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Heyne (Mor.) – Heyse
14. Juli 1812, mit großem Erfolg. Für die griech. Mythologie hat H. zuerst eine wissenschaftliche Behandlung angebahnt. Seine Untersuchungen auf dem Gebiete der polit. und Kulturgeschichte des Altertums haben eine histor. Auffassung des gesamten antiken Lebens begründen helfen. In der Exegese legte er das Hauptgewicht auf die Sacherklärung, während die grammatische Interpretation in den Hintergrund trat. Von seinen Arbeiten sind, außer der großen Anzahl von Abhandlungen und Programmen, die u. d. T. «Opuscula academica» (6 Bde., Gött. 1785‒1812) gesammelt erschienen, zu erwähnen seine Ausgaben des Tibull (Lpz. 1755; 4. Aufl. von Wunderlich, 2 Bde., 1817), des Virgil (4 Bde., ebd. 1767‒75; 4., vielfach verbesserte Aufl. von Ph. Wagner, 5 Bde., Hannov. 1830‒41), des Pindar (2 Bde., Gött. 1773; 3. Aufl., 3 Bde., Lpz. 1817) und die «Carmina» des Homer (9 Bde., Lpz. 1802‒22); ferner von Epiktets «Enchiridion» (Dresd. 1756; 3. Aufl. 1783) und Apollodors «Bibliotheca graeca» (4 Bde., Gött. 1782; 2. Aufl., 2 Bde., 1803). – Vgl. Heeren, Christian Gottlob H. (Gött. 1813); Rehberg, Polit.-histor. kleine Schriften (Hannov. 1829). – Eine Tochter H.s war die Schriftstellerin Therese Huber (s. d.).
Heyne, Mor., Germanist, geb. 8. Juni 1837 zu Weißenfels a. S., studierte in Halle, wo er 1864 Privatdocent der altdeutschen Sprache und Litteratur und 1869 außerord. Professor wurde. 1870 als Nachfolger Wackernagels nach Basel berufen, wirkte er dort als Professor der deutschen Sprache und Litteratur und als Vorsteher der mittelalterlichen Sammlung; im Winter 1883 folgte er einem Rufe an die Universität Göttingen. Er veröffentlichte: «Kurze Laut- und Flexionslehre der altgerman. Dialekte» (3. Aufl., Paderb. 1880), Ausgaben des Beowulf (5. Aufl. von Socin, ebd. 1888; eine metrische Übersetzung, ebd. 1863), des Heliand (3. Aufl., ebd. 1883), der «Kleinern altniederdeutschen Denkmäler» (2. Aufl., ebd. 1877) und des Ulfilas (8. Aufl., ebd. 1885), eine «Altsächs. und altniederfränk. Grammatik» (ebd. 1873); auf dem Gebiete der deutschen Privataltertümer, deren bester Kenner er zur Zeit wohl ist, «Über die Lage und Konstruktion der Halle Heorot im angelsächs. Beowulfliede» (ebd. 1864), «Kunst im Hause. Abbildungen von Gegenständen aus der mittelalterlichen Sammlung zu Basel» (2 Tle., Bas. 1881‒83), «Die Baseler Glasmalerei des 16. Jahrh.» (ebd. 1883). Als Fortsetzer des Grimmschen «Deutschen Wörterbuchs» bearbeitete H. 1867‒93 in drei Bänden die Buchstaben H, I, J, L, M, R und den Anfang von S. Von seinem für weitere Kreise berechneten dreibändigen «Deutschen Wörterbuch» erschienen 5 Halbbände (Lpz. 1890‒93).
Heynlin, Joh., a Lapide oder Lapidanus (von Stein), ein hervorragender Theologe und Humanist des 15. Jahrh., der zugleich mit G. Fichet die Einführung der Buchdruckerkunst in Paris und die Berufung der drei ersten Pariser Buchdrucker (1469) betrieb. Der gewöhnlichen Annahme, daß Stein bei Schaffhausen sein Geburtsort war, steht entgegen, daß seine Herkunft der Speyerer Diöcese zugewiesen wird. Um 1425 geboren, studierte er in Leipzig, Freiburg (?) und Basel. Seit 1467 wirkte er, einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, in Paris an der Universität und war 1468 ihr Rektor, 1468 und 1470 auch Prior der Sorbonne. Infolge theol. Streitigkeiten kehrte er 1474 nach Basel zurück, wurde 1478 Professor der neuen Universität Tübingen, 1484 aber nach verschiedenem Wechsel des Wirkungskreises Prediger am Münster in Basel und zog sich 1487 ganz in das dortige Kartäuserkloster zurück. Er starb 12. März 1496. ^[Spaltenwechsel]
Heynrichs, J. N., Pseudonym von Jenny Hirsch (s. d.).
Heyse, Joh. Christian Aug., Schulmann, geb. 21. April 1764 zu Nordhausen, studierte seit 1783 in Göttingen, wurde 1786 Hauslehrer in Oldenburg, 1792 Lehrer am dortigen Gymnasium, 1807 Rektor des Gymnasiums und Direktor einer höhern Töchterschule in Nordhausen und 1819 Direktor der Töchterschule in Magdeburg, wo er 27. Juni 1829 starb. H. war durchaus Praktiker, nicht Gelehrter, seine Bücher auf das Bedürfnis der Schule und des Hauses, namentlich auch der Geschäftswelt berechnet. Er begann mit dem «Allgemeinen Wörterbuch zur Verdeutschung der in unserer Sprache gebräuchlichen fremden Wörter» (Oldenb. 1804), das als «Allgemeines Fremdwörterbuch» zahlreiche Auflagen erlebte (17. Aufl. 1892). Seine grammatischen Arbeiten fanden namentlich in den Bearbeitungen seines Sohnes Karl H. weite Verbreitung: «Theoretisch-praktische deutsche Grammatik» (Hannov. 1814; 5. Aufl., ebd. 1838‒49), «Deutsche Schulgrammatik» (ebd. 1816; 24. Aufl. 1886) und «Leitfaden zum Unterricht in der deutschen Sprache» (ebd. 1822; 25. Aufl. 1885).
Heyse, Karl Wilh. Ludw., Sprachforscher, Sohn des vorigen, geb. 15. Okt. 1797 zu Oldenburg, wurde 1815 von W. von Humboldt zum Lehrer seines jüngsten Sohnes erlesen, studierte seit 1816 in Berlin unter Böckh und Bopp Philologie und Sprachwissenschaft, habilitierte sich 1827 in der Berliner philos. Fakultät, in der er 1829 eine außerord. Professur erhielt. Er starb 25. Nov. 1855 in Berlin. Während seine Studien anfänglich besonders griech. und röm. Autoren galten, wandte er sich seit dem Tode seines Vaters vorzugsweise den deutschen Sprachstudien zu. Von dem «Fremdwörterbuch» und den grammatischen Arbeiten des Vaters veranstaltete er umgearbeitete Ausgaben, die fast ganz als sein Werk gelten dürfen, so namentlich das «Ausführliche Lehrbuch der deutschen Sprache» (2 Bde., Hannov. 1838‒49), worin er die Ergebnisse der neuern histor. und vergleichenden Sprachforschung den Laien zugänglich zu machen suchte. Sein «Handwörterbuch der deutschen Sprache» (2 Bde., Magdeb. 1833‒49) will histor.-etymolog. Begründung und Entwicklung der Wortformen und Bedeutungen mit der Rücksicht auf die Praxis des gegenwärtigen Sprachgebrauchs vereinigen. H.s wissenschaftlich bedeutendste Arbeit, das «System der Sprachwissenschaft» (Berl. 1856), wurde erst nach seinem Tode von Steinthal herausgegeben.
Heyse, Paul, Dichter, Sohn von Karl Wilhelm Ludwig H., geb. 15. März 1830 zu Berlin, besuchte das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und widmete sich seit 1847 unter Böckh und Lachmann der klassischen Philologie, wandte sich aber seit 1849 zu Bonn unter Diez dem Studium der roman. Sprachen und Litteraturen zu. Nachdem er 1853 mit einer Dissertation über den Refrain in den Liedern der Troubadours (Berl. 1852) promoviert hatte, unternahm er eine größere Reise durch die Schweiz und Italien, wo er die Bibliotheken nach roman. Sprachdenkmalen durchforschte. Inzwischen hatte er sich mit der Tragödie «Francesca von Rimini» (Berl. 1850) und den beiden epischen Erzählungen in Versen: «Die Brüder» (ebd. 1852)