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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Giftbaum - Giftpflanzen

brechenden Arbeiten Orsilas (s. d.) und hat sich seitdem rasch, insbesondere durch die Einführung des Experiments in die toxikologische Forschung und durch die ausgedehnten Versuchsreihen zahlreicher Forscher, unter denen vorzugsweise Christison, Tardieu, Taylor, Sonnenschein, Husemann, Naunyn, L. Hermann u. a. zu nennen sind, zu einer selbständigen inhaltsreichen Wissenschaft entwickelt, welche nicht nur einen wichtigen Zweig der Heilkunde, insbesondere der gerichtlichen Medizin, darstellt, sondern auch vielfach auf die verwandten Disciplinen, auf Chemie, Physiologie und experimentelle Pathologie, fördernd und anregend gewirkt hat. Nach §. 229 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft, wer vorsätzlich einem andern, um dessen Gesundheit zu schädigen, G. oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wobei die Höhe des Strafmaßes sich nach der Schwere der Folgen der Vergiftung richtet. Über die gesetzlichen Beschränkungen des Handels mit G. s. Giftverkehr.

Litteratur. Orsila, Lehrbuch der Toxikologie (5. Aufl.; aus dem Französischen von Krupp, Braunschw. 1853); Husemann, Handbuch der Toxikologie (Berl. 1862-67); Tardieu, Die Vergiftungen in gerichtsärztlicher und klinischer Beziehung (deutsch von Theile und Ludwig, Erlangen 1868); Bandlin, Die G. und ihre Gegengifte (3 Bde., Bas. 1869-73); Dustos, Handbuch der angewandten gerichtlich-chem. Analyse der chem. G. (Lpz. 1873); L. Hermann, Lehrbuch der experimentalen Toxikologie (Berl. 1874); Mohr, Chem. Toxikologie (Braunschw. 1874); Dragendorff, Die gerichtlich-chem. Ermittelung von G. (3. Aufl., Gott. 1888); Hendeß, Allgemeine Giftlehre (Berl. 1880); Lewin, Lehrbuch der Toxikologie (Wien 1885); Casper-Liman, Handbuch der gerichtlichen Medizin (8. Aufl., Berl. 1889); Otto, Anleitung zur Ausmittelung bei gerichtlich-chem. Untersuchungen (6. Aufl., Braunschw. 1892).

Giftbaum von Java, s. Antiaris.

Giftbeere, s. Nicandra physaloides L.

Giftdrüsen, d. h. solche Drüsen, deren Sekret auf andern Organismen einen mehr oder weniger schädlichen Einfluß ausübt, finden sich bei zahlreichen Tieren. Schon die Nesselorgane der Nesseltiere (s. d.) sind mit einem giftigen Saft verbunden, ebenso die Stachel mancher See-Igel, die Mundbewaffnungen einiger Würmer. Sehr verbreitet sind sie bei Gliedertieren, stehen z. B. bei Tausendfüßern und Spinnen in Verbindung mit den Kiefern, bei Skorpionen mit dem Schwanzstachel; weiter finden sich auf dem Rücken mancher Tausendfüßer G., die unter Umständen ein der Blausäure ähnliches Sekret absondern. Die meisten Hautflügler (s. d.) haben im weiblichen Geschlecht oder als sog. Geschlechtslose mit Stacheln vereinigte G. Ebenso finden sie sich in der Haut mancher Käfer, z. B. der Spanischen Fliege (s. d.). Auch die Brennhaare vieler Spinnerraupen, z. B. des Prozessionsspinners (s. d.), hängen mit G. zusammen. Bei einzelnen Weichtieren, z. B. der Tonnenschnecke (s. d.), sondern die Speicheldrüsen ein Gift ab. Bei Fischen kommt es häufig vor, daß G. der Haut mit scharfen Stacheln an den Kiemendeckeln oder den Flossen, z. B. bei Scynanceia (s. d.), versehen sind. Bei Amphibien ist meist die ganze Haut voll kleiner G., die namentlich bei Baumfröschen des tropischen Amerikas ein sehr heftiges Gift produzieren. Unter den Reptilien finden sich G. bei den Giftschlangen (s. d.) und bei den Krustenechsen (s. Helodermatidae). Bei Säugetieren und Vögeln kommen keine G. vor, denn die Sporndrüse des Schnabeltiers (s. d.) ist keine Giftdrüse.

Gifteiche, s. Rhus.

Giftfang, Giftkammer, Giftturm, Kondensationsvorrichtungen, in denen sich die arsenige Säure beim Abrösten arsenikalischer Erze verdichtet.

Giftfische (Pisces toxiphori), s. Fischgift; vgl. auch Ichthyotoxin.

Giftgang, im Bergbau das gangförmige Vorkommen der Arsenikerze.

Giftheber, s Heber.

Gifthütten, metallurgische Anstalten zur Darstellung von Arsenikalien (weißer Arsenik, Schwefelarsen in Form von Realgar und Auripigment).

Giftkammer, s. Giftfang.

Giftkies, Bezeichnung sowohl für den Arsenikalkies (s. d.) als auch für den Arsenkies (s. d.).

Giftkugel, soviel wie Dampfkugel (s. d.). Auch nannte man G. eine Bleikugel, die Giftsubstanz in sich trug (ähnlich den vergifteten Pfeilen der Alten oder wilder Volksstämme).

Giftlattich, s. Lactuca.

Giftmehl (Rattengift) ist arsenige Säure (s. d.)

Giftmilbe, s. Saumzecken.

Giftmord, s. Vergiftung.

Giftpapier, gifthaltiges Fliegenpapier (s. d.).

Giftpflanzen, solche Pflanzen, die entweder in allen ihren Teilen oder in irgend einem derselben einen der Gesundheit des Menschen schädlichen Stoff enthalten. Die Wirkung der G. ist je nach den in ihnen vorhandenen giftigen Stoffen eine sehr verschiedenartige. Während von den einen schon ganz geringe Mengen, etwa eine Frucht oder ein Samenkorn, den Tod herbeiführen können, wird von andern, selbst wenn sie in größern Massen genossen werden, nur ein vorübergehendes Unwohlsein herbeigeführt. Die giftigen Stoffe, auch das giftige Princip genannt, sind bei einer großen Reihe von G. noch sehr ungenau bekannt; so weiß man z. B. über die in vielen Pilzen enthaltenen Stoffe nur sehr wenig, und auch von vielen andern G. kann man nur angeben, daß das giftige Princip ein Alkaloid oder dergleichen ist, dessen chem. Zusammensetzung aber noch nicht genügend untersucht wurde. Auch die Menge des in einer Giftpflanze vorhandenen Giftstoffs ist natürlich sehr verschieden, und demgemäß auch die Wirkung. Während das chemisch rein dargestellte Nicotin ein äußerst starkes Gift ist, kann doch der Tabak, der dasselbe in geringen Mengen enthält, im allgemeinen als ein unschädliches Genußmittel betrachtet werden; dasselbe gilt von vielen andern Gewächsen, die als Gewürzpflanzen, als Gemüse oder in anderer Weise den Menschen zur Nahrung dienen; so enthält sowohl Kaffee wie Thee einen sehr giftigen Stoff, auch in den Kartoffeln finden sich sehr geringe Mengen des äußerst schädlich wirkenden Solanins. Noch mehr gilt dies von manchen offizinellen Pflanzen, zu denen u. a. mehrere der giftigsten Gewächse, wie der Rote Fingerhut, Digitalis purpurea L. (s. Tafel: Giftpflanzen I, Fig. 3), die Tollkirsche, Atropa (s. d.) belladonna L. (s. Taf. II, Fig. I), das Bilsenkraut, Hyoscyamus (s. d.) niger L. (s. Taf. II, Fig. 3), der Stechapfel, Datura (s. d.) stramonium L. (s. Taf. II, Fig. 2), gehören.

Je nach der Wirkung der Giftstoffe kann man die G. einteilen in solche, die narkotische, und in solche, die ätzende oder scharfe Eigenschaften