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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italien (Heer, Flotte. Kolonien. Wappen. Kirchl. Verhältnisse. Unterrichtswesen)

einnahme von 60457; 3370 milde Stiftungen für Kultus und Wohlthätigkeit mit 6782591, ferner 2359 Kultusinstitute mit 1512173 Lire Gesamteinnahme aufgeführt. Die Gesamteinnahme der Institute, welche Mitgifte verteilen, war 3 Mill. Lire. 1881-92 hat der Wohlthätigkeitstrieb in I. einen Wert von 209466922 Lire zu dem frühern Vermögen hinzugefügt, 387 Stiftungen wurden neu begründet und mit 89681907 Lire ausgestattet. In den Gemeinderechnungen für 1889 figurieren 42 Mill. Lire unter dem Kapitel Wohlthätigkeit und Gesundheitspflege; 20 Mill. Lire wurden von den Provinzen aufgebracht. Der größte Teil dieser Summen ging als Unterstützung an die bestehenden Wohlthätigkeitsanstalten. Eine Umfrage stellte fest, daß 1887: 6115 Gemeinden an 769809 Personen 10,9 Mill. Lire bares Geld als Unterstützung verteilt hatten; 1727 Gemeinden hatten keine Mittel dazu.

Über Heer und Flotte s. Italienisches Heerwesen.

Über die Kolonien s. Erythräa und Abessinien.

Das Wappen ist ein silbernes Kreuz im roten Felde, umgeben von den Großinsignien der Ritterorden; Schildhalter zwei Löwen; auf dem mit einem Purpurmantel behängten Schilde ruht die Königskrone. Auf dem Kreuz der Königshelm mit der eisernen Krone. (S. Tafel: Wappen der wichtigsten Kulturstaaten, Fig. 9 beim Artikel Wappen.) Die Flagge ist grün, weiß, rot senkrecht gestreift; in der Mitte das Wappen. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten beim Artikel Flaggen.)

Kirchliche Verhältnisse. Die kath. Kirche besitzt in Rom ihren Mittelpunkt, außer den 6 Kardinalbischöfen dort giebt es in I. 49 Erzbistümer und 221 Bistümer. 76 Bistümer und 12 Erzbistümer stehen unmittelbar unter dem Heiligen Stuhl. Für die Installierung ist das Exequatur des Königs notwendig. Pfarren bestehen (1881) 20465. Kirchen und Kapellen 55263. Die Macht des Klerus ist in steter Abnahme begriffen, seitdem 1850 in Sardinien und 1861 im ganzen Königreich die Privilegien und die besondere kirchliche Jurisdiktion aufgehoben wurden. 1866 wurde die allmähliche Aufhebung aller Klöster beschlossen. Das Vermögen wird nach bestimmten Grundsätzen auf den Staat übertragen. 1892 hatte man die unbeweglichen Güter von 18528 fortbestehenden religiösen Körperschaften in Besitz genommen und gefunden, daß deren der Steuer auf die Tote Hand unterliegende Rente 25,34 Mill. Lire betrug. Die Rente der aufgehobenen 42529 religiösen Körperschaften belief sich auf 32520843 Lire. Den berechtigten Dritten wurden infolge der Aufhebungsgesetze Liegenschaften im Werte von 138933662 Lire übertragen. Dem Staate fielen Gebäude zu, die nicht veräußert werden dürfen, im Werte von 85 Mill. Lire und veräußerliche unbewegliche Güter im Werte von 649 Mill. Lire. Von letztern sind auf Versteigerungen oder privatim für 612 Mill. Lire veräußert worden; der Schätzungswert war nur 480 Mill. Lire gewesen. 1892 zahlte der Kultusfond noch an 12148 Mönche und 8918 Nonnen Jahrespensionen von 6,7 Mill. Lire. Die nichtkath. Religionsgemeinschaften (Protestanten und Israeliten) verwalten ihre Angelegenheiten selbständig.

