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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Hébertisten; Hebeschmaus; Hebespiegel; Hebetudo visus; Hebezeuge; Hebra; Hebräer; Hebräerbrief

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Hébertisten - Hebräerbrief

24. März erfolgten Hinrichtung fiel das Haupt seiner Frau, einer Nonne, die er ein Jahr zuvor geheiratet hatte. - Vgl. Brunet, Le Père Duchesne d'Hébert (Par. 1857).

Hébertisten, die Anhänger Jacques René Héberts (s. d.), die im Nationalkonvent die radikalste und fanatischste Gruppe bildeten und die Abschaffung des Christentums und die Schändung aller Heiligtümer mit dem größten Cynismus betrieben. Ihre Führer waren außer Hébert Chaumette, Vincent und Ronsin. Gegen ihr freches Gebaren, das ihm die Massen zu entfremden drohte, trat Robespierre zuerst in seiner Rede, die er 21. Nov. 1793 im Jakobinerklub über die Freiheit der Gottesverehrung hielt, auf. Immer mehr wurden die H. von Robespierre und Danton in den Hintergrund gedrängt; ein kläglich mißlungener Aufstandsversuch, den sie unternahmen, bot St. Just 13. März 1794 die gewünschte Gelegenheit, im Konvent die heftigsten Anklagen gegen sie zu erheben. In der darauf folgenden Nacht wurden Hébert und 19 Genossen verhaftet; 24. März wurden sie guillotiniert.

Hebeschmaus, s. Richtfest.

Hebespiegel, runde Platte von Holz oder Pappe, welche beim Schießen von Streugeschossen (Spiegelgranaten, Kartätschen, Steine) zwischen Pulverladung und Geschoßvorlage eingesetzt wurde, um die Treibkraft des Pulvers gleichförmig auf die Geschosse zu verteilen. (S. Treibspiegel und Treibscheibe.)

Hebetudo visus (lat.), s. Asthenopie.

Hebezeuge, s. Hebeapparate.

Hebra, Ferd., Ritter von, Arzt und Kliniker, geb. 7. Okt. 1816 zu Brünn, studierte in Wien Medizin, besonders die bis dahin noch sehr vernachlässigte Dermatologie, für die er sich auch 1842 an der Universität habilitierte. Zugleich wurde ihm die inzwischen eingerichtete Abteilung für Hautkrankheiten in dem genannten großen Hospital als ordinierendem Arzt übergeben. 1848 wurde er Primärarzt, 1849 außerord. und 1869 ord. Professor. Die Lehre von den Ursachen, der Entwicklung und mediz. Behandlung der Hautkrankheiten sowie auch der syphilitischen Übel wurde von ihm gründlich umgestaltet; H. ist der eigentliche Begründer wissenschaftlicher Dermatologie. Er starb 5. Aug. 1880 in Wien. Außer Beiträgen zu Fachzeitschriften veröffentlichte er: "Atlas der Hautkrankheiten" (10 Lsgn., Wien 1856-76); im Verein mit Kaposi: "Lehrbuch der Hautkrankheiten" (2 Bde., 2. Aufl., Stuttg. 1872-76), welche Arbeit den dritten Teil von Virchows "Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie" bildet, und mit Bärensprung einen kleinern "Atlas der Hautkrankheiten" (Lsg. 1 u. 2, Erlangen 1867-68).

Sein Sohn, Hans, Ritter von H., geb. 24. Mai 1847 in Wien, studierte in Wien und ist seit 1876 daselbst Docent für Hautkrankheiten. Er schrieb: "Kurzgefaßtes Lehrbuch der Hautkrankheiten" (Braunschw. 1884), "Die krankhaften Veränderungen der Haut mit Beziehung auf die Krankheiten des Gesamtorganismus" (ebd. 1881) u. a.

Hebräer oder Ebräer findet sich im Alten Testament in einem doppelten Sinne. In der Patriarchensage dient es zur Bezeichnung einer Gruppe von Völkern, die auf einen Stammvater Eber zurückgeführt werden. Es ist das eine künstliche Zurückführung; die genealogische Figur des Eber ist aus dem Volke der H. zu Zwecken der genealogischen Geschichtsdarstellung gebildet worden (1 Mos. 10,21 fg.; 11,16 fg.). In den histor. Büchern des Alten Testaments aber ist H. ein Name für Israel, den sich Israeliten Fremden gegenüber beilegen und womit sie von Fremden benannt werden. Es wird sonach eine Bezeichnung sein, die für Israel außerhalb Israels aufgekommen ist. Davon ist bei der Erklärung des Namens auszugehen. H. bedeutet "Jenseitige", der Name kann nur zu einer Zeit entstanden sein, wo ein Fluß die Israeliten als Jenseitige von diesseitigen, gleichsprachigen Völkern trennte. Man kommt dann für die Entstehung des Namens in die Zeit, wo jenseits des Jordan Israeliten, diesseits (im Westjordanlande) Kanaaniter wohnten, also in die Zeit vor Eroberung des Westjordanlandes. Die Beziehung des Namens auf den Euphrat ist abzuweisen. Der Gebrauch des Namens H. rechtfertigt es, daß man die Sprache, in der das Alte Testament bis auf wenige Abschnitte der Bücher Esra und Daniel, eine Glosse im l. Buch Mose und im Jeremias abgefaßt ist, die hebräische nennt. Dagegen ist es nicht richtig, von einer Geschichte der H. zu reden; dafür ist der nationale Name des Volks, also Israel, zu gebrauchen. (S. Israel.)

Hebräerbrief oder Brief an die Hebräer ist der überlieferte Name einer der wichtigsten Schriften des Neuen Testaments. Im Morgenlande ziemlich frühzeitig dem Apostel Paulus zugeschrieben, dessen Autorschaft im Abendlande bis zum Ende des 4. Jahrh. angezweifelt wurde, ist der Brief seitdem allgemein als 14. Brief des Apostels Paulus in die neutestamentliche Schriftensammlung aufgenommen worden. Seit Luther, der ihn für ein Wert des Apollos (s. d.) hielt, ist die paulinische Abkunft des Briefs von Protestanten bestritten und von der neuern Kritik aus sprachlichen und sachlichen Gründen widerlegt worden. Der wirkliche Verfasser ist unbekannt, sein und seiner ursprünglichen Leser Wohnsitz sowie die Zeit der Abfassung ungewiß. Nach älterer Meinung an die Judenchristen in Palästina (daher der Name "Hebräer") gerichtet, ist der Brief nach neuerer, aber nicht minder zweifelhafter Ansicht von einem alexandrinisch gebildeten Verfasser an die jüd.-christl. Gemeinde in Alexandria geschrieben. Vieles spricht aber für Rom als Bestimmungsort des Briefs. Vereinzelt steht die schon von Tertullianus überlieferte, von verschiedenen Neuern wieder aufgenommene Meinung, daß Barnabas (s. d.) der Verfasser des Briefs sei. Da der Verfasser so zu reden scheint, als ob der Tempel zu Jerusalem noch stehe, so haben die meisten an die zweite Hälfte des 7. Jahrzehnts n. Chr. gedacht; doch giebt es erhebliche Gründe für ein mindestens zwei Jahrzehnte späteres Datum. Der H. sucht judenchristl. Leser von der Notwendigkeit der Aufhebung des jüd. Ceremonialgesetzes und Opferkultus im Christentum zu überzeugen, indem er den alten Bund als das schattenhafte Vorbild des neuen, in Christi Blut geschlossenen Bundes betrachten lehrt und im Gegensatz zu dem alttestamentlichen Tempelkultus Christum als das vollkommene Opfer und als den vollkommenen Hohenpriester darstellt. Der Brief gehört also in eine Zeit, wo das judenchristl. Bewußtsein noch immer gegen die zuerst durch Paulus angebahnte Erkenntnis von der wesentlichen Neuheit der christl. Religion ankämpft. Er setzt die Lehre des Paulus voraus und scheint sich auch die Form der paulinischen Sendschreiben zum Muster genommen zu haben, ohne daß jedoch hieraus auf eine entschieden paulinische Richtung des Verfassers geschlossen werden dürfte. Die Lehreigentümlich-^[folgende Seite]