Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'
vertagt. Bei ihrem Wiederzusammentritt 5. Nov. legte Trikupis die Finanzlage dar und verlangte die Erhöhung mehrerer Steuern und die
Einführung neuer Zölle, um das Gleichgewicht des Budgets herzustellen. Die von der Opposition 16. Nov. verlangte Vorlegung der
diplomat. Korrespondenz während der über G. verhängten Blockade verweigerte Trikupis und stellte die Kabinettsfrage, worauf die
Opposition den Saal verließ. Darauf wurde die Kammer 18. Nov. aufgelöst und die Neuwahlen auf 16. Jan. 1887 festgesetzt, die das
Ergebnis hatten, daß 100 Anhänger der Regierung und 50 Oppositionelle, darunter Delijannis, gewählt wurden. Die Kammer genehmigte
23. März die Erhöhung der Tabaksteuer und sprach 9. April mit 77 gegen 38 Stimmen ihre grundsätzliche Zustimmung zu der Finanzpolitik
des Ministeriums aus. Unter den andern in derselben Session genehmigten Gesetzen sind die Handelsverträge mit England und Österreich
sowie der Vertrag mit Frankreich behufs Ausgrabungen in Delphi zu erwähnen. Nicht ohne heftige Debatten kam 3. Juni das Gesetz zu
stande, wodurch der Dienst der königl. Prinzen in der Armee geregelt und dem Kronprinzen eine jährliche Civilrente von 200000 Drachmen
nebst der Abtretung von ausgedehnten gegen 72000 Drachmen jährlich eintragenden Walddomänen in Achaia bewilligt wurde. Bald darauf
schloß Trikupis vermöge der von der Kammer bewilligten Vorlagen mit der Pariser Banque d’Escompte
eine neue Anleihe von 135000000 Frs. Die allmähliche Regelung der Finanzen durch die erhöhten Steuern und Einfuhrzölle und die
wiederholten ausländischen Anleihen der letzten Jahre ermöglichten es indessen, daß außer dem Bau von 3 Panzerschiffen mehrere
öffentliche Arbeiten vorgenommen werden konnten. So wurden denn, meistens durch Unterstützung der Regierung, allmählich zwischen
1885 und 1893 mehrere Eisenbahnnetze in Attika, Akarnanien, Peloponnesos und Thessalien gebaut; andere, speciell die Linie
Peiraieus-Larissa, sind im Bau begriffen. (S. Griechische Eisenbahnen.)
Die Kammer trat 5. Nov. 1887 wieder zusammen und genehmigte eine provisorische Anleihe bei den einheimischen Banken zur Zahlung
der im Dezember fälligen Coupons der ausländischen Anleihen. Schon seit einiger Zeit hatte die Opposition angefangen, durch
Obstruktion der Thätigkeit der Kammer Hindernisse zu bereiten. Als sie bei der Budgetberatung 14. Dez. Aufschub verlangte und diese
Forderung von der Majorität abgelehnt wurde, beschloß sie den Rücktritt in corpore. Die
Regierungspartei tagte noch einige Tage weiter und bewilligte den Handelsvertrag mit Frankreich und mehrere Gesetze, worunter die
Bildung einer speciellen Volksschulenkasse und andere auf den Unterricht und die Armee bezügliche Vorlagen.
Anfang Nov. 1888 wurde das fünfundzwanzigjährige Regierungsjubiläum des Königs gefeiert; die Gegenwart von mehrern fürstl. Gästen
und Vertretern der auswärtigen Höfe sowie das Einlaufen der Flotten der Mächte erhöhten den Glanz der Feierlichkeiten, bei denen sich
die Liebe und Anerkennung des Volks für die in der verflossenen fünfundzwanzigjährigen Periode errungenen geistigen und materiellen
Fortschritte kundgab. Überdies erhielt die Dynastie noch eine neue Stütze durch die um dieselbe Zeit erfolgende Verlobung des
Kronprinzen Konstantin mit der Prinzessin Sophie, der Schwester ↔ des Deutschen Kaisers Wilhelm II. Die Vermählung
fand 27. Okt. 1889 statt.
Die königl. Rede bei der Eröffnung der Kammer 27. Okt. kündigte mehrere Vorlagen zur Hebung des materiellen Wohlstandes des Landes
an. Das für 1889 vorgelegte Budget summierte die Einnahmen auf 96449453 Drachmen, die Ausgaben auf 96410337 Drachmen. Die
Kammer beschäftigte sich in dieser Session hauptsächlich mit finanziellen Maßregeln, und, indem sie 5. Dez. ihr Vertrauen auf die
Finanzpolitik der Regierung aussprach, nahm sie deren Vorschläge, wodurch ältere Anleihen in konsolidierte Renten verwandelt wurden,
an. Die heftigsten Debatten verursachte das Gesetz über die Aufhebung der Durchgangszölle auf den National- und Provinzialstraßen und
deren Ersetzung durch erhöhte Gewerbesteuer der Wagen- und Karrenkutscher. Am 31. Mai 1889 wurde den von der Kammer schon
früher bewilligten Vorlagen zufolge eine ausländische Anleihe von 5000000 Pfd. St. abgeschlossen, welche zur Konsolidierung von ältern
Anleihen und zum Eisenbahnbau dienen sollte.
Im Sommer 1889 wurde G. wieder durch die Lage der Dinge auf Kreta (s. d.) beunruhigt, wo Streitigkeiten zwischen
Christen und Mohammedanern zu offenem Aufstand gegen die Pforte geführt hatten. Es war zur Bildung einer aufständischen
Versammlung und zur Weigerung der Zahlung jeder Abgabe gekommen; bald wurde die Ernennung eines griech. und griech.-kath.
Gouverneurs, bald die Vereinigung mit G. verlangt. Dem gegenüber beobachtete die griech. Regierung eine einsichtsvolle Zurückhaltung,
ermahnte zur Ruhe und befürwortete nur auf diplomat. Wege durch eine Note vom 5. Aug. die Abstellung der kretischen Beschwerden. Da
die Großmächte sich nicht geneigt zeigten, zu Gunsten der Kretenser einzuschreiten, sah sich auch G. zu einer zurückhaltenden Politik
gezwungen, die 11. Nov. die Billigung der Kammer fand. Diese war 21. Okt. zusammengetreten, und 16. Nov. führte Trikupis das Budget
für 1890 mit 93967000 Drachmen Einnahmen und 91081000 Drachmen Ausgaben ein. Eine 3. Dez. von Delijannis vorgeschlagene
Wiedereinführung der engern Verwaltungs- und Wahlbezirke scheiterte an dem Widerstand der Regierung. Am 13. Dez. bevollmächtigte
die Kammer die Regierung, eine Anleihe zum Zwecke der Konvertierung der alten Anleihen aus der Zeit des Befreiungskampfes
aufzunehmen. Von großer Tragweite waren die 16. Dez. vorgelegten, auf den Unterricht bezüglichen Gesetzentwürfe, die aber nach langer
Voruntersuchung durch die Obstruktion der Opposition 1890 nicht mehr zur Debatte kamen.
Bei den 26. Okt. 1890 stattfindenden Neuwahlen zur Kammer erlitt die Partei Trikupis eine völlige Niederlage, und Delijannis bildete 7. Nov.
ein neues Kabinett. In der Kammer zeigte sich bald, daß die frühere Opposition im Rausche des Sieges die überwundene Partei nicht zu
schonen geneigt war; rücksichtslos wurden bei der Wahlprüfung zahlreiche Mandate der Gegner annulliert. Dieses Verfahren der
Regierungspartei nötigte die Minorität 16. Dez. zum Austritt aus den Sitzungen, und in ihrer Abwesenheit wurde 30. Dez. der
Regierungskandidat Constantopulos (s. d.) zum Präsidenten gewählt. Die Kammer bewilligte dann sofort die
Wiedereinführung der engern Verwaltungs- und Wahlbezirke, die Aufhebung der von Trikupis eingeführten Er-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 344.