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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hessen-Nassau
jährlich auch große Massen von Krugen mit Mineral-
wasser in weite Fernen verschickt. Vorzüglich Kalt-
wasserheilanstalten befinden sich außerdem zu Dieten-
mühle und Nerothal bei Wiesbaden, Johannisberg
und Nassau. Steinkohlen werden nur in der Graf-
schaft Schaumburg (1891:155255 y, Braunkohlen
(302739 t) überall gewonnen. Von weit größerer
Bedeutung ist dagegen der Erzbergbau. 1891 wur-
den produziert 616819 t Eisenerze, 16118 t Zink-
erze, 11868 t Bleierze, 733 t Kupfererze; die Hütten-
produktion betrug 1891:12822 t, Roheisen, 13455 t
Blei und 26,3 t Silber.
Industrie, Handel, Verkehrswesen. Von In-
dustriezweigen sind hervorzuheben: die Fabrikation
bearbeiteter Steine, von Marmorwaren und ge-
brannten Thonwaren im Westerwald, von Holz-
waren in den Gebirgsdistrikten, von Obstwein im
Mainthal, von Schaumwein in den nassauischen
Weindistrikten, die Bierbrauerei, die Tabaks- und
Cigarrenfabrikation in Frankfurt, Hanau und an-
dern Orten, die Baumwollspinnerei und Weberei
und die Tuchfabrikation, die Leder- und Lederwaren-
industrie, die Papier- und Spielkartenfabrikation,
die Schriftgießerei, die Bijouterie, Gold- und Silber-
fabrikation u. s. w. 4 Zuckerfabriken verarbeiteten
(1891/92) 105231 t Rüben und gewannen 53169 t
Zucker; 347 Brennereien stellten aus 2000 t Kar-
toffeln, 5000 t Getreide, 2100 t, Weinhefe und
Weintrestern sowie aus 15300 Kl Brauereiabfällen
15540 kl reinen Alkohol her; 354 Brauereien ver-
wendeten 36 872 t Getreide zu 17360811ü Vier.
Die bedeutendsten Industrie- und Handelsplätze sind
Frankfurt a. M., Cassel, Hanau, Wiesbaden, Fulda,
Carlshafen, Dillenburg und Limburg. Nnter der
großen Zahl der jährlich stattfindenden Märkte sind
die bedeutendsten die Messen zu Frankfurt a. M.,
Cassel, Hanau und Rinteln, der Wollmarkt zu Diez,
der Hopfenmarkt zu Grenzhausen, die Pferdemärkte
zu Fritzlar, Marburg und Hadamar. Die Interessen
des Handels- und Gewerbestandes werden durch die
Handelskammern zu Dillenburg, Frankfurt a. M.,
Hanau, Cassel, Limburg, Wiesbaden und durch die
Kaufmannschaft in Carlshafen wahrgenommen.
Den Geldverkehr vermitteln die Reichsbankhaupt-
stelle zu Frankfurt a. M., die Neichsbankstelle zu
Cassel und die Reichsbanknebenstellen zu Hanau
und Wiesbaden, die Privatzettelbanken zu Frank-
furt a. M., ferner die Nassauische Landesbank zu
Wiesbaden, die Frankfurter Vereinskafse, die Hypo-
thekenbank daselbst und die Frankfurter Filiale der
Darmstädtischen Bank für Handel und Industrie, so-
wie zahlreiche Privatbanken und Bankiers namentlich
in Frankfurt a. M. (s. d.). Neben einem ausgedehn-
ten Landstrahennetz (1887: 2834 km Chausseen)
vermitteln den Verkehr die natürlichen Wasser-
straßen und die Eisenbahnen. Am 1. Aug. 1893
waren 136? kin preuß. Staatsbahnen und 216 km
Privat- sowie fremde Staatsbahnen vorhanden;
außerdem liegt von der Main-Neckarbahn (s. d.) der
preuß. Anteil (7 km) in der Provinz (s. Hessische
Eisenbahnen). Die Gesamtlänge der schiffbaren
Wasserstraßen in der Provinz beträgt 440 km.
