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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Helm (Kopfbedeckung)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Helm'

(kannelierten) Visierhelme mit einem oder mehrern schräg gewundenen Wülsten über dem Scheitel, deren Erfindung, ebenso wie die der gestreiften Harnische, fälschlich dem Kaiser Maximilian I. zugeschrieben wird; 2) der von den Burgundern erfundene, vom Ende des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrh. übliche Burgunderhelm (Bourguignotte), der sich, der Schädelform anpassend, eng dem Kopf anschloß; in seiner höchsten Ausbildung bestand er aus vier Teilen, die um ein knopfförmiges Scharnier, die Helmrose, drehbar waren, dem Scheitelstück mit angesetztem Nackenstück, dem Stirnstück, dem Visier und dem Kinnreff. Während in den Schlachten des 16. Jahrh. die Reiter den H. mit Visier trugen, war bei dem Fußvolk die Sturmhaube allgemein in Anwendung, die teils nur mit festem Stirn- und Genickschirm und beweglichen Backenstücken versehen war, teils, halbeiförmig gestaltet, mit einem nach vorn und hinten schnabelförmig emporgebogenen Rand und auf dem Scheitel mit einem hohen Kamm versehen war. Letztere Form (s. Fig. 6)


Textfigur:

ging seit der Mitte des 16. Jahrh. von Spanien aus und hieß Morion (Maurenkappe). Daneben trugen besonders die Landsknechte zur Zeit Maximilians I. eiserne, mit Backenstücken versehene Hirnhauben (s. Fig. 7), die nichts anderes sind als Beckenhauben einfachster Konstruktion; dazu gehörte ein Kettenpanzerkragen. Eine besondere Helmform kam seit den Zeiten des Kaisers Friedrich III. zur Verwendung bei Turnieren mit dem Kolben (s. Fig. 11); er bestand, wie der Burgunderhelm, aus mehrern um eine Helmrose drehbaren Teilen, charakteristisch aber für ihn war, daß ein einziger großer Ausschnitt aus dem Visierstück durch ein aus mehrern senkrechten und horizontalen, aber stark nach außen gebogenen Rundeisenstäben oder Spangen (Spangenhelm) gebildetes Gitter verschlossen war. Zwar erhielt sich der Ritterhelm mit einzelnen Teilen der Rüstung noch längere Zeit als Ceremonialtracht und als Abzeichen der Führer sowie bei den "Kyrissers oder Reutern", die als Ausläufer der schwer gepanzerten Ritterschaft betrachtet werden können; doch selbst bei den letztern machte er in der zweiten Hälfte des 17., spätestens mit Beginn des 18. Jahrh, fast durchweg dem Hute Platz.


Textfigur:

In den franz. Revolutionskriegen und der Kaiserzeit tauchte der metallene H., mehr in röm. oder griech. Form mit Kamm, als Kaskett (frz. casque) Kürassieren und Dragonern wieder auf (vgl. den in Fig. 12 dargestellten franz. Dragonerhelm 1812-70). Der 1840 in der preuß. Armee eingeführte, Pickelhaube (s. Fig. 14) genannte H. ist, da auch Bayern seinen 1807 für die Infanterie eingeführten Raupenhelm (s. Fig. 13) 1888 aufgegeben hat, jetzt die Kopfbedeckung der deutschen Armee, außer bei den Jägern und Schützen, die den Tschako, den Husaren, die die Pelzmütze, den Ulanen, die den Czapka tragen. Dieser H. ist bei dem Regiment Garde du Corps, dem Gardekürassierregiment und dem Kürassierregiment Nr. 6 aus Tombak, bei den übrigen Kürassierregimentern aus weißem Stahlblech, bei den übrigen Truppengattungen jedoch aus Leder mit Metallbeschlägen; er läuft gewöhnlich oben in eine metallene Spitze aus, die bei den Garde du Corps (s. Fig. 15)


Textfigur:

und Gardekürassieren bei festlichen Gelegenheiten mit einem metallenen fliegenden Adler besteckt wird, bei der Artillerie in eine Kugel. Die neuern H. schneiden vorn mit den Augenbrauen, an den Seiten zwei Finger breit oberhalb der Ohren ab und können durch Schuppenketten oder Sturmbänder unter dem Kinn festgemacht werden. Die Kokarde wird an der rechten bez. linken Seite unter der Schuppenkette getragen. Trotz der Öffnungen, welche eine Luftbewegung zwischen Kopf und Helmdach ermöglichen, ohne Regen einzulassen, entwickeln sich wegen der Undurchlässigkeit des Metalles oder Leders und des bedeutenden Wärmeabsorptionsvermögens dieser Stoffe im Innenraum des H. bei anstrengenden Märschen hohe Temperaturen, welche das Zustandekommen von Hitzschlag begünstigen. In heißen Klimaten giebt man deshalb den H. eine helle Farbe oder einen hellen Überzug, fertigt sie auch aus leichten Stoffen (Filz, Kork, Rohr) und zwar derart, daß zwischen ihrem Rande und dem eigentlichen Kopfhut eine mit der Außenluft reichlich kommunizierende Luftschicht besteht. Die europäischen H. sind in dem Maße leichter geworden, als man aufgehört hat, mit der soldatischen Kopfbedeckung die Idee der Schutzwaffe zu verbinden. Thatsächlich gewähren den heutigen Schußwaffen und selbst wuchtigen Säbelhieben gegenüber die Metallbeschläge der H. keinerlei Schutz, wohl aber verschlimmern sie häufig Wunden, wenn Teile von ihnen mit hin ein gerissen werden.

Bezüglich des ältern H. vgl. Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens (Lpz. 1880); A.von Essenwein, Die H. aus der Zeit vom 12. bis zum Beginn des 16. Jahrh, im German. Museum (Nürnb. 1892); Suttner, Der H. von seinem Ursprung bis zur Mitte des 17. Jahrh, (mit 48 Taf., Wien 1878).

> In der Heraldik erscheint der H. später als der Schild und zwar zuerst (seit Ende des 12. Jahrh.) als Topfhelm, an dem das Wappenbild oder Helmkleinod (s.d.) an der Seite befestigt wurde (s. Tafel: Heraldische Typen II, Fig. 18). Dann wurde der Stechhelm (s. Taf. II, Fig. 19) der Wappenhelm für Personen höchsten Standes; gegen Ende des 15. Jahrh, bediente sich aber der turnierfähige Adel statt der Stechhelme fast nur noch der Spangen-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 19.