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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Inhaberpapiere
Werber, jedoch nur gegen Erstattung des dafür be-
zahlten Preises, wenn er sie auf einem Markt oder
von einem Kaufmann, welcher mit derartigen Waren
handelt, erworben hat, schließt aber jenen Eigen-
tumsanspruch aus bei Banknoten und verfallenen
Conpons und bei I., welche gegen Entgelt und in
gutem Glauben aus Ländern erworben wurden,
deren Gesetz die Eigentumsklage nicht zuläßt.
Der Aussteller muß das auf den Inhaber gestellte
Forderungspapier von dem redlichen Erwerber,
welcher Eigentümer geworden ist, auch dann einlösen,
wenn der Aussteller das Inhaberpapier nicht aus-
gegeben hat, sondern wenn es ihm etwa vor einer
beabsichtigten Ausgabe gestohlen war. Abgesehen
von diesem Fall hat er im allgemeinen weder eine
Pflicht noch ein Recht, die Legitimation des Prä-
jentanten zu prüfen. Es ist für ihn unerheblich, ob
der Präsentant Eigentümer oder von dem Eigen-
tümer benutzter Bote, Pfandgläubiger, Depositar
ist, überhaupt aus welchem Grunde er das Papier
hat. Der Inhaber darf die Forderung (und die
Rechte aus jedem Inhaberpapier) dem Aussteller
gegenüber ausüben, weil er das Papier hat. Na-
türlich darf der Aussteller nicht bezahlen, wenn an
ihn ein gerichtliches (nach dem Schweizer Obli-
gationenrecht auch polizeiliches) Zahlungsverbot
erlassen worden ist. Sonst kann er der von dem
Inhaber erhobenen Klage nur solche Einreden ent-
gegensetzen, welche gegen die Gültigkeit der Urkunde
gerichtet sind oder aus der Urkunde selbst hervorgeben
(Schweizer Obligationenrecht Art. 847) oder welche
ihm gegen den Präsentantcn unmittelbar zustehen
(Deutscher Entwurf); er ist nach dem Sächs. Bürgerl.
Gesetzb. §. 1045 nicht berechtigt, aus der Art" der
Erwerbung der Urkunde durch den Inhaber Ein-
wendungen gegen diesen zu machen. Der Deutscke
Entwurf §. 722 schlägt vorsichtig vor: "Der Inhaber
der Urkunde kann vom Aussteller die Leistung nach
Maßgabe des Versprechens verlangen, es sei denn,
daß er zur Verfügung über die Urkunde nicht be-
recktigt ist. Der Aussteller wird jedoch auch durch die
Leistung an einen nicht zur Verfügung berechtigten
Inhaber befreit." Hat der Aussteller an den Prä-
sentanten gezahlt, obwohl letzterer, wie vom Eigen-
tümer des Papiers nachgewiesen wird, kein Recht
ander Urkunde hatte, so bleibt dem Eigentümer
natürlich der Erheber des Geldes nach Maßgabe
des zw'schen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses
(Auftrag, nützliche Geschäftsführung, Pfandvertrag,
Deposition u. s. w.) oder aus einer grundlosen Be-
reicherung (s. d.) oder aus einem etwa vorliegenden
Delikt (s. d.) auf Erstattung verhaftet.
Um die Gefabren zu vermeiden, welchen der Be-
sitzer durch Entwendung oder Verlieren ausgesetzt
ist, können I. mit Ausnahme von Banknoten, Zins-
coupons und Dividendenscheinen außer Kurs gesetzt
(vinkuliert) werden, sodah die Papiere, solange dieser
Vermerk in Kraft bleibt, aufhören I. zu sein, wenn
das Gesetz desjenigen Staates, unter dessen Herr-
schaft die Papiere ausgestellt sind, die Außer-
kurssetzung gestattet. Die in dieser Beziehung im
Preuh. Landrecht, in Gesetzen von 1835 und 1843 ge-
troffenen Bestimmungen, welche 16. Aug. 1867 auf
die neuern Landesteile ausgedehnt sind, bestimmen,
daß 1) I. dadurch außer Kurs gesetzt werden können,
daß der Inhaber selbst sein Recht daran auf eine in
die Augen fallende Art auf der Urkunde vermerkt
hat; doch haben solche Vermerke, wenn sie von
Privatpersonen auf unter öffentlicker Autorität
ausgefertigteI. gesetzt sind, für das Institut, welchem
die Zinsenzahlung oder planmäßige Tilgung ob-
liegt, keine bindende Kraft. Jedoch finden Art. 300
und 307 des Handelsgesetzbuches auch bei solcher
Außerkurssetzung auf die betreffenden I. keine An-
wendung. 2) Auf den unter öffentlicher Autorität
ausgefertigten I. kann durch einen den Regeln des
Emissionsinstiwts gemäßen Vermerk erklärt werden,
daß sie nicht mehr an jeden Inhaber zahlbar sein
sollen. 3) Eine öffentliche Behörde kann ein In-
haberpapier für sich außer Kurs setzen. Vermerke
der unter 2 gedachten Art können nur durch das
Institut, welches sie gemacht hat, wieder aufge-
doben werden. Im Fall 3 kann die Behörde oder
die an ihre Stelle getretene oder die ihr vorgesetzte
Behörde das Papier wieder in Knrs setzen. Außer
diesen drei genannten Fällen findet das Wieder-
inkurssetzen (Devinkulieren) nur durch einen ge-
richtlichen Vermerk statt.
Eine Außerkurssetzung durch die emittierende
Behörde besteht in Bayern seit 1813; dort werden
Staatspapicre auf den Inhaber auch als Kaution
vinkuliert. Württemberg, Baden, Hessen-Darm-
stadt, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Mciningen,
Schwarzbnrg-Rudolstadt, Hamburg und Lübeck
kennen nur eine Außerkurssetzung dnrch die emit-
tierende Behörde in Form der Einschreibung auf den
Namen des derzeitigen Inhabers (die fog. "persön-
liche Außerkurssetzung"). In einer Anzahl anderer
deutschen Staaten ist eine Außerkurssetzung ohne
Zuziehung des Ausstellers gestattet. Nach den Ge-
sctzen von Sachsen, Oldenburg, Anhalt, Altenburg,
Coburg - Gotha, Reuh ä. L. und Bremen sind alle
öffentlichen Behörden zu Außerkurssetzung befugt,
sür Privatpersonen in Anhalt, Altenburg, Coburg-
Gotha und Reuß ä. L. nur die Gerichte, in Sachsen
auch andere Behörden; ein Außerkurssetzen durch
Vermerk einer Privatperson allein gestatten Sachsen-
Weimar und Schwarzburg-Sondershausen; in
Vremen und Oldenburg ist der private Vermerk ge-
richtlich oder notariell zu beglaubigen. Nur eme
gerichtliche Außerkurssetzung kennt Braunschweig.
In Waldeck erfolgt die Äußerkurssetzung durch das
Gericht, aber auch durch Vorstände von Gemeinden,
Anstalten, Stiftungen, Körperschaften, Vereinen
und Kuratoren. Eine Wiederinkurssetzung durch
privaten Vermerk ist nirgends gestattet. In Oster-
reich ist eine Vinkulierung zulässig. Ausländische
Papiere würden in Deutschland mit rechtlicher Wir-
kung nur außer Kurs gesetzt werden können, wenn
das ausländische Gesetz dies gestattet. Nach den
Usancen der Berliner und Frankfurter Vörfe sind in-
dessen ausländische Effekten mit Außer- und Wieder-
inkurssetzung nicht lieferbar. Ausgenommen sind
biervon allein die österr.-ungar. Papiere, wenn sie
legal devinkuliert sind. Wegen der großen Beden-
ken, welche die Außerkurssetzung und namentlich
die Prüfung der Wicdcrinkurssetzung hat, ist das
Institut vom Deutschen Entwurf aufgegeben. Dort
findet sich §. 734 nur die Bestimmung, daß die
Umschreibung einer auf den Inhaber lautenden
Schuldverschreibung auf den Namen eines bestimm-
ten Berechtigten durch den Aussteller erfolgen kann,
ohne daß derselbe dazu verpflichtet ist.
Wird ein Inhaberpapier zufolge einer Beschä-
digung oder Verunstaltung zum Umlauf un-
geeignet, so verpflichten die Gesetze den Aussteller
zur Ausgabe eines neuen Inhaberpapiers gegen
Rückgabe des alten auf Kosten des Inhabers, sosern