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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handwerkerparlament - Handwerkertage
Beaufsichtigung durch die Gemeinden und Ma-
gistrate. Sie soll mit bestimmten obrigkeitlichen
Funktionen ausgestattet werden, z. B. als Rekurs-
instanz an Stelle des Civilaerichts fungieren, die
Entscheidung über die Verleihung der Vorrechte nach
H. 100° der Gewerbeordnung haben u. s. w.
Nach einem Erlaß des preuß. Ministers für Han-
del und Gewerbe vom 15. Aug. 1893 wird die obli-
gatorische Errichtung von Fachgenossenschaften und
H. für die Bezirke einer oder mehrerer Gemeinden
oder eines Kommunalverbandes geplant. Alle Ge-
werbetreibende des Bezirks, die regelmäßig nicht
mehr als 20 Arbeiter beschäftigen, würden zu-
ständig sein. Die Mitglieder, auf die Dauer von
2 bis 6 Jahren gewählt, müssen selbständige Ge-
werbetreibende sein; Gesellen und Gehilfen können
bei gewissen Angelegenheiten mit vollem Stimm-
recht zu den Sitzungen herangezogen werden. Die
Aufgaben würden teils obligatorische, teils fakul-
tative sein. Erstere z. B. würden bestehen in der
Erstattung von Gutachten über gewerbliche Fra-
gen, in Berichterstattung über die Lage des Hand-
werks, in der Aufsicht über die Durchführung
der für die Ausbildung und die Behandlung der
Lehrlinge erlassenen Vorschriften sowie über die
Fachgenossenschasten und Innungen, in der Mit-
wirkung an der Überwachung der auf den Arbeiter-
schutz bezüglichen Bestimmungen. Die Kosten der
Verwaltung würden von den zu der Zuständigkeit
von H. gehörenden Gewerbetreibenden auszubringen
sein. - Val. Hampke, Handwerker- oder Gewerbe-
kammern Oma 1893).
Handwerkerparlament, s. Handwerkertasse.
Handwerkerfchulen sollen jungen Handwer-
kern (Lehrlingen und Gesellen) eine für ihren be-
sondern Beruf passende Ausbildung geben. Die
Bewegung der letzten Jahrzehnte in der Gewerbe-
entwicklung hat zu der Erkenntnis ihrer Wichtigkeit
für die Erhaltung eines tüchtigen Handwerkerstan-
des hingedrängt. Sie knüpfen an die Volksschule
an, lehren Deutsch, Rechnen, Buchführung, vor
allem Zeichnen, und haben entweder die allgemeinen
Interessen des Gewerbes im Auge, in welchem
Falle sie zu der Gattung der Gewerblichen Fortbil-
dungsschulen (s. d.) gehören und auch als solche be-
zeichnetwerden, oder sind als gewerblicheFachschnlen
(s. d.) für einen bestimmten Verufszweig eingerichtet.
H. der letztern Art, die befonders in großen Städten
von den Innungen unterhalten werden oder in In-
dustriegebieten mit einer vorwiegenden Beschäfti-
gungsart vertreten sind, werden manchmal mit Lehr
Werkstätten (f. o.) verbunden. In Deutschland setzen
sie gewöhnlich eine der Schule vorangebende oder
neben derselben einhergehende Werkstattlehre vor-
aus. Hessen bezeichnet seine untern Fachschulen als
H. <S. Technisches Unterrichtswesen.) - Vgl. Fink,
Die H. im Großherzogtum Hessen (Darmst. 1887).
Handwerkertage. Seit dem Ausgange des
14. Jahrh, erscheinen in Deutschland Zusammen-
künfte der Meister eines und desselben Handwerks
verschiedener Städte, auf denen die dem Gewerbe
nützlichen,gemeinsam festzuhaltenden Vestimnlllngen
beschlossen, in späterer Zeit auch Verstöße gegen die
Hunftrollen und sonstige Vorkommnisse im Hand-
werksleben erörtert wurden. Die ersten urkundlich
beglaubigten derartigen Versammlungen waren der
rhein. Bäckertag zu Worms von 1352 und der
schles. Schneidertag zu Schweidnitz von 1361, beide
MM die übergriffe der Gesellen (j. d.) gerichtet. In
Norddeutschland ist, soweit bis jetzt bekannt, die
erste Zusammenkunft der Schmiedetag zu Lübeä
1494, beschickt von den sechs Städten Lübeck, Ham-
burg, Rostock, Wismar, Lüneburg und Stralsund.
Den Amtern der genannten Städte wurde 1572 durch
Hansabeschluß ausdrücklich das Recht zuerkannt, ^
bestimmten Zeiten in Lübeck zusammenzukommen.
In der Regel fanden diese Tage alle 7 Jahre statt
und nur wenn wenig Stoff zur Befprechung vorlag,
in längern Zwischenräumen. Unabhängig vom Be-
stände der Hansa erhielten sie sich noch im vorigen
Jahrhundert und es finden sich in städtischen Archiven
bez. Handwerkerladen häufig die Protokolle über ihre
Verhandlungen.
Im Gegensatz zu diesen mittelalterlichen H., aus
denen jedesmal die Mitglieder eines und desselben
Gewerbes verschiedener Städte sich versammelten,
gehören die allgemeinen H., welche Gewerbetreibende
aller Art vereinigen, dem 19. Jahrh. an. In dieser
Richtung sind die ältesten derHamburger Vorkongreß
norddeutscher Handwerker 2. bis 6. Juni 1848, der
DeutscheHandwerker-undGewerbekongreh zuFrank-
furt a. M. 15. Juli bis 18. Aug. 1848 (sog. Hand-
werkerparlament), der Deutsche Schneiderkow
greß 20. bis 25. Juli 1848 in Frankfurt a. M.,
der Süddeutsche Handwerkerkongreß zu Heidelberg
aus derselben Zeit und der Handwerkerkongreß der
pfälz. Städte zu Neustadt a. d. Hardt 14. Juni 1849.
Mit Ausnahme des letztern wurde auf diesen H.
gegen die heranziehende Gewerbefreiheit (s. d.) Ein-
spruch erhoben und der Erlaß einer im zünftlerischen
Sinne gehaltenen allgemeinen Gewerbeordnung
befürwortet. Ebenso vertrat man den Gedanken,
daß eine obligatorische Innung (s. d.) nicht ent
behrt werden könne, aus einer Reihe von H. in den
sechziger Jahren. In diesem Sinne sprachen sich
aus der Preußische Land es-Handwerkertag zu Ber-
lin 27. bis 31. Aug. 1860; der Deutsche Hand-
werkertag zu Weimar 5. Sept. 1862, wo der
Deutsche Handwerkerbund gegründet wurde; zu
Frankfurt a. M. 25. bis 28. Sept. 1863, zu Köln
26. bis 28. Sept. 1864. Auch zahlreiche Lokal- und
Provinzialversammlungen der Handwerker in diesen
Jahren äußerten sich in gleicher Weise.
NorddeutscheH. fanden 16. bis 18. April 1868
zu Dresden, 14. bis 16. Sept. 1868 zu Hannover
und 20. bis 22. Sept. 1869 in Halle statt, deren
Tendenz darauf gerichtet blieb, die Einführung der
Gewerbcsreiheit zu hindern. Nach dem Erlaß der
Gewerbeordnung von 1869 für den Norddeutschen
Bund erschienen die allgemeinen deutsch enH.,
zuerst 25. bis 28. Sept. 1872 in Dresden, dann
1873 in Leipzig, 1874 in Quedlinburg, 1875 in
Cassel, 1876 inAöln, 1877 in Darmstadt, 1878 in
Magdeburg, 1879 in Bremen, 1880 und 1881 in
Berlin. Der 23. Okt. 1873 in Leipzig begründete
Verein selbständiger Handwerker und Fabrikanten,
der sich seitdem Bremer Handwerkertage Deutsche
Handwerker-undGewerbepartei nannte, war
die Seele des Ganzen, die in Berlin erscheinende "All-
gemeineGewerbezeitung" dasOrgan. Anfangs streb-
ten die H. nach einer gewissen innern Organisation
des Gewerbes, welche durch die Gewerbefreiheit ab-
handen gekommen war, fpäter aber gewann das Ber-
liner Fortschrittlertum die Oberhand und der Ver-
band ging ungeheuer zurück. Auf dem Handwerker-
tage zu Magdeburg, 31. Mai bis 1. Juni 1882, geriet
man wieder mehr auf den frühern Standpunkt und
erklärte sich für die obligatoris ch e Innung sowie