Unterrichts und Bildungswesen. Die geistige Kultur des Volks ist noch unentwickelt, wie die hohen Ziffern der Analphabeten beweisen; doch sind Fortschritte unverkennbar. Von der über 6 J. alten Bevölkerung konnten (1861) 68,09 Proz. männliche und 81,27 Proz. weibliche Personen nicht lesen; 1871 waren es 61,86 und 71,73, 1881: 54,56 und 69,Z2 Proz. Bei der Eheschließung mußten (1891) 41,12 Proz. der Männer und 59,16 Proz. der Frauen mit einem Kreuz unterzeichnen. 1866 waren die Ziffern bedeutend höher (59,96 und 78,9? Proz.). Auch bei den Rekruten zeigt sich der Fortschritt: 1866 wurden 64,0i, 1881:50,77, 1890 beim Landheer 41,10 und bei der Flotte 39 Proz. Analphabeten gezählt. Auf die verschiedenen Landesteile verteilen sich die Ziffern sehr ungleich. Oberitalien, besonders die Provinzen Turin, Sondrio und Novara, steht viel günstiger als Unteritalien und die Inseln da. Der öffentliche Unterricht steht unter Aufsicht des Staates; dieser unterhält zum Teil in Verbindung mit den Provinzen und den Gemeinden das gesamte Schulwesen. Privatschulen bedürfen staatlicher Erlaubnis. Im ganzen betrug der Etat des Ministeriums für öffentlichen Unterricht 1890/91: 40,6 Mill. Lire; die Provinzen brachten 5,6, die Gemeinden (einschließlich staatlicher Unterstützungen) 72,237 Mill. Lire auf. Dazu kommen zahlreiche Stiftungen und Schenkungen aller Art.

Der Elementarunterricht ist für Kinder von 6 bis 9 Jahren obligatorisch (Gesetz vom 15. Juli 1877). Doch kann der Schulzwang thatsächlich nicht durchgeführt werden, da es an Geld und an Lehrkräften fehlt. 1889/90 gab es 48198 Lehrzimmer, in denen 1189562 Knaben und 999368 Mädchen unterrichtet wurden. Die Zunahme des Schulbesuchs beträgt seit 25 Jahren gegen 80 Proz. Die Schulen zerfallen in zwei Grade. Je eine Schule untern Grades für Knaben und für Mädchen soll jede Gemeinde haben und zwar nicht mehr als 70 Kinder für einen Lehrer. Gemeinden mit Anstalten für Sekundärunterricht oder solche, die über 4000 E. zählen, sollen Volksschulen höhern Grades errichten. Der Unterricht ist frei. Religionsstunden werden auf Wunsch der Eltern erteilt. Die Kosten des Volksschulwesens (61,768 Mill. Lire) tragen fast ausschließlich die Gemeinden (55,374 Mill. Lire). Privatelementarunterricht wurde in 8196 Lehrzimmern an 62537 Knaben und 122296 Mädchen erteilt. Zur Heranbildung von Lehrkräften dienen 141 staatliche und nichtstaatliche Seminare (Normalschulen genannt) mit 1908 männlichen und 13276 weiblichen Zöglingen.

Der mittlere Unterricht zerfällt in zwei Unterarten. Den humanistischen Unterricht erteilten (1890/91) 180 staatliche und 553 nichtstaatliche Untergymnasien (ginnasi) mit 25698 und 31039 Schülern sowie 113 staatliche und 197 nichtstaatliche Obergymnasien (licei) mit 9007 und 6007 Schülern. Letztere bereiten für die Universitäten vor. Für die technischen Fächer bestehen, etwa den deutschen Realschulen entsprechend, 184 staatliche und 213 nichtstaatliche scuole tecniche mit 20523 und 13104 Schülern, für die höhern 54 bez. 19 istituti tecnici mit 6540 und 1260 Schülern; für die Bedürfnisse der Handelsflotte 21 Specialschulen (istituti di marina mercantile). An den Unkosten dieser Anstalten sind Staat und Gemeinden, zum Teil auch die Provinzen und Handelskammern beteiligt.

Für höhern Unterricht dienen 17 staatliche und 4 freie Universitäten. Die erstern haben 1-4 Fakultäten (Macerata hat nur die jurist. Fakultät); die deutsche Einteilung in Semester ist unbekannt. Die Zahlen der Studierenden (1890/91) erhellt aus folgender Zusammenstellung: