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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Huß

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Huß (Magnus von)

Bände von Schriften Wiclifs verbrennen, und als er deshalb vom Volke verhöhnt wurde, lud Johann ⅩⅩⅢ. H. zu seiner Verteidigung nach Rom. Trotz aller Verwendungen des Königs, Adels und der Universität wurde H., weil er nicht erschienen war, verurteilt, und Sbynko sprach 18. Juli den Bann über ihn aus. H. jedoch trat auf Katheder und Kanzel immer entschiedener für eine Reform der Kirche ein. Der Tod des Erzbischofs (28. Sept. 1411) führte noch einen kurzen Stillstand des Kampfes herbei.

Als aber Papst Johann ⅩⅩⅢ. Herbst 1411 für einen Kreuzzug gegen König Ladislaus von Neapel einen Ablaß ausschrieb, der Mai 1412 auch in Prag feilgeboten wurde, trat H. mit aller Entschiedenheit dagegen auf. Es kam zu lärmenden Volksaufläufen, wobei die päpstl. Bullen verbrannt wurden, sodaß der neue Erzbischof Albik im Auftrage des Papstes den bereits gebannten H. auch noch mit der Acht, die Stadt mit dem Interdikt bedrohte. Infolgedessen verließ H. Prag und hielt sich auf verschiedenen Burgen befreundeter Edelleute auf. Diese Zeit der Ruhe benutzte er, seine Ansichten fester zu begründen und in einer Reihe von Schriften, deren bekannteste «De ecclesia» ist, darzulegen. In seiner Lehre erweist er sich durchaus von Wiclif abhängig. (Vgl. darüber Loserth, H. und Wiclif, zur Genesis der hussitischen Lehre, Prag 1884.) Das Gesetz Christi, d. h. die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift ist unbedingte Norm und Quelle der religiösen Erkenntnis, hat eine Autorität, weit höher als die Tradition der Kirche und die Aussprüche des Papstes. Die Kirche ist die Gesamtheit der Erwählten und nicht die äußere Gemeinschaft derer, die den röm. Papst als ihr Oberhaupt, die röm. Hierarchie als das wahre Priestertum anerkennen. Im Gegensatz zu Wiclif hielt H. an der Lehre von der Transsubstantiation fest, daher er auch den Genuß des Abendmahls unter beiderlei Gestalt niemals als notwendig, sondern nur als zulässig bezeichnete.

Als das Konstanzer Konzil (s. d.) in Aussicht stand, sollte auch die Lösung der kirchlichen Wirren Böhmens dort versucht werden. H. war bereit, sich zur Verantwortung zu stellen. König Sigismund gab ihm einen Geleitsbrief, genau in derselben Form wie andern zum Konzil reisenden Personen, und trug drei böhm. Großen auf, für seine Sicherheit Sorge zu tragen. Am 3. Nov. 1414 langte H. in Konstanz an. Da er hier Messe las und in Predigten seine Ansichten frei aussprach, ward er 28. Nov. 1414 auf Befehl des Papstes verhaftet und seit 6. Dez. im Dominikanerkloster gefangen gehalten. Vergebens war der Einspruch der böhm. Großen und der Zorn König Sigismunds. In der Nacht des Palmsonntags 1415 ließ der Bischof von Konstanz den Gefangenen auf seine Burg Gottlieben am Rhein in strenge Haft bringen; am 31. Mai wurde er alsdann in das Franziskanerkloster zu Konstanz übergeführt. Auf die Nachricht von seiner Verhaftung eilte H.’ Freund und Gesinnungsgenosse Hieronymus von Prag nach Konstanz, um ihm beizustehen. Als Ankläger H.’ waren seine erbittertsten Feinde, unter ihnen sein früherer Freund Stephan Palecz, von Böhmen nach Konstanz gekommen. Schon 4. Mai hatte das Konzil die Person, Schriften und Lehren Wiclifs verdammt. Am 5., 7. und 8. Juni 1415 wurde mit H. verhandelt. Eine Reihe von Sätzen aus seinen Schriften wurden ihm als Anklagepunkte vorgelegt. Einige bezeichnete H. als in seinen Schriften nicht vorhanden, andere erkannte er als sein Eigentum an und erklärte sich bereit, sie zu widerrufen, sobald sie aus der Schrift als irrtümlich erwiesen seien. Sich bedingungslos dem Konzil zu unterwerfen, wie ihm die einer freiern Richtung huldigenden, aber seinen Radikalismus befürchtenden Mitglieder des Konzils, Peter d’Ailly u. a. rieten, lehnte H. entschieden ab. Darauf wurde er, auch vom Kaiser aus polit. Gründen preisgegeben, in der öffentlichen Sitzung des Konzils vom 6. Juli 1415 zum Tode verurteilt, von Sigismund dem Kurfürsten Ludwig von der Pfalz und von diesem dem Magistrat von Konstanz zur Hinrichtung übergeben. Das Urteil wurde sofort vollzogen und H. erlitt mit großer Standhaftigkeit die Qualen des Feuertodes. Sein Todestag wurde in Böhmen lange als nationales und kirchliches Fest gefeiert und erst durch die Heiligsprechung des sog. Johann von Nepomuk (s. d.) völlig verdrängt. – Über die in der Folgezeit entbrannten Kämpfe der Anhänger H.’ gegen König und Kirche (Hussitenkriege) s. Hussiten.

Neben seiner Bedeutung als kirchlicher Reformator Böhmens nimmt H. aber auch eine hervorragende Stellung ein als Förderer der czech. Sprache. Er gab ihr eine neue Orthographie (lateinisch und czechisch, hg. von Šembera, Wien 1857), die noch jetzt mit wenigen Veränderungen beobachtet wird. Durch den musterhaften Stil seiner czech. Predigten, Traktate, Briefe u. s. w. (gesammelt von Erben, «Mistra Jana Husi Sebrané spisy české», 3 Bde., Prag 1865‒68) gehört H. zu den hervorragendsten czech. Schriftstellern. Auch gilt er als Dichter von drei geistlichen Liedern in czech. Sprache (abgedruckt im «Kralitzer Cancional» 1576).

Nachdem schon Hutten einige Schriften von H. im Druck herausgegeben hatte, erschien eine größere, aber auch manche dem H. nicht gehörende Stücke enthaltende Sammlung u. d. T.: «Historia et monumenta Joannis Hussii et Hieronymi Pragensis» (2 Bde., Nürnb. 1558; neu und vermehrt herausgegeben 1715). Eine Sammlung von Urkunden zur Geschichte des H. findet sich in den «Fontes rerum austriacarum»: Geschichtschreiber der husitischen Bewegung, hg. von Höfler (3 Bde., Wien 1856‒66) und namentlich bei Palacky, «Documenta Magistri Joh. Hus vitam, doctrinam, causam etc. illustrantia» (Prag 1869).- Vgl. C. Becker, Die beiden böhm. Reformatoren und Märtyrer Johann H. und Hieronymus von Prag (Nördl. 1858); Böhringer, Die Vorreformatoren (2. Aufl., Stuttg. 1879); Krummel, Johannes H., eine kirchenhistor. Studie (Darmst. 1863); Höfler, Magister Johannes H. (Prag 1864); Krummel, Geschichte der böhm. Reformation (Gotha 1866); Palackys einschlägige Partien in seiner Geschichte von Böhmen (besonders in der czech. Ausgabe); Berger, Johannes H. und König Sigismund (Augsb. 1872); Lechler, Joh. von Wiclif und die Vorgeschichte der Reformation (2 Bde., Lpz. 1872); E. Denis, Huss et la guerre des Hussites (Par. 1878); van der Hägen, Jean H., exposé de sa doctrine (Alençon 1887); Lechler, J. H. (Halle 1890).

Huß, Magnus von, schwed. Arzt, geb. 22. Okt. 1807 in der Pfarre Torp in Medelpad, studierte in Upsala Philosophie und Medizin, wurde 1835 Lehrer, 1846 ord. Professor der Medizin am Karolinischen Institut zu Stockholm, war 1860‒64 als Chef des Medizinalkollegiums und 1860‒76 als General- ^[folgende Seite]