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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Grönland
gleich ein beträchtlicher Teil G.s außerhalb des Polarkreises liegt, ist das heutige Klima durchaus arktisch, überdies auf der Ostküste, die fast ganz von Eisbergen gesperrt, weit strenger als auf der Westküste. Die Extreme der Winterkälte und Sommerwärme gibt man auf letzterer im allgemeinen zu - 40 und + 15° C. an; im Innern beobachtete Nansen in der Nacht Temperaturen von -50° C., während er eines Tages gleichzeitig + 30° C. in der Sonne und - 11° im Schatten maß. Das Klima im Westen ist im wesentlichen ein Küstenklima, sehr abhängig von den Winden und dem Treibeis der Davisstraße und Baffinbai. Eine Folge der großen Temperaturunterschiede in verschiedenen Luftschichten sind die Luftspiegelungen; häufig sind auch Nordlichter, Ringe um Sonne und Mond, Nebensonnen u. s. w. Der Hauptabfluß des atmosphärischen Niederschlags im Innern geschieht durch Quellen, die unter dem Rande des Eises an den Stellen hervorkommen, wo dasselbe ans Meer reicht, sonst sind dauernde Quellen fast unbekannt. Pflanzen- und Tierwelt vermitteln zwischen Island-Skandinavien und Labrador-Canada. An einigen geborgenen Stellen in Südgrönland, besonders längs der Ränder der Fjorde, giebt es Wiesen und Weidengebüsche, im südlichsten Teile sogar Birkenbestände, sonst nur die niedern Gesträuche der Zwergbirke (Betula nana L) und Polarweiden, immergrüner Heidegewächse auf trocknem Boden, Moos- und Flechtenpolster mit Steinbrech, Draba, Ranunkeln u. s. w. in einer Gesamtzahl von 386 Blütenpflanzen und Formen. Diese bevölkern aber nur den Küstensaum; das gletschererfüllte Innere ist, abgesehen von einigen Oasen, völlig pflanzenleer. Der Pflanzenreichtum an arktischen Arten ist an der Westküste größer als im Osten und erreicht in der Breite des Polarkreises seine größte Zahl; merkwürdig hoch steigen viele Pflanzen an den Küstenbergen zwischen den dunkeln Blätterkrusten der Flechten hinauf. In den dän. Kolonien der Westküste ist noch spärlicher Gartenbau möglich, wo Kresse, Kohl, Rettich, Sellerie und ähnliches gedeiht; die Rauschbeere liefert Kompott. - Die Landfauna besteht aus sechs Säugetieren: nämlich aus drei nordamerik. Arten, davon ein Lemming (Myodus torquatus Wagn.), ein Hase (Lepus glacialis Erxl.) und der Moschusochse, und drei arktisch circumpolaren, dem Renntier, Eisfuchs und Eisbär. Landvögel finden sich 14, darunter 9 circumpolare, 3 amerikanische und 2 europäische. Hierzu gehören Seeadler, Falken (darunter der edle Jagdfalke), Pieper, Schneeammern, Schneefinken, Kolkrabe, Schneehühner u. s. w. Weit zahlreicher sind Schwimm- und Stelzvögel (49 Arten). Insektenarten sind 62 vorhanden, nämlich 11 Käfer, 9 Schmetterlinge, 2 Hummeln, 19 Fliegen, 7 Springschwänze, 9 parasitische Pelzfresser und Federläuse, 2 eigentliche Läuse und 2 Netzflügler. Spinnen finden sich auch in wenigen Arten, desgleichen Süßwasser- und Landmollusken (Pupa, Hyalina, Succinea, Vitrina, Limnaeus). Zahlreich sind die Seesäugetiere und Wasservögel, am zahlreichsten aber die Fische, welche mit dem Renntier, den Robben und Eidergänsen den Bewohnern hauptsächlich die Mittel der Existenz und die Ausfuhrprodukte liefern, als: Fischbein, Thran, Robben-,Fuchs-, Bären- und Renntierfelle, Eiderdunen, Narwalzähne u. s. w.
Bevölkerung. Die Grönländer, von den ersten norweg. Besuchern Skrälingar, d. h. Schwächlinge, genannt, sind ein Stamm der Familie der Eskimo (s. d.), mit der sie alle Eigentümlichkeiten teilen. Ihre Ansiedelungen finden sich an der Westküste bis Prudhoeland am Smithsund (78° 20' nördl. Br.), Reste fast bis zu 82°, an der Ostlüste bis 75° nördl. Br. Wie jene sind sie ein Jägervolk, das es nicht einmal bis zur Zähmung des Renntiers gebracht hat und größtenteils noch heidnisch ist. Nur in der Nähe der dän. Niederlassungen und soweit sich der Einfluß der Missionare erstreckt, sind sie Christen. Ihre Zahl beläuft sich auf etwa 10000 Seelen. Ihre Wohnungen bestehen im Winter in engen, steinernen, mit Erde bedeckten Hütten, im Sommer aus Zelten. Ihre Neigung für Tabak und Kaffee ist maßlos. Die Jagd auf See ist ihre Hauptbeschäftigung; weniger lieben sie die Fischerei. Es herrscht teilweiser Kommunismus.
Die 13 dän. Kolonien werden durch den Nord-Strömsfjord unter 67° 20^ nördl. Br. in die zwei Inspektorate von Süd- und Nordgrönland mit zusammen (1890) 10516 E., darunter etwa 300 Europäer, geteilt. Jede Kolonie steht unter einem Superintendenten mit Agenten oder Governoren und Handwerkern und wird nach ihrem Hauptort benannt. Außerdem giebt es eine Menge kleiner Handelsplätze oder Außenstellen zur Erleichterung des Warenaustausches mit den Grönländern. Das südl. Inspektorat umfaßt folgende fünf Kolonien: Julianehaab, vom Kap Farewell 280 km nordwärts, mit dem gleichnamigen Orte, und den herrnhutischen Missionsstationen Frederiksdal und Lichtenau, Frederikshaab, Godthaab am Baalsfjord mit Fiskernaes, der Brüdergemeine Lichtenfels und dem Missionsplatze Neu-Herrnhut, Sukkertoppen und Holstenborg. Das nördl. Inspektorat zerfällt in die sieben Kolonialdistrikte: Egedesminde mit dän. Missionsstätte, Christianshaab, Jakobshavn, Godhavn auf der Insel Disko, Ritenbenk, Umanak oder Omenak, reich an Steinkohlen, Graphit und Jagdprodukten, mit dän. Mission; Upernivik mit dän. Mission auf der Insel Upernivik, sowie Itivdliarsuk, dem nördlichsten bewohnten Punkte. Die jährlichen Einnahmen betragen gegen 660000, die Ausgaben 736000 Kronen. Die Ausfuhr: Thran, Eiderdunen, Stockfische, Walfisch- und Robbenspeck, Hai- und Dorschleber, Seehundsfelle, Walfischbarten und etwas Pelzwerk hatte 1891 einen Wert von 334800 Kronen; die Einfuhr: Schiffsbrot, Butter, Speck, Erbsen u. s. w. von 453600 Kronen. Nach Rink hat der Handel von 1790 bis 1875 einen Reingewinn von 160000 Pfd. St. ergeben. Besonders wertvoll ist der Kryolith. Der Handel, vorzugsweise Tauschhandel, wird seit 1774 von einer königl. Direktion zu Kopenhagen betrieben und liefert durchschnittlich im Jahre einen Überschuß von 30000 Reichsbankthalern. Anfang Oktober verlassen die letzten Schiffe G., und dann ist jeder Verkehr bis nächsten Juni völlig ausgeschlossen.
Entdeckungsgeschichte. Nachdem das Land wahrscheinlich in den ersten Decennien des 10. Jahrh. (nach früherer Annahme 877) von Gunnbjörn, dem Sohne des Ulfs kráka, einem auf der Fahrt nach Island weit nach Westen verschlagenen Seemann, gesehen worden war und Snaebjörn galti (zwischen 970 und) um 980 die Schären Gunnbjörns wieder aufgefunden und auf ihnen überwintert hatte, wurde es 983 von einem auf Island wegen Totschlags geächteten, ausgewanderten Norweger, Erik dem Roten, wirklich entdeckt. Derselbe landete an