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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Grabstele – Gracchus

Grabstele, s. Stele.

Grabstichel, ein dem Meißel (s. d.) ähnliches Werkzeug, jedoch mit hölzernem Handgriff versehen und fast immer unmittelbar von Hand (nicht durch Hammerschläge, wie der Meißel) bewegt. Es dient zum Einarbeiten von Verzierungen, Inschriften u.dgl.m. auf Metalloberflächen durch Wegnahme von Spänchen (s. Gravieren). Die Form der Schneide des G. entspricht den besondern Zwecken.

Grabstichelmanier, s. Kupferstechkunst.

Grabwespen, Mordwespen (Sphegidae), eine Familie der stacheltragenden Hautflügler mit Arten von sehr verschiedener Größe (wenige Millimeter bis mehrere Centimeter), die entweder einfarbig schwarz sind oder auf schwarzem Grunde gelbe, seltener weiße oder rote Zeichnungen tragen. Sie sind meist gedrungen gebaut, besonders Kopf und Oberkiefer kräftig entwickelt. Gesellig lebende Arten, wie bei Bienen, Faltenwespen und Ameisen, kommen nicht vor, vielmehr höhlt jedes Weibchen in sandiger Erde oder in altem Holze eine Röhre aus, in die das Weibchen Insekten, Insektenlarven oder Spinnen einträgt, die durch einen Stich gelähmt, aber nicht getötet wurden, sodaß sie, ohne sich bewegen zu können, weiter leben. An eins der eingetragenen Tiere wird das Ei gelegt und dann der Bau verschlossen. Die aus dem Ei ausschlüpfende fußlose Larve verzehrt nacheinander die von der Wespe eingetragenen Beutestücke und verpuppt sich dann in der Röhre, nachdem sie sich mit einem Gespinst umgeben hat. Man kennt etwa anderthalb Tausend Arten der besonders in den wärmern Gegenden zahlreich vorkommenden G. Die meisten machen sich durch Vertilgung schädlicher Insekten nützlich; schädlich ist der Bienenwolf (s. d.), der Honigbienen für seine Brut einträgt.

Graeca fides (lat.), griechische Treue, sprichwörtlich für Wortbrüchigteit, weil die Griechen für meineidig galten. Dieselbe Bedeutung hat fides Punica, punische, d. i. karthaginiensische Treue.

Gračanica (spr. -tschaniza), Hauptstadt des Bezirks G. (636,48 qkm, 43 Gemeinden, 46 Ortschaften, 25747 E.) im bosn. Kreis Dolnja Tuzla, im Thale der zur Bosna gehenden Spreča und an der Linie Doboj-Siminhan (Schmalspurbahn) der Bosn.-Herzegowin. Staatsbahnen, hat (1885) 3350 meist mohammed. E., darunter 601 Griechisch-Orientalische und je 55 Katholiken und Israeliten, Post, Telegraph und sechs Moscheen.

Graeca sunt, non leguntur (lat., «es ist griechisch, wird nicht gelesen»), im Mittelalter bei den Lehrern, die selten griechisch verstanden, der übliche Ausdruck, wenn sie bei ihren Vorlesungen auf eine griech. Stelle kamen und diese übersprangen; daher im weitern Sinne Bezeichnung für etwas, das man als zu schwierig beiseite läßt.

Gracchus, Tiberius und Gajus Sempronius, zwei Brüder, deren auf die Reform des röm. Staates gerichtete Bestrebungen in der röm. Verfassungsgeschichte von hoher Wichtigkeit sind. Mit den durch ihre Gesetzvorschläge (Leges Semproniae) veranlaßten sog. Gracchischen Unruhen beginnt der Kampf zwischen den Parteien der Optimaten und der Populären, durch welchen die Auflösung der Republik und nach einem Jahrhundert ihr Übergang in die Monarchie herbeigeführt wurde. Die Gracchen gehörten dem alten und vornehmen, wenn auch plebejischen Geschlechte der Sempronier (s. d.) an. Ihr Vater, Tiberius Sempronius G., ein im Kriegs- ↔ und Staatsleben tüchtiger, streng konservativer Mann, der das Konsulat zweimal und einmal die Censur bekleidet hatte, der wegen seiner Siege über die Iberer und Sardinier zweimal triumphieren durfte, war, als sie noch jung waren, gestorben; ihre Mutter Cornelia (s. d.), die Tochter des Publius Cornelius Scipio Africanus des Ältern, eine hochbedeutende Frau, bildete durch sorgfältige Erziehung die Gemüts- und Geistesanlagen ihrer Söhne aus.

