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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Hyacinthus

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Hyacinthus

redner, geb. 10. März 1827 zu Orléans, wurde 1851 Professor der Philosophie am Großen Seminar zu Avignon, 1854 Professor der Dogmatik am Seminar in Nantes. 1856 zum Vikar an der Kirche St. Sulpice zu Paris ernannt, entfaltete er hier zuerst seine glänzende Beredsamkeit. 1858 wurde er in den Dominikanerorden aufgenommen, den er 1862 mit dem Karmeliterorden vertauschte. An verschiedenen Orten, zuletzt in Paris, trat er als gefeierter Kanzelredner auf, zu dessen hinreißenden Vorträgen besonders die höhern Gesellschaftsklassen sich drängten. Namentlich erregte Aufsehen der Freimut, mit dem er kirchliche Mißbräuche geißelte. Infolge jesuitischer Intriguen wurde ihm im Juli 1869 von seinem Ordensgeneral Schweigen geboten. H. antwortete mit dem Verzicht auf die Kanzel von Notre-Dame und seinem Austritt aus dem Kloster. Exkommuniziert, nahm er nach dem Ausgang des Vatikanischen Konzils für die altkath. Bewegung Partei, beteiligte sich im Sept. 1871 am Münchener Altkatholikenkongreß, verheiratete sich 1872 mit einer Amerikanerin und wurde 1873 zum Pfarrer der christkath. Gemeinde in Genf gewählt; da aber deren Reformbestrebungen weiter gingen als die seinigen, legte er schon 1874 dieses Pfarramt nieder und kehrte nach Paris zurück. Hier wirkte er durch Vorträge für sein Ideal eines rom- und papstfreien, nationalen Katholicismus, wurde aber darin durch das klerikale Ministerium Broglie, das ihm jede Behandlung dogmatischer und kirchlicher Fragen verbot, eingeschränkt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Nordamerika gründete er 1879 die «Gallikanische Kirche», indem er eine durch die Mittel eines Amerikaners errichtete Kapelle weihte, in der er in franz. Sprache Messe las und predigte. Seit 1884 wirkt H. als Reiseprediger für seine Kirche, die jedoch nur geringes Wachstum aufzuweisen hat. Er schrieb besonders: «La société civile dans ses rapports avec le christianisme» (Par. 1867), «De la réforme catholique. Ⅰ.: Lettres, fragments, discours» (ebd. 1872), Ⅱ.: «Catholicisme et protestantisme» (ebd. 1873), «L’Ultramontanisme et la révolution» (ebd. 1873), «Les principes de la réforme catholique» (ebd. 1878), «Programme de la réforme catholique» (ebd. 1879), «Liturgie de l’Église catholique-gallicane» (ebd. 1879; 4. Aufl. 1883).

Hyacinthus L., Hyacinthe, Pflanzengattung aus der Familie der Liliaceen (s. d.). Man kennt etwa 30 Arten, die fast sämtlich der Flora der Mittelmeerländer angehören, schön blühende Zwiebelgewächse mit grundständigen, schmallinealen oder bandförmig verbreiterten Blättern. Die aus Kleinasien stammende Gartenhyacinthe (H. orientalis L.) ist eine der beliebtesten Zierpflanzen sowohl wegen der schönen Farbe als auch wegen des angenehmen Geruchs ihrer Blüten. Sie stammt aus dem Orient, kam in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. von Bagdad nach Aleppo und wurde 1596 schon in England kultiviert. Im Laufe der Zeit wurde sie im südl. Frankreich und in Italien naturalisiert und in fast ganz Europa im freien Lande oder in Töpfen gezogen, nirgends jedoch so sehr wie in Holland, insbesondere in der Umgebung von Haarlem, wo jährlich 2‒300 ha damit bebaut werden. Dort ist auch die größte Zahl der Varietäten (Sorten) erzielt, die sich durch die Höhe des Blütenschafts, die Zahl der Blumen und die Größe und Beschaffenheit derselben, die entweder einfach oder gefüllt, d. h. zwei-, drei- oder sogar vierfach sind, hauptsächlich aber durch die Farbe voneinander unterscheiden. Die ursprüngliche blaue oder indigoblaue Farbe wandelte sich nach und nach in Weiß, Rosa, Rot, Karmin, Porzellanblau, Purpur, Violett, das sich gleich dem Blau häufig dem Schwarz nähert; auch findet man bei ihnen Gelb und Orange, wenn auch nicht die reinen und intensiven Farben der Tulpe. Früher mehr als jetzt gab es auch Blumen, welche mit mehr als einer Farbe ausgestattet waren, sog. Bizarren.

