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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Impfung

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Impfung (der Wiesen)

Die I. selbst wird mit der Impflanzette (s. die nachstehende Figur) oder mit der Impfnadel ausgeführt, welche beide sich in der Hauptsache nur dadurch voneinander unterscheiden, daß bei jener die Spitze eingeschlagen werden kann, bei dieser dagegen auf einem geraden Stiele festsitzt. Als Ort der I. pflegt man den Oberarm, oder, wie dies zumal bei den Töchtern der bessern Stände in Frankreich und Nordamerika vielfach geschieht, den Oberschenkel zu wählen; in der Regel macht man mehrere, 6‒10 Impfstellen in einer gewissen Entfernung voneinander, damit die einzelnen Pusteln nicht ineinander überfließen. Wenn keine Pockenepidemie herrscht, impft man nur gesunde Kinder, kranke erst nach der Genesung, schwächliche mindestens erst nach Ablauf des ersten Jahres. Am dritten Tage nach der I. entsteht an der Impfstelle ein kleines rotes Knötchen, das am fünften bis sechsten Tage zum Bläschen wird, welches am achten Tage linsengroß ist und in der Mitte einen deutlichen Eindruck (Nabel) hat. Vom neunten Tage an wird der vordem klare Inhalt des Bläschens trübe und eiterig, und dieses trocknet später zum braunen Schorf ein, der in der dritten Woche, ausnahmsweise auch erst nach Monaten abfällt und eine anfangs leicht gerötete, später weiße strahlige oder streifige Narbe hinterläßt. Während des Ausbruchs der Schutzpocken besteht ein leichtes Fieber, welches jedoch mit Beginn der Abtrocknung rasch vorübergeht. Das Jucken in der Impfstelle macht die Kinder zum Kratzen geneigt, woran sie indes zu hindern sind. Bei der Revaccination sind die örtlichen Reaktionserscheinungen in der Regel weit geringer, die allgemeinen dagegen fast regelmäßig viel intensiver, bestehend in schmerzhafter Schwellung des Arms, der Achseldrüsen, Fieber u. s. w.

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Eine Maßnahme, die eine so wichtige und wirksame Waffe gegen die Blatternseuche in die Hand giebt, wie die Schutzpockenimpfung, darf nicht dem guten Willen der Einzelnen überlassen bleiben; vielmehr hat der Staat unzweifelhaft das Recht und die Pflicht, für die geeignetste Ausführung derselben Sorge zu tragen. Ein gesetzlich geregelter Impfzwang erscheint in der That um so gerechtfertigter, als durch den Widerstand einzelner Individuen, welche sich aus Unverstand oder egoistischen Interessen dem Verfahren entziehen, die Wirksamkeit dieser wichtigen Schutzmaßregel wesentlich beeinträchtigt und abgeschwächt wird. In Deutschland wurde aus diesem Grunde zuerst (in Bayern 1807, in Baden 1815, in Hannover 1821) die gesetzliche I. in ausgedehntem Maße eingeführt, dann auch in andern Ländern, während man sich in England, dem Vaterlande Jenners, bis 1857 der Zwangsimpfung erwehrte, bis auch hier das mächtige Gewicht der in dem oben erwähnten Blaubuch enthaltenen Dokumente die Einführung der Impfbill veranlaßte. Im Deutschen Reiche ist trotz lebhafter Agitation der Impfgegner durch das Impfgesetz vom 8. April 1874 die allgemeine zwangsweise I. und Wiederimpfung gesetzlich eingeführt worden, wonach jedes nicht vorher durchblatterte Kind vor Ablauf des auf sein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres impfpflichtig, und jeder Schüler einer öffentlichen oder Privatlehranstalt innerhalb des Jahres, in dem er das 12. Lebensjahr zurückgelegt hat, sofern er nicht nach ärztlichem Zeugnis in den letzten fünf Jahren die natürlichen Blattern überstanden hat oder mit Erfolg geimpft worden ist, der Revaccination zu unterwerfen ist. War die I. ohne Erfolg, so muß sie spätestens im folgenden Jahre, und wenn sie dann auch erfolglos bleibt, im dritten Jahre wiederholt werden. Ein Impfpflichtiger, welcher ohne Gefahr für sein Leben oder für seine Gesundheit nicht geimpft werden kann, ist binnen Jahresfrist nach Aufhören des diese Gefahr begründenden Zustandes der I. zu unterziehen. Weiterhin wird in der deutschen Armee jeder neueingestellte Soldat der Revaccination unterworfen. Die landesgesetzlichen Bestimmungen über Zwangsimpfung bei Ausbruch einer Pockenepidemie bleiben neben dem reichsgesetzlichen Impfzwang bestehen. Die I. durch den Impfarzt erfolgt unentgeltlich; außer den landesgesetzlich bestellten Impfärzten sind nur Ärzte zu I. befugt. Seit 1887 ist die I. als obligatorischer Unterrichtsgegenstand an den Universitäten und als besonderer Prüfungsabschnitt der ärztlichen Approbationsprüfung erklärt worden. Die Landesregierungen haben nach Anordnung des Bundesrats dafür zu sorgen, daß eine angemessene Anzahl von Impfinstituten zur Beschaffung und Erzeugung von Schutzpockenlymphe eingerichtet wird. Die Impfinstitute geben die Schutzpockenlymphe an die öffentlichen Impfärzte unentgeltlich ab. Die öffentlichen Impfärzte sind verpflichtet, auf Verlangen Schutzpockenlymphe, soweit ihr entbehrlicher Vorrat reicht, an andere Ärzte unentgeltlich abzugeben. Eltern, Pflegeeltern und Vormünder sind verpflichtet, mittels der vorgeschriebenen Bescheinigungen den Nachweis zu führen, daß die I. der Kinder und Pfleglinge erfolgt oder aus gesetzlichem Grunde unterblieben ist. Die Vorsteher von Schulen haben bei der Aufnahme festzustellen, ob die gesetzliche I. erfolgt ist. Die Unterlassung der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen ist mit Geldstrafe, die Unterlassung auf amtliche Aufforderung auch mit Haftstrafe, I. durch Unbefugte mit Geldstrafe oder Haft bedroht, Fahrlässigkeit bei der I. mit Geld- oder Gefängnisstrafe, wenn nicht nach dem Strafgesetzbuche härtere Strafe verwirkt ist.

Litteratur. Hoffert, Kritik der hauptsächlichsten gegen die I. angeführten Einwürfe (Danz. 1868); Kußmaul, Zwanzig Briefe über Menschenpocken- und Kuhpockenimpfung (Freib. i. Br. 1870); Bohn, Handbuch der Vaccination (Lpz. 1875); Demme, Nutzen und Schaden der Schutzpockenimpfung (Bern 1876); Jacobi, Das Reichsimpfgesetz vom 8. April 1874 (Berl. 1875); Bollinger, Über animale Vaccination (Lpz. 1879); Lotz, Pocken und Vaccination (2. Aufl., Bas. 1880); Pfeiffer, Die Vaccination, ihre experimentellen und erfahrungsgemäßen Grundlagen und ihre Technik (Tüb. 1884); ders., Die Schutzpockenimpfung (ebd. 1888); M. Schulz, I., Impfgeschäft und Impftechnik (3. Aufl., Berl. 1892); Peiper, die Schutzpockenimpfung und ihre Ausführung (2. Aufl., Wien 1892).

Impfung der Wiesen wird bei der Anlage von Kunstwiesen nach Planierung des Terrains angewendet, um rasch eine Grasernte zu erzielen. Es werden dabei die zuvor abgeschälten und bei Seite gelegten Rasensoden je nach der vorhandenen Menge in Streifen oder größern bez. kleinern rechtwinkligen