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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gewerbeordnung - Gewerbeschulen
reichische Museum für Kunst und Industrie zu Wien,
1867 das Kunstgewerbemuseum zu Berlin. Später
traten eine ganze Reihe deutscher, gewöhnlich mit
Kunstgewerdeschulen (s. d.) verbundener Kunstge-
werbemuseen hinzu. Wien erhielt 1880 ein in großem
Maßstab angelegtes Technologisches G., das die
ursprüngliche Ausgabe des Pariser ^on^rvkwire
wieder in erste Linie stellt, in Sektionen sür Holz-
indnstrie, sür chem. Gewerbe, sür Metallindustrie
und Elektrotechnik zerfällt, auch mit Lehrkursen und
Versuchsstationen verbunden ist. -Vgl. Dumreicker,
Über den franz. Nationalwohlstand als Werk der
Erziehung (Wien 1879); Grothe, Die technischen
Fachschulen in Europa und Amerika (in den "Ver-
handlungen des Vereins zur Beförderung des Ge-
werbfleißes", 1882); Mitteilungen des k. k. techno-
logischen G. in Wien (Zeitschrift, seit 1883).
Gewerbeordnung nennt man im Deutschen
Reiche (früher auch in mehrern Einzelstaaten) nnd
in Asterreich das Gesetz, das die gesamten ans den
Gewerbebetrieb sich beziehenden gesetzlichen Verord-
nungen zusammenfaßt. In andern Ländern, na-
mentlich in England und Frankreich, sind solche
Kodifikationen nicht vorhanden, sondern die gewerbe-
polit. und -polizeilichen Vorschriften finden sich in
vielen Gesetzen zerstreut. Doch giebt es auch in
Deutschland neben der G. noch verschiedene nicht in
der G. enthaltene Gesetze von gewerbepolit. Cha-
rakter, wie das Gesetz über die Hastpflicht der Fabri-
tanten bei Unfällen, Krankenversicherung, Alters-
versicherung u. a. (S. Gewerbegesetzgebung.)
Gewerbepolizei, diejenige staatliche Thätigkeit,
welche die Aufsicht über den Gewerbebetrieb der
Unterthanen zum Zwecke hat. Eine G. im engern
Sinne war nicht erforderlich, solange die Organi-
sation des Gewerbebetriebes in der Form der In-
nungen (s. d.) durch den Staat selbst erfolgte. Mit
der Einführung der Gewerbefreiheit (s. d.) wurde
aber auch eine staatliche G. nötig, soweit Gewerbe in
Frage stehen, anf deren Beaufsichtigung in lokaler
oder in persönlicher oder in sachlicher Beziehung der
Staat im allgemeinen Interesse nicht verzichten
kann. (S. Gewerbegesctzgebung.) - Vgl. Seydel,
Gewerbepolizeirecht (Lpz. 1^81)'.
Gewerberat, s. Fabrikinspektor und Handels-
nnd Gewerbekammern.
Gewerbeschein (frz. M6ute), eine Bescheini-
gung über die Berechtigung zu einem Gewerbe-
betrieb, an dessen jährliche Erneuerung sich die
Erhebnng einer Steuer knüpft. (S. Gewerbesteuer.)
In Preußen wird der G. seit 1820 nur noch für
den Gewerbebetrieb im Umherziehen verlangt.
Außerdem aber besteht für alle Gewerbtreibenden
dieser Gruppe in Deutschland nach der Reichs-
Gewerbeordnung die Verpflichtung, fich einen sog.
Wandergewerbes ch e i n zu verschaffen. Letzterer
hat einen überwiegend polizeilichen Charakter, jedoch
ist nicht ausgeschlossen, daß die einzelnen Staaten
für die Ausstellung desselben noch eine besondere
Gebühr erheben. (S. Gewerbegesetzgebung, Hausier-
handel, Hausiersteuer.)
Gewerbeschulen sollten der ursprünglichen
Absicht nach nur solche Lehranstalten genannt wer-
den, die eine für den Gewerbtreibenden geeignete
Fachbildung anstreben. Diese ursprüngliche Bedeu-
tung des Wortes ist jedoch nach vielfachen Schwan-
kungen erst in den letzten Jahren wieder die derr-
sckende geworden. Besonders in P reußen erlitt die
Bedeutung des Namens Gewerbeschule eigentüm-
liche Wandlungen, worin sich die Schwierigkeiten
widerspiegeln, die dem technischen Unterrichtswesen
in Deutschland gegenüber standen. Die älteste Ge-
werbeschule wurde 1817 zu Aachen gegründet, bald
folgten andere Städte, sodaß nach und nach etwa
30 Schulen dieser Art errichtet und nach dem von
Beuth 1820 entwickelten Plane aleichmäßig orga-
nisiert waren. Sie schlössen an die Voltsschulbildung
all und entsprachen nach Umfang und Methode
ihres Unterrichts etwa den heutigen Gewerbliche n
Fortbildungsschulen (s. d.). Aber die wachsen-
den Ansprüche der Technik veränderten allmäbliä)
den Eharakter dieser Schulen, vor allem den der Ber-
liner, die sich allmählich zur Gewerbeatademie
(s. d.) entwickelte. Den G. erwuchs hierdurch die
Doppelaufgabe, teils wie bisher eine abgeschlossene
technische Bildung zu gewähren, teils sür das ge-
nannte Berliner Gewerbe-Institut vorzubereiten, ein
Zustand, der in der Reorganisation der G. von 1850
zum Ausdruck gelangte. Indem dann die Berliner
Anstalt sich mehr und mehr zur Hochschule ent-
wickelte, überwog bei den Provinzialgewerbeschulen
bald die zweite der ihnen gestellten Aufgaben; sie
wurden hauptsächlich als Vorbereitungsanstalten
für die höhere Ausbildung besucht, d. h. sie traten
in Konkurrenz mit den Schulen allgemeiner Bil-
dung, insbesondere mit den Realschulen. Eine aber-
malige Reorganisation der G. 1870 erhöhte die
Ansprüche bei der Aufnahme und versuchte, die
Schulen in ihrer Oberklasse so zu gabeln, daß der
eine Zweig für die technische Hochschule vorbereiten,
der andere eine abgeschlossene technische Fachbildung
mittlerer Stufe gewähren sollte. Dieser Versuch
wurde bereits 1878 als verfehlt verlassen und die
Umwandlung der G. entweder in neunklassige,
später Oberrealschulen genannte Lehranstalten oder
in sechsklassige höhere Bürger- und Realschulen
angebahnt. "Als technische Fachschulen mittlerer
Stufe wirken diese Anstalten nur dann, wenn sich
an die oberste Klasse der Realschulen oder an die
Untersekunda der Oberrealschulen technische Fach-
klassen anschließen, was nur in Vreslau, Gleiwitz,
Barmen, Hagen und Aachen der Fall ist. Diesen An-
stalten schließt sich in ihrer Organisation die elsaß-
lothr. Gewerbeschule zu Mülhausen an.
Auch Bayern besaß von 1833 an verhältnis-
mäßig zahlreiche G., von denen einige zu Industrie-
schulen (s. d.) umgewandelt worden sind, während
andere den Namen Realschule erhielten.
Dagegen ist die 1830 gegründete Gewerbeschule
Sachsens in Chemnitz, die seit 1862 als Höhere
Gewerbeschule bezeichnet wird, ihrem ursprüng-
lichen Zwecke als technische Fachbildungsanstalt treu
geblieben. Sie bildet in drei Abteilungen für mechan.
Technik, für chem. Technik und für das Baufach
vor, verlangt bei der Aufnahme eine etwa der Frei-
willigenberechtigung entsprechende Schulbildung,
von Vauschülcrn auch praktische Vorbereitung, un-
terrichtet in ^/..jährigem Kurs in deutscher Sprache,
Zeichnen, Mathematik und Naturwissenschaften,
Bau-und Maschinentechnik, Technologie, Feldmessen,
Volkswirtschaftslehre, Kunstgeschichte, giebt auch
Gelegenheit zur Ausbildung in Sprachen, Geschichte
und Buchhalten. Sie giebt eine abgeschlossene tech-
nische Ausbildung, die für den Techniker der Privat-
praris als hinreichend betrachtet wird. Sie stellt
die höbere Stufe der technischen Mittelschule dar,
ist aber administrativ unter dem Gesamtnamen
"Technische Staatslehranstalten" verbunden mit