Schiffahrtskanäle fehlen.
Bildungs- und Vereinswesen. Unter den Unter-
richtsanstalten nimmt die 152? gestiftete Universität
zu Marburg (s. d.) den ersten Platz ein. Als sonstige
döhere Lehranstalten sind hervorzuheben 14 Gym-
nasien, 2 Progymnasien, 4 Realgymnasien, 10ber-
realschule, 10 Realschulen, 12 Realprogymnasien,
1 höhere Bürgerschule, 6 Schullehrerseminare,
2 Präparandenanstalten, ferner mehrere Handels-
und Gewerbeschulen, Taubstummeninstitute, Hebam-
men- und Entbindungsanstalten u. s. w. Zur Förde-
rung der Land- und Forstwirtschaft u. s. w. bestehen
der Landwirtschaftliche Centralverein für den Reg.-
Bez. Cassel zu Cassel und der Verein nassauischer
Land-und Forstwirte zu Wiesbaden, sowie 51 Zweig-
vereine und 10 Vereine für Bienen-, Geflügelzucht
und Gartenbau mit zusammen 7256 Mitgliedern.
Hinsichtlich der Ausbildung und Verbreitung des
Volksschulunterrichts nimmt H. unter den preuh.
Provinzen eine der ersten Stellen ein.
Verfassung und Verwaltung. Die Provinz zer-
fällt in zwei Regierungsbezirke:
Re-
gierungs-
bezirke
<ikm
O
Cassel. .
Wies-
baden .
10 077,70 64
5 614,74 41
1329
895
279
As-.
"3
118 088
107 655
171550 820988^ 81
180 806! 843 438! 150
In administrativer Beziehung haben die Gesetze
vom 7. Juni 1885 (Kreisordnung) und vom 8. Juni
1885 (Provinzialordnung) eine Neuregelung der
staatlichen und der Selbstverwaltung herbeigeführt.
Beide Gesetze entsprechen in ihrer Tendenz den
Zielen der neuern Verwaltungsgesetzgebung in
Preußen; doch sind der Provinz mehrere besondere
Einrichtungen zugestanden. So bilden beispiels-
weise die beiden Regierungsbezirke je einen selbstän-
digen Kommunal- (Bezirks-) und Landarmenver-
band; der ehemalige Kommunalverband der Stadt
Frankfurt a. M. issdemjenigen des Reg.-Bez. Wies-
baden einverleibt worden. Das Institut der Amts-
vorsteher ist nicht zur Einführung gelangt, vielmehr
ist die örtliche Polizeiverwaltung, unter Überwachung
durch den Landrat, den Bürgermeistern (Schult-
heißen, Gemeindevorstehern) übertragen worden.
Gleichzeitig sind in der Abgrenzung verschiedener
Kreise Veränderungen eingetreten. Gegenwärtig
zählt die Provinz 42 Kreise,' darunter 4 Stadtkreise.
Hauptstadt ist Cassel (s. d.).
Die Rechtspflege wird geübt durch die Ober-
landesgerichte zu Cassel mit 3 Land-, ?6 Amts-
gerichten und zu Frankfurt a. M. mit 5 Land- und
52 Amtsgerichten. Zum Abgeordnetenhause entsen-
det die Provinz 26 Abgeordnete; von den Mitgliedern
des Herrenhauses gehören 21 der Provinz an.
Das Wappen
der Provinz, ein
durch eine aufstei-
gende Spitze in
drei Felder geteil-
ter Schild, zeigt:
k.imrechtenblauen
Felde einen stehen-
den einwärts ge-
kehrten, achtmal in
Silber und Rot
quergestreiften ge-
kröntenLöwen(Hes-
sen); d. im linken
blauen, mit goldenen Schindeln bestreuten Felde
einen gekrönten goldenen Löwen (Nassau); o. in
der aufsteigenden roten Spitze einen einköpsigen
silbernen Adler mit ausgebreiteten Flügeln (Frank-
furt a. M.).