In Südeuropa, besonders in Frankreich und Italien, wird die römische oder Pariser Hyacinthe (H. praecox Jord.) kultiviert. Dieselbe unterscheidet sich von der gewöhnlichen, die man zum Unterschiede von jenen auch großblumige oder holländische Hyacinthe nennt, durch viel frühere Blütezeit sowie durch kleinere und spärlichere Blumen an einem Blütenschaft. Wegen der frühen Blütezeit werden einige Varietäten dieser Rasse, besonders die Sorte Romaine blanche, zur Frühtreiberei im November und Dezember verwendet.

Die Hyacinthe wird meistens durch Brutzwiebeln fortgepflanzt. Die Aussaat kann nur den Zweck haben, neue Farbenvarietäten zu erziehen; doch blühen die Sämlinge meistens erst im fünften oder sechsten Jahre. Eine Zwiebel der Hyacinthe blüht gewöhnlich mehrere Jahre nacheinander, ja sie scheint sich sogar lange Jahre in ihrem Bestande zu erhalten, in der That aber erneuert sie sich fort und fort, und zwar von der Mitte aus.

Die Hyacinthen verlangen zu ihrem Gedeihen einen sandigen, gut kultivierten Boden mit einem möglichst gleichmäßigen Grundwasserstand von etwa 1 m, sodaß die Wurzeln die gleichmäßig feuchten Bodenschichten erreichen können, die Zwiebeln aber in der obern Schicht verhältnismäßig trocken liegen. In Sandboden, der auch in den tiefern Schichten austrocknet, bleiben die Zwiebeln klein und in zu feuchtem gehen sie durch Fäulnis und andere Krankheiten zu Grunde.

Die Kultur im Großen wird nur in Holland in der Umgegend von Haarlem, bei Berlin und von einem Züchter in Gent in Belgien betrieben. Bei Berlin ist die Kultur der Hyacinthe auch nur auf eine geringere Zahl von Sorten beschränkt, viele Varietäten können auch dort nicht mehr mit Erfolg kultiviert werden. Dagegen gedeihen in Holland alle Sorten und wird von dort der bei weitem größte Teil des Bedarfs der ganzen Welt zum Treiben im Winter gedeckt. (S. Blumenzwiebeln.) Die Zahl der in Holland zum Verkauf kultivierten Hyacinthensorten beträgt jetzt noch über 500, früher war dieselbe eine bedeutend größere.

Die Hyacinthen müssen bei der Kultur im Großen jedes Jahr in neuen 60 cm tief rigolten ungedüngten Boden, der mehrere Jahre mit Gemüse oder andern Gewächsen bebaut und während dieser Zeit gut gedüngt worden ist, gelegt werden. Erst nach einem Zwischenraum von 3 bis 6 Jahren darf ein Boden, auf dem Hyacinthen kultiviert worden sind, wieder für denselben Zweck benutzt werden. Man pflanzt in kältern Lagen von Mitte September an, sonst gewöhnlich im Oktober, später aber haben die Zwiebeln schon zu sehr auf Kosten ihres Vorrats an Reservestoffen getrieben, und der Flor fällt dann wesentlich geringer aus. Man setzt die Zwiebeln 15‒20 cm voneinander in eine mit der Hand gemachte kleine Höhlung, drückt sie bloß seitlich an