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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Glossina morsitans – Glottisödem

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Glosse'

latinorum. Quaestiones de glossar. latin. fontibus, Lpz. 1876, und Glossae nominum, ebd. 1884). An Löwes (gest. 1883) Stelle trat G. Goetz in Jena, der drei weitere Bände (Bd. 2, Lpz. 1888; Bd. 4, 1889; Bd. 3, 1892) zum «Corpus glossarium latinorum» beigesteuert hat. Erst viel später wurde es üblich, unter G. oder Glossēm auch die Erklärung selbst zu verstehen. Im Mittelalter hießen G. einzelne Worte in der Landessprache, die, meist für den Bedarf der Klosterschule, erklärend zu schwierigen Worten der lat. Schriftsteller hinzugeschrieben wurden. Standen sie zwischen den Zeilen, so hießen sie Interlinearglossen (glossae interlineare), standen sie am Rande, Marginalglossen (glossae marginales). Ist jedes Wort eines Textes mit G. überschrieben, so entsteht eine Interlinearversion. Solche G. wurden auch alphabetisch oder sachlich zu Wörterbüchern geordnet. G. gehören zu den ältesten und wichtigsten altdeutschen Sprachdenkmälern; so namentlich die sog. Keronischen und Hrabanischen G. (Übersetzung eines lat. Wörterbuchs um 740) und der sachliche «Vocabularius libellus St. Galli» (um 760). – Vgl. Steinmeyer und Sievers, Die althochdeutschen G. (2 Bde., Berl. 1879 u. 1882).

In der Rechtswissenschaft hat G. eine besondere Bedeutung. Als im 11. Jahrh. in den Rechtsbüchern Justinians eine neue Quelle rechtlicher Kenntnisse und reichhaltiger, bestimmter Rechtsvorschriften gefunden worden war, bestanden die ersten wissenschaftlichen Bemühungen in der Erläuterung dieser Bücher durch Interlinear- oder Marginalglossen. Die eine bewundernswürdige Kenntnis des gesamten Inhalts des Corpus juris bezeugenden G. haben heute noch eine große Bedeutung, weil sie überall die Parallelstellen mitteilen. Der erste hervorragende Lehrer und Bearbeiter dieser Art war Irnerius, gest. vor 1140; seine nächsten und berühmtesten Nachfolger waren die vier Doktoren Bulgarus, Martinus Gosia, Hugo und Jacobus de Porta Ravennate. Accursius (s. d.) brachte die G. seiner Vorgänger in ein Ganzes (Glossa ordinaria), welches nun allgemein und ausschließend in Gebrauch kam. Diese G. ist auch in den glossierten Ausgaben des Corpus juris abgedruckt. Die Glossatoren gewannen ein solches Ansehen, daß diejenigen Stücke des röm. Rechts, welche sie nicht mit ihren Erläuterungen versahen, auch keine Gültigkeit hatten, nach dem Satze: «Quicquid non agnoscit glossa, nec agnoscit curia» («Was die G. nicht anerkennt, das erkennt auch das Gericht nicht an"). Nach Accursius gewann die formale Kasuistik der Scholastik Einfluß auf die Rechtswissenschaft (Postglossatoren), bis im 16. Jahrh. mit dem Aufblühen der humanistischen Studien wieder die philol.-archäol. Behandlung vorherrschend wurde. Wie das röm. Recht wurden auch andere Rechtsbücher des Mittelalters, das päpstl. Recht (decretum, decretales u. s. w.), die Lehnrechtsgewohnheiten (libri feudorum) und in Deutschland der «Sachsenspiegel» glossiert.

Glossina morsĭtans Westw., s. Tsetsé.

Glossitis (grch.), Zungenentzündung.

Glossocele (grch.) oder Makroglossie, Zungenvorfall (Prolapsus linguae), angeborene, seltener durch chronische Entzündungszustände erworbene Vergrößerung der Zunge, wobei die letztere nicht mehr genügenden Raum in der Mundhöhle findet, sondern als rundliche, trockne, an ihrer ↔ Oberfläche meist rissige oder selbst geschwürige Geschwulst mehr oder weniger weit aus dem Munde hervorragt und das Kauen, Schlingen und Sprechen außerordentlich erschwert. Die Krankheit, deren Ursachen gänzlich unbekannt sind, entwickelt sich bald rasch und unter periodischen Fiebererscheinungen, bald langsam und schleichend und kann nur auf operativem Wege (durch Abtragen des vorragenden Teils vermittelst des Messers oder der galvanokaustischen Schneideschlinge) beseitigt werden.

Glossodynie (grch.), Zungenschmerz.

Glossographen (grch.), Glossenschreiber, d. h. Sammler und Erklärer von Glossen.

Glossolalie (grch., «Zungenreden»), eine eigentümliche Erscheinung religiöser Verzückung in den ältesten Christengemeinden, nicht, wie die Darstellung des Lukas vom Pfingstfeste es sagenhaft ausschmückt (Apostelgesch. 2,1 fg.), ein wunderbares Reden in fremden, dem Redenden selbst unbekannten Sprachen, sondern, wie die Beschreibung des Paulus (besonders 1 Kor. 14) beweist, ein Reden in unverständlichen Lauten, wobei das wache Bewußtsein zurücktrat. Die älteste Christenheit sah in diesen ekstatischen Gebetslauten einen Hauptbeweis für das «Herabgekommensein» des Heiligen Geistes auf die Betenden, und rechnete die G. daher unter die Geistesgaben (s. d.), deren die Gläubigen gewürdigt worden seien. Späterhin trat die G. von selbst zurück. Doch traten ähnliche Erscheinungen noch bei den Kamisarden (s. d.) und Irvingianern (s. d.) hervor. – Vgl. Hilgenfeld, Die G. in der alten Kirche (Lpz. 1850).

Glossomantie (grch.), Wahrsagung aus der Beschaffenheit der Zunge.

Glossop, Stadt und Municipalborough in der engl. Grafschaft Derby, am Nordwestrande des High Peak, im Thale des Etherow, der zum Mersey geht, und an einer Nebenlinie der Strecke Manchester-Sheffield, hat (1891) 22414 E. G. ist Mittelpunkt der Baumwollindustrie der Gegend, außerdem wird Bleicherei, Tuchfabrikation, Färberei und Eisengießerei betrieben. Unweit davon liegen die großen, stufenförmig aufsteigenden Teiche, aus denen Manchester sein Wasser erhält.

Glossopharyngĕus nervus (lat.), Zungenschlundkopfnerv (s. Gehirn, Bd. 7, S. 678a; Geschmack, Bd. 7, S. 901a).

Glossoplegie (grch.), Zungenlähmung.

Glotterthäler, Wein, s. Denzlingen.

Glottik (grch.), Sprachwissenschaft (s. d.).

Glottis (grch.), die Stimmritze (s. Kehlkopf); auch das Mundstück der Oboe und des Fagotts.

Glottiskrampf, Stimmritzenkrampf, s. Kehlkopf (Krankheiten 6).

Glottisödem (grch., Stimmritzengeschwulst), die wassersüchtige oder entzündliche Anschwellung der Kehlkopfschleimhaut, insbesondere der falschen Stimmbänder und des Kehldeckels, wodurch der Eingang zum Kehlkopf außerordentlich verengt und hochgradige Atemnot oder selbst Erstickungsgefahr erzeugt wird. Das G., das sich bald ganz plötzlich, bald langsam und schleichend entwickelt, entsteht am häufigsten durch Verbrennung der Rachenschleimhaut (vermittelst heißer Flüssigkeiten, ätzender Säuren und Alkalien), durch Wespen- und Bienenstiche in der Mundhöhle, durch verschluckte Fremdkörper (Gräten, Knochensplitter u. dgl.) oder infolge geschwüriger Prozesse im Kehlkopf oder seiner nächsten Umgebung und erfordert bei eintretender Erstickungs-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 86.