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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hessen (Großh.; Wohlthätigkeitsanstalten. Unterrichts-, Kirchenwesen. Geschichte)
besteht ein Landesversicherungsamt für Invali-
ditäts- und Altersversicherung sowie für Unfallver-
sicherung; die Zahl der 1891 bewilligten Alters-
renten betrug 2562, der Geldbetrag 294000 M.
Krankenkassen für Arbeiter waren 1891: 1032 in
Thätigkeit, mit 198914 Mitgliedern; andere Kran-
ken- sowie Sterbekassen bestehen an vielen Orten.
Wohlthätigkeitsanstalten. Aicher den Kranken-
und Heilanstalten sind hervorzuheben: die staatliche
Brandversicherungsanstalt für Gebäude (mit Ver-
sicherungszwang), die Witwen- und Waisen-Ver-
lorgungsanstalten für Hinterbliebene von Staats-
dienern, Militärpersonen, Geistlichen und Schul-
lehrern, Stiftungen zu Gunsten vermögensloser
oder bedürftiger Hinterbliebenen von Civilstaats-
dienern (Ludwigs- und Mathilden-Landesstiftung,
Kohlermännische Stiftung), von Offizieren u. s. w.
(von Weyherssche Eleonoren-Stiftung), von Forst-
beamten u. s. w. (von Stockhausen-Metthing-Stif-
tung und von Bibra-^tiftung), von Lehrern (Lud-
wigs- und Alice-Stiftung), zur Unterstützung armer
adliger Töchter (Kaufunger Stiftsfonds), eine
Lebensversicherungsanstalt, verbunden mit einer
(allgemeinen) Rentcnanstalt zu Darmstadt, ein
Fonds für öffentliche und gemeinnützige Zwecke.
Außerdem bestehen noch zahlreiche Stiftungen,
Unterstützungsvereine und andere zum Wohle der
Bevölkerung eingerichtete Anstalten.
Unterrichtswesen. Es besteht unter unmittelbarer
Beaufsichtigung des Ministeriums des Innern und
der Justiz eine Landesuniversität in Gießen (s. d.)
und eine Technische Hochschule in Darmstadt (s. d.).
Von andern staatlichen höhern Unterrichtsan-
stal t e n sind vorhanden: 8 Gymnasien mit (1891/92)
180 Lehrern und 2972 Schülern, 4 Realgymnasien,
15 Realschulen, davon 2 verbunden mit Progym-
nasien und 1 mit einem Gymnasium, zusammen mit
265 Lehrern und 5677 Schülern, 5 höhere Mädchen-
schulen, davon eine (Victoriaschule zu Darmstadt)
verbunden mit einem Lehrerinnenseminar, mit zu-
sammen 100 Lehrern und Lehrerinnen und 2206
Schülerinnen, 3 Lehrerseminare zu Vensheim, Fried-
berg und Alzey mit 31 Lehrern und 314 Schülern,
3 Lehrer-Präparandenanstalten zu Lindenfels, Lich
und Wöllstein mit je 2 Lehrern und zusammen 182
Schülern. Weiter befindet sich ein evang. Prediger-
seminar in Friedberg und ein blschöfl. Seminar in
Mainz. Unter Oberaussicht der Kreisschulkommissio-
nen stehen (1892) 993 emfache Volksschulen mit 2423
Lehrern und 157 403 Schülern, 906 Fortbildungs-
schulen (im Anschluß an vorige) mit 17 914 Schü-
lern, 25 Mittelschulen (erweiterte Volksschulen) mit
134 Lehrern und 3782 Schülern, 58 Privatunter-
richtsanstalten mit 255 Lehrern und 3922 Schülern,
unter denen die Privatlehranstalt in Mainz und die
Handelsschule in Offenbach besonders hervorzuheben
sind. (Über Landwirtschaftsschulen s. oben S. 116 a.)
Gewerbliche Unterricktsanstalten (Hand-
werker- und Kunstgewerbeschulen) waren (Anfang
1893) 94 an 76 Orten mit 264 Lehrern und 7500
Schülern vorhanden, darunter eine Landesbau-
gewerkschule zu Darmstadt mit 19 Lehrern und 140
Schülern; von andern gewerblichen Lehranstalten
sind die Fachschule für Elfenbeinschnitzerei u.s. w. in
Erbach i. O., die Weberschule in Lauterbach, die
Korbflechtereischulen in Alsfeld, Veerfelden, Nhein-
Dürkheim zu nennen. Weiter bestehen kaufmännische
Fortbildungsschulen, Musikschulen in den größern
Städten. In Friedberg und Bensheim befinden sich
Unterrichtsanstalten für Taubstumme und Taub-
stummenlehrer (1892/93 mit 19 Lehrern und 113
Schülern), in Friedberg weiter eine Blindenanstalt,
in Sandbach i. O. ein Waisenhaus für kath. Mädchen.
- Von öffentlichen Bibliotheken sind zu nennen:
die Hofbibliothek in Darmstadt, die Universitäts-
bibliothek in Gießen und die Stadtbibliothek in
Mainz; von andern Anstalten für Kunst und Wissen-
schaft: das großherzogl. Museum in Darmstadt, die
Sammlung röm. und german. Originalaltertümer
und das Römisch-Germanische Centralmuseum in
Mainz.- Die Staatszuschüsse zum gesamten Unter-
richtswesen betrugen (1891/94 bez. 1885/88) jährlich
in runden Summen: für die Universität 460000 M.,
für die Technische Hochschule 150000 M., für
die Gymnasien, Realgymnasien und Realschulen
380000 M., pädagogischen Seminarien 6000 M.,
Lehrerinnenseminar 4000 M., Volksschulwesen
1080000 M., zusammen 2080000 M.
Kirchenwesen. Landeskirche ist sowohl die evang.
Kirche (welche sämtliche unierte, luth. und reform.
Gemeinden des Landes umfaßt) als auch die katho-
lische. Die Verfassung der evangelischen Kirche
(Edikt vom 6. Jan. 1874, abgeändert durch Gesetz
vom 15. März 1885) beruht auf dem Grundsatz der
Gemeinde- und Synodalvertretung, der territorialen
Unterscheidung von Gemeinde, Dekanat und Groß-
herzogtum, der personellen Scheidung des Laien-
elements und des kirchlichen Beamtentums. Der
Grohherzog ist das Haupt der evang. Landeskirche.
Er übt das landesherrliche Kirchenregiment durch die
höchste kirchliche Behörde, das Oberkonsistorium, nach
den Bestimmungen der Verfassung, d. h. in den wich-
tigsten Beziehungen mit Zustimmung der Landes-
synode aus. Letztere ist die Vertretung der gesamten
evang. Kirche des Großherzogtums und besteht aus
dem Prälaten, je einem geistlichen und weltlichen
Abgeordneten und aus 7 (3 geistlichen und 4 welt-
lichen) vom Landesherrn ernannten Mitgliedern;
die Landessynode tritt alle 5 Jahre zusammen, als
ständige Vertretung fungiert der aus 5 Mitgliedern
bestehende Synodalausschuß. An der Spitze der
katholischen Landeskirche, des Bistums
Mainz, steht der Bischof von Mainz. Unter ihm
bilden das Domkapitel und bischöfl. Ordinariat bez.
Ojfizialat die obern Verwaltungsbehörden der Diö-
cese. Das Verhältnis des Staates zur Kirche wurde
geregelt durch 5 Kirchengesetze vom 23. April 1875,
von welchen jedoch das Gesetz über den Mißbrauch
der geistlichen Amtsgewalt durch Gesetz vom 7. ^ept.
1889 abgeändert und an Stelle des Gesetzes über die
Vorbildung und Anstellung der Geistlichen ein neues
Gesetz vom 5. Juli 1887 getreten ist. Es waren (1892)
vorhanden: 23 evang. Dekanate mit 415 evang.
Pfarrämtern und 466 Geistlichen, und 17 kath.
Dekanate mit 159 kath. Pfarrämtern und 174 Geist-
lichen. Für den israelitischen Kultus bestehen
7 Rabbmate. - Insoweit die Erträge des Kirchen-
vermögens und sonst zu Gebote stehende Mittel zur
Bestrettung kirchlicher oder religiöser Bedürfnisse
nicht ausreichen, können Umlagen erhoben werden.
Außerdem leistet der Staat zur Bestreitung der
Kosten der evang. Kirche (1891/94) einen jährlichen
Zuschuß von 240000 M., zu derjenigen der katho-
lischen von 129872 M.
Geschichte. Die Geschichte Hessen-Darmstadts be-
ginnt mit der von Philipp I., dem Großmütigen,
Landgrafen von H., testamentarisch verordneten Tei-
lung seines Landes unter seine vier Söhne Wil-