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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Jena
tcrieregiments Karl Alexander, Großherzog von
Sachsen, Postamt erster Klasse und Telegraph. Von
den Befestigungen der Stadt stehen noch einige
Türme und das alte Johannisthor; der ehemalige
Wallgraben ist in eine parkartige Promenade ("Der
Graben") umgewandelt und enthält die Büsten des
Naturforschers Oken, des Philosophen Fries, Fritz
Reuters, 1888 enthüllt, des Nationalökonomen und
Landwirts F. G. Schulze. Auf dem Markte steht
das von Drake modellierte Standbild (1858) Johann
Friedrichs des Großmütigen, des Stifters der Uni-
versität; auf dem Eichplatz das 1883 errichtete Vur-
schenschaftsdenkmal von Donndorf: ein Student in
der Tracht von 1817 mit Schwert und Fahne, in
Marmor, am Postament die bronzenen Reliefpor-
träte der drei Stifter der Burschenschaft, Riemann,
Horn und Scheidler. I. hat zwei evang. Kirchen,
darunter die spätgot. Stadt- oder Michaeliskirche
l15. Jahrh.), mit Turm (72 m), eine evang. Kapelle
und eine kath. Kirche. Das schloß, ehemals Resi-
denz der Herzöge von Sachsen-Jena, bis 1806
Absteigequartier Goethes, enthält wissenschaftliche
Sammlungen der Universität nebst Arbeitsräumen
und Hörsälen. Von Gebäuden sind sonst noch zu
nennen: die neue Universitätsbibliothek, die Irren-
heilanstalt, 1879 von den Berliner Architekten Gro-
pius und Schmieden erbaut, daneben das Ober-
landesgericht und das Stoysche Erziehungsinstitut,
die neuen Universitäts-Institute und der Gasthof
zum schwarzen Bären, wo 1522 Luther auf seiner
Rückkehr von der Wartburg nach Wittenberg über-
nachtete und 1524 mit Kartstadt zusammentraf. Zu
einem eigentümlichen Schmuck gereicken der Stadt
die sehr zahlreichen an ihren Häusern bei dem im I.
1858 gefeierten 300jährigen Jubiläum der Universi-
tät angebrachten Gedenktafeln berühmter Männer.
Die Universität entwickelte sich aus einem
Gymnasium, das von Kurfürst Johann Friedrich
als Pflegstätte des luth. Glaubens 1548 gegründet
worden war. Die Erhebung zur Universität ver-
weigerte Kaiser Karl V., aber sein Bruder Ferdinand
erteilte schließlich die Bestätigung und die Eröffnung
fand 22. Febr. 1558 statt. Sie ist gegenwärtig die
gemeinsame Universität der herzoglich sächs. Länder,
von denen sie auch nach einer bestimmt festgefetzten
Nepartition dte nötigen Geldzuschüsse erhält. Be-
rühmte Gelehrte der ersten Zeit waren Vikt. Strigel,
Joh. Stigel, Matth. Flacius, Matth. Wesenbeck.
Um 1620 und 1720 war die Frequenz der Univer-
sität außerordentlich groß. Die Blüte erreichte sie
unter Herzog Karl August 1787 - 1806 unter
Goethes Leitung. Es lehrten dort Fichte 1794-99,
^chelling 1798-1803, Hegel 1802-7, Oken 1807
-19 und Schiller. Als die Verbreiterin der Kanti-
schