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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hessen-Darmstadt - Hessenfliege
fassung von 1831, jedoch ohne die Bundeswidrig-
keiten, zurück. Dies und die vom Kurfürsten ver-
weigerte Bestätigung der Wahl von Hasfenpflugs
dem Kurfürsten zu herrfchfüchtigem Freunde Vilmar
zum Generalfuperintendenten führten 1855 Hassen-
pflugs Sturz herbei, worauf Scheffer ans Ruder
kam.^ Die Negierung fchob die vom Bunde ver-
langte Erklärung der Stände über die neue Ver-
fassung bis 1857 auf, und als diefe dann un-
günstig aussiel, verzögerte sie die Mitteilung an
den Bundestag bis zum 15. Juli 1858. Scheffer
nahm indes als Minister feinen Abschied. Der
Bundesausfchuft beantragte, unter Abweichung von
dem 1852 vom Bunde aufgestellten Grundsatze, die
Genehmigung der Verfassung trotz der ständifchen
Erklärung, nur mit einigen Änderungen, die er vor-
fchlug. Nun erklärte sich aber im Nov. 1859 die
preuh. Regierung für die Herstellung der Verfas-
sung von 1831, soweit sie nicht bundeswidrig. Öster-
reich widersprach, weil der Bund in Widerfpruch
mit sich gerate und die Verfassung von 1852 auch
fchon definitiv sei. Am 24. März 1860 wurde die
Beibehaltung der Verfassung von 1852 mit einigen
Änderungen zum Vundesbefchluß erhoben. Wäh-
rend nun die kurhess. Regierung diesem Beschlusse
nachzukommen versprach und 30. Mai 1860 die neue
Verfassung publizierte, wuchs im Lande der Wider-
spruch gegen solch einseitiges Vorgehen immer mehr,
und auf dem neu berufenen Landtage erklärte sich die
Zweite Kammer, indem sie die Verfassung von 1831
nebst dem Wcchlgefetz von 1849 verlangte, 8. Dez.
1860 für inkompetent. Gleiches gefchah nach deren
Auflösung von einer neugewählten (1. Juli 1861)
und, nachdem auch diese aufgelöst, von der zum
drittenmal gewählten Kammer (8. Jan. 1862).
Die Bundesregierungen sahen jetzt ein, daß nur
die Herstellung der Verfassung übrigbliebe. Die
beiden deutfchen Großmächte beantragten demnach
(8. März) am Bunde, die kurhess. Regierung auf-
zufordern, die Verfassung von 1831 wiederherzu-
stellen, vorbehaltlich der zur Herstellung der Über-
einstimmung mit denBundesgefetzen erforderlichen
Änderungen. Unbekümmert darum erließ die Hess.
Regierung im April 1862 eine Verordnung, wonach
nur diejenigen zur Wahl zuzulassen seien, welche die
Verfassung von 1860 vorher anerkannt hätten, in-
folgedessen sich aber fast niemand an den Wahlen
beteiligte. Darauf hin schickte Preußen 11. Mai den
General Willisen nach Cassel, der dem Kurfürsten
direkte Vorstellungen machen sollte, und als auch
dies nichts nutzte, brach es den diplomat. Verkehr
ab und machte zwei Armeekorps mobil. Nachdem
nun der preuß.-österr. Antrag 24. Mai zum Bundes-
beschluß erhoben worden war, erklärte auch die Hess.
Regierung, daß sie denselben ausführen werde, nach-
dem auf Preußens Verlangen das bisherige Mini-
sterium (17. Mai) entlassen worden war. So wurde
unter dem neuen Ministerium (Stiernbcrg, Dehn-
Rotfelfer u. s. w.) durch landesherrliche Verkündi-
gung vom 21. Juni 1862 die Verfassung von 1831,
das Wahlgefetz von 1849 und die Geschäftsordnung
der Ständeversammlung von 1848 hergestellt, die-
jenigen Paragraphen aber, welche den Verfassungs-
eid der Offiziere, die NichtVollziehung einer von
den Vorgesetzten befohlenen Ausführung eines ver-
fassungswidrigen Erlasses und die Trennung der
Gefchäfte des Kriegsministers von denen des Ober-
befehlshaders betreffen, für aufgehoben erklärt.
Auch sollten die in der Zwischenzeit ergangenen
Verordnungen und provisorischen Gefetze den Stän-
den vorgelegt werden. Die neu gewählte Stände-
versammlung wurde (30. Okt. 1862) in der Eröff-
nungsrede als eine solche bezeichnet, welche bloß
berufen fei, jenes Wahlgefetz zu ändern, welches als
bundesverfassungswidrig anzufehen sei. Als die
Stände die Vorlage des Budgets verlangten, wur-
den sie 20. Nov. vertagt, infolge einer preuh. Note
(24. Nov. durch einen Feldjäger überbracht) aber
alsbald (4. Dez.) wieder einberufen. Die Regierung
erklärte ^etzt diefelben für alle Gefchäfte kompetent,
stellte aber den Grundsatz von der Rechtmäßigkeit
der zur Zeit der provisorischen Verfassungen ergan-
genen Erlasse auf und interpretierte hiernaä) das
Junipatent. Diefer Umstand war Anlaß zu vielen
ueuen Streitigkeiten zwischen Regierung und Stän-
den. 1866 hatte sich Kurhessen für den Bundes-
befchluß vom 14. Juni erklärt und sich damit Preu-
ßen gegenüber auf die Seite Österreichs gestellt; an
demfelben Tage hatte der Kurfürst die Mobilisie-
rung sämtlicher Truppen befohlen, während am
15. die Stände die Staatsregierung aufforderten,
zu der neutralen Haltung zurückzukehren. Aber be-
reits 16. Juni rückte General von Beyer von Wetz-
lar aus in Kurhessen ein und besetzte 18. Juni Cassel.
Am 23. Juni, nachdem General von Werder zum
Militärgouverneur und der Regierungspräsident
von Möller zu seinem Civilkommissar ernannt und
die neuen Ministerialvorstände bestätigt waren,
wurde der Kurfürst in Kriegsgefangenschaft nach
Stettin abgeführt, und 17. Aug. erklärte der König
von Preußen durch eine Votfchaft Kurhessen wie
auch Hannover, Nassau und Frankfurt mit der
preuß. Monarchie vereinigt. (S. Deutscher Krieg
von 1866.) Unter solchen Umständen fand sich der
Kurfürst veranlaßt, am 18. Sept. zur Sicherung
feines Hausvermögens sich mit dem König zu ver-
ständigen. Er entband seine Unterthanen des Eides,
verließ dann Stettin und begab sich auf seine Güter
nach Böhmen. Nach dem Gesetz vom 20. Sept.
1866 erfolgte 3. Okt. die Besitzergreifung von H.
und der andern Länder, in denen dann auch 1. Okt.
1867 die preuß. Verfassung in Kraft trat.
Als der Kurfürst Friedrich Wilhelm 6. Jan. 1875
starb, ohne successionsfähige Kinder zu hinterlassen,
wurde die ältere Hauptlinie des Haufes Hessen durch
den nächsten Agnaten, Landgraf Friedrich (geb.
26. Nov. 1820), nach dessen Tod (14. Okt. 1884)
durch seinen ältesten Sohn Friedrich Wilhelm (geb.
15. Okt. 1854), und als dieser auf der Fahrt von
Vatavia uach Singapur durch einen Sturz über
Bord 14. Okt. 1888 umkam, durch dessen Bruder
Landgraf Alexander Friedrich (geb. 25. Jan.
1863) repräfentiert.
Vgl. Rommel, Geschichte von Hessen (10 Bde.,
Gothaund Cass.1820-58); Wippermann, Kurhcssen
seit dem Freiheitskriege (Cass. 1850); Gräfe/ Der
Verfassungskampf in Kurhessen (Lpz. 1851); Pfaff,
Das Trauerspiel in Kurhessen (Vraunschw. 1851);
Roth, Gefchichte von H. (2 Bde., Cass. 1855; 2. Aufl.,
fortgefetzt von Stamford, 1883 - 86); Gerland,
1810-60. Zwei Menfchenalter kurhess. Geschichte
(ebd. 1892); Kurhessisches Urkundenbuch. Eine Zu-
sammenstellung der wichtigsten und interessantesten
Schriftstücke in der kurhess. Verfafsungsangelegen-
heit (Franks. 1861).
Heffen-Darmstadt, s. Hessen (Großherzogtum).
Heffenfliege, Getreioeverwüster, Ge-
treide gallmücke (OeciäomM äkZtructor F"?/),