Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Goldschmiedekunst'
locken (s. d.) u. a. hinzu kamen. Mit dem Streben nach Einfachheit, welches die zweite Hälfte des 18. Jahrh.
beherrschte, verschwanden die meisten Kunstformen, um schlichten Goldmassen Raum zu geben. In neuerer Zeit giebt man dem Geschmeide wieder die
reichen Formen und Schmuckarten früherer Zeiten.
Wie die G. gegen früher sich wesentlich verändert hat, so sind auch die Sitze der Fabrikation heute ganz andere geworden. Nürnberg und Augsburg, im 16.
und 17. Jahrh. die wichtigsten Plätze für die G. in Europa, sind außer Frage gekommen. Bis zur Mitte des 19. Jahrh. ging Paris in allen Zweigen der G.
unbedingt voran. Gegenwärtig ist eine Reform der G. im Gange, die an verschiedenen Orten verschiedene Wege einschlägt. Am Niederrhein, z. B. in Köln,
Aachen, Trier, hat man eine Reform der kirchlichen Geräte nach dem Muster der mittelalterlichen Vorbilder begonnen; Wien, Berlin, Brüssel, Mecheln,
München und jetzt auch Lyon und Paris sind in allen bessern Arbeiten gefolgt. In England herrscht in großen Silberarbeiten ein gesunder Naturalismus, auch
seine sehr bedeutenden Bijouteriearbeiten ahmen keinen Stil nach, sondern folgen einer ganz modernen Richtung. Die Berliner G. machte sehr zu ihrem
Vorteil in den achtziger Jahren eine Schwenkung von dem antikisierenden Stil zu Renaissanceformen. Ebenso ist man in Paris, Wien, München, Frankfurt a.
M., Dresden, Nürnberg mehr auf die Formen der deutschen Renaissance zurückgegangen (s. Taf. II,
Fig. 3, 5 u. 8). Höchst ausgezeichnete Leistungen im Renaissancestil zeigte die franz. Arbeit (insbesondere das Haus Bapst+Falize) auf der Pariser
Weltausstellung von 1889. Sehr schön sind die Imitationen antiken Schmucks, wie sie in Italien (Rom und Neapel) zuerst durch die Castellani geschaffen
wurden. Italien hat übrigens noch andere Specialitäten im Schmuck, so die kleinen, in antiker Art gefaßten Mosaiktäfelchen nach röm. und florentin. Art;
sodann die aus dem nationalen Schmuck wieder zum Handelsartikel gewordene Filigranarbeit (s. d.). In Norwegen (Kristiania) versucht
man Gleiches mit dem nationalen Schmuck des Landes. Auch in den übrigen europ. Ländern, in Schweden (s.
Taf. II, Fig. 7), Spanien, Rußland hat man in neuester Zeit versucht, sich einen eigenen Stil zu
schaffen. Zu den europ. Arbeiten und Stilarten sind auch die des Orients, besonders Indiens, gekommen. Reizende Silbergefäße in schlanken Formen,
ganz mit getriebenen zierlichen Arabesken und Blumen überdeckt, kommen aus dem Pandschab; Goldtauschierarbeit wird zu Schmuck und Gerät benutzt;
durchscheinendes Schmelz von höchster Schönheit steht noch in reicher Übung (Hauptort Dschaipur); vor allem aber wissen die Juweliere aus der
Zusammensetzung der Steine, aus der Erhöhung ihres Glanzes durch Folie, aus Mitbenutzung von Gold und Email die herrlichsten Effekte zu erzielen.
Außerordentlich ist jetzt der Einfluß Japans, welcher durch seine technische Meisterschaft und den Reichtum seiner Schmuckarten zunächst auf
Nordamerika (Tiffany in Neuyork), dann über England und Frankreich auch auf die deutsche G. bestimmend einwirkte.
In Deutschland blüht die G., außer in Frankfurt a. M., Stuttgart, Berlin und Thüringen, vorzugsweise in Pforzheim, Hanau und Schwäbisch-Gmünd. Hanau
liefert vorzugsweise feinste und in Bezug auf den Metallgehalt nahezu ausschließlich echte Goldschmiedearbeiten, Pforzheim neben feinsten und
gediegensten Bijouterien in großen Mengen billigere ↔ Massenartikel, Gmünd vorzugsweise, feinere Goldartikel nicht ausgeschlossen,
Silberbijouterie und unechte Bijouterie. Der Absatz dieser drei Plätze erstreckt sich nach allen Ländern der Erde, nach Südamerika und Ostindien, Borneo,
Java, Hinterindien, wo die dortigen Fürsten gute Abnehmer der deutschen Schmuckwaren sind. (S. Goldwaren, S. 141a.)
Vgl. Boué, Traité d’orfèvrerie etc. (2 Bde., Par. 1832); Castellani,
Della oreficeria antica (Flor. 1862); Cellinis Abhandlungen über die G. (deutsch von Brinkmann, Lpz. 1867); Castellani,
Della oreficeria italiana (Rom 1872); Theophilus, Diversarum artium schedula
(übersetzt von Ilg, in den «Quellenschriften für Kunstgeschichte», Bd. 7, Wien 1874); Wagner, Gold, Silber und Edelsteine (ebd. 1881); Kulmer,
Handbuch für Gold- und Silberarbeiter und Juweliere (2. Aufl., Weim. 1887); Luthmer, Gold und Silber (Lpz. 1888); M. Rosenberg, Der Goldschmiede
Merkzeichen (Frankf. a. M. 1890); Ris-Paquot,
Dictionnaire des poinçons, symboles, signes figuratifs, marques et monogrammes des orfèvres (Par. 1890);
Hefner-Alteneck, Deutsche Goldschmiedewerke des 16. Jahrh. (Frankf. 1890).
Goldschmiedschulen, Fachschulen, die in erster Linie den Zweck verfolgen, auf den künstlerischen Sinn der Goldarbeiter
fördernd einzuwirken. Die königlich preuß. Zeichenakademie zu Hanau hat sich aus der bereits 1772 zum Zwecke der
Hebung der örtlichen Juwelier- und Edelmetallindustrie gegründeten Anstalt entwickelt und ist seit 1889 ausschließlich wieder dieser ihrer ursprünglichen
Bestimmung in vollem Umfang zurückgegeben worden. Der erste vorbereitende Unterricht im Zeichnen findet gemeinsam statt, der weitere Unterricht im
Zeichnen, Modellieren und den praktischen Arbeiten wird für Goldschmiede, Juweliere und Goldgraveure einerseits und für Silberschmiede, Ciseleure und
Stahlgraveure andererseits getrennt weitergeführt. Beide Abteilungen besitzen besondere Werkstätten mit Schmelzöfen. Die Goldschmiede haben
besondern Unterricht im Bijouteriezeichnen, die Silberschmiede im Gefäßzeichnen und außerdem noch in Anatomie, Gewandlehre und Stillehre. Die
Gesamtzahl der Schüler beträgt etwa 430, davon etwa 50 eigentliche Tagesschüler; jeder Schüler muß mindestens zweimal wöchentlich je 3 Stunden am
Unterricht teilnehmen. Das Schulgeld beträgt für Ausländer 200 M. jährlich, für Vollschüler 50 M., für andere weniger. – Die Kunstgewerbeschule zu
Düsseldorf besitzt auch eine Fachklasse für Gold- und Silberarbeiter mit Unterricht im ornamentalen und
Fachzeichnen, im Treiben, Gravieren und Ciselieren. – Die Kunstgewerbeschule zu Pforzheim wurde 1877 eröffnet
und wird unterhalten vom Staat, der Stadt und einer Kunstgewerbschulstiftung. Sie wird von einem aus acht Personen bestehenden Aufsichtsrat geleitet, hat
einen dreijährigen Lehrgang und gewährt gegen ein Schulgeld von 16 bis 24 M. pro Jahr Unterricht im Freihand-, Figuren- und Architekturzeichnen,
Perspektive, Schattenlehre, ornamentale Formenlehre, Farbenübungen, Modellieren, Gravieren, Ciselieren, Treiben und Galvanoplastik.
Aufnahmebedingung ist ein Alter von 16 Jahren und der vorhergehende zweijährige Besuch einer bad. Gewerbeschule. An der Schule wirken 1 Direktor
und 2 Hauptlehrer. Die Schülerzahl, welche etwa 130 beträgt, ist im Zunehmen begriffen. – Die Fortbildungsschule zu
Schwäbisch-Gmünd besitzt ebenfalls eine Abteilung für die daselbst zahlreich
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 138.