unterworfen (§. 1 des
Invaliditätsgesetzes), und zwar hat die Dienstherr-
schaft die Versicherungsbeiträge selbst zu entrichten;
sie ist aber kraft Gesetzes (ß. 19, Absatz 2; §. 109,
Absatz 3 des Invaliditätsgesetzev) berechtigt, bei der
Lohnzahlung die Hälfte dieser Beiträge den Dienst-
boten vom Lobne einzubehalten, und die Dienst-
boten sind verpflichtet, den Abzug diefer ihnen traft
Gesetzes zufallenden Beiträge sich gefallen zu lassen.
lS. auch Arbeitgeber.) Die Versicherung richtet sich
nicht nach der thatsächlichen Höhe des Lohnes, son-
dern nach dem für den Dienstort auf Grund des
Krankenversicherungsgesetzes allgemein festgesetzten
ortsüblichen Tagelohn gewöhnlicher (männlicher
bez. weiblicher) Tagearbeiter. sGesinde.
Gefindekrankenkassen, Gesindemskler, s.
Gesindeordnuttgell, gesetzliche Verordnungen,
die das Verhältnis zwischen Herrschaft und Ge-
sinde (s. d.) in Bezug auf die gegenseitigen Ver-
pflichtungen und Rechte bestimmen. Für die preuß.
Provinzen, in denen das Allgemeine Landrecht
gilt, ist die Gesindeordnnng vom 8. Nov. 1810,
für die Nheinprovinz die vom 19. Aug. 1844 er-
lassen. Neuere G. sind u. a. die für Baden vom
18. Febr. 1868, für Bremen vom 25. Febr. 1868,
für Hessen vom 25. April 1877, für Sachfen vom
2. Mai 1892. In Österreich gelten lokale und
provinzielle G. Die Schweiz hat das Dienstboten-
verhältnis grundsätzlich dem Dienst(miet-)vertrag
unterstellt (Öbligationenrecht §. 344). Der Entwurf
eines Einführungsgesetzes zum Deutschen Bürgerl.
Gesetzbuch Art. 46 will die landesgesetzlichen Vor-
schriften, welche dem Gesinderecht angehören, unbe-
schadet einzelner Vorschriften des Bürgerl. Gesetz-
duchs, aufrechterhalten. Der Gesindevertrag wird
nach altem deutschen Recht mündlich oder durch
Geben und Nehmen des Mietgeldes geschlossen.
Daran haben die meisten G. festgehalten. Sie
gehen darin auseinander, ob das Mietgeld anf
den Lohn anzurechnen sei. Minderjährige Dienst-
boten bedürfen der Zustimmung des Vormunds
oder Vaters, Ehefrauen der des Ehemanns; doch
wird in Preußen und Sachsen die einmal erteilte
Genehmigung als ein für allemal erteilt an-
gefehen, wenn sie nicht ausdrücklich nur für einen
einzelnen Fall oder für eine bestimmte Zeit ge-
geben ist. Minderjährige, welche sich mit Geneh-
migung ihrer Eltern außerhalb des Hauses befin-
den und ihr Fortkommen selbst haben suchen müssen,
bedürfen in Sachfen keiner Einwilligung ihrer ge-
setzlichen Vertreter znr Vermietung. Der Dienst-
bote hat sich mit einem von der Polizeibehörde aus-
zustellenden Gesindebuch zu versehen. Bei dem An-
tritt eines neuen Dienstes hat der Dienstbote die
Entlassung aus dem bisherigen Dienste nachzu-
weisen. Das weibliche Dienstpersonal zu mieten,
ist die Ehefrau legitimiert, vorbehaltlich eines Kün-
digungsrechtes des Ehemanns. Über die Zeit des
Dienstantritts und die Dauer des Mißverhältnisses
entscheidet der Vertrag, und wenn dieser nickts be-
stimmt, Ortsgebrauch oder das Gesetz. Ist der
Dienstvertrag auf Lebenszeit (oder nach Schweizer
Obligationenrecht auf eine die Lebensdauer des
Dienstboten voraussichtlich überschreitende Zeitfrist)
oder nach dem Deutschen Entwurf auf länger als
10 Jahre abgeschlossen, so kann der Dienstbote das
Verhältnis kündigen (nach dem Deutschen Entwurf
aber erst nach 10 Jahren). Die Kündigungsfrist
beträgt 6 Monate sSchweizer Obligationenrecht
Art. 345; Deutscher Entwurf §. 564). Nach andern
Gesetzen kann ein auf längere Zeit geschlossener Ver-
trag von jedem Teile gekündigt werden. Ein über
die ursprüngliche Mietzeit hinaus fortgesetzter Miet-
vertrag gilt als prolongiert. In der Schweiz gelten
die ersten 2 Wochen für beide Teile als Probezeit,
innerhalb welcher jedem Auslösung des Verhält-
nisses nach dreitä'gigerKündigung freisteht (Art.344).
Weigert sich das Gesinde den Dienst anzutreten, so
kann es nach den meisten Gesetzen polizeilich zwangs-
weise zugeführt werden und ist schadenersatzpflichtig,
nach einigen Gesetzen auch strafbar. Die Herrschaft
ist im Falle widerrechtlicher Weigerung oder vor-
zeitiger Entlassung verpflichtet, den Lohn zuzahlen
und wegen Kost und Wohnung zu entschädigen.
Aus wichtigen Gründen kann jeder Teil vor Ablauf