Tiberius Sempronius G., der ältere von diesen (geb. 163 v.Chr.), that seine ersten Kriegsdienste als 16jähriger Jüngling unter dem Gatten seiner Schwester, Publius Cornelius Scipio dem Jüngern, im Kriege gegen Karthago (147) und begleitete 137 als Quästor den Lucius Hostilius Mancinus bei dessen unglücklicher Unternehmung gegen Numantia. Bald nach seiner Rückkehr faßte er den von seinem Schwiegervater Appius Claudius und einigen andern edlen Männern der Nobilität gebilligten Plan, dem Mißverhältnis zwischen Reichen und Armen und damit einem Hauptgebrechen des Staates dadurch entgegenzuwirken, daß die Zahl freier Grundbesitzer wieder vermehrt und so zugleich der Ackerbau in Italien wieder emporgebracht würde. Deshalb trat er 133 als Volkstribun mit seinem Gesetzvorschlag, der im wesentlichen eine Erneuerung des alten, längst vergessenen Gesetzes des Lucius Licinius Stolo von 376 (s. Agrargesetzgebung, Bd. 1, S. 219b) war, hervor: Niemand solle mehr als 500 Morgen vom röm. Staatsland (ager publicus) besitzen, doch sollten für jeden Haussohn noch 250, im ganzen aber einer Familie nicht über 1000 Morgen gestattet sein; was über dieses Maß hinaus im Besitz einzelner sei, solle ihnen, gegen Entschädigung für die auf den Anbau verwendeten Ausgaben, entzogen, in Parzellen von je 30 Morgen geteilt und den ärmern Bürgern als unveräußerliches Eigentum (also eine Art Erbpacht) gegen eine mäßige Abgabe zugewiesen werden. Obwohl dieses Gesetz kein Privateigentum verletzte, sondern nur auf den Ager publicus sich bezog, d.h. das Land, welches vom Staate dem Besitz einzelner, aber unter stetem Vorbehalt des Eigentums, überlassen worden war, so erregte es doch den heftigsten Widerstand der Optimaten, welche große Strecken Staatslandes, die sie durch ihre Sklaven bebauen ließen, an sich gebracht hatten. Nur durch eine Verletzung der gesetzlichen Formen, indem er seinen Amtsgenossen Marcus Octavius, der, von den Optimaten bestochen, sein Veto gegen den Gesetzvorschlag einlegte, durch das Volk seines Amtes entsetzen ließ, vermochte Tiberius G. den Sieg zu erringen. Das Gesetz ging jetzt sogar in einer für die Patricier härtern Form durch; mit seiner Ausführung wurden Tiberius und Gajus G. und Appius Claudius beauftragt. Da sich aber Tiberius nun, dem gesetzlichen Herkommen zuwider, auch für das nächste Jahr ums Tribunat bewarb und neue populäre Gesetzvorschläge vorbereitete, brach der Haß der Optimaten in offene Gewaltthat aus. Nachdem der Konsul Publius Mucius Scävola sich geweigert hatte, den G., den man des Strebens nach der königl. Gewalt beschuldigte, sofort töten zu lassen, folgten am Tage der Tribunenwahl die versammelten Senatoren dem Aufruf des Pontifex Maximus Publius Scipio Nasica und stürmten, mit Knütteln bewaffnet, auf die Gegenpartei los. Im Handgemenge wurde Tiberius G. am Abhange des Kapitols mit 300 seiner Anhänger erschlagen; sein Leich-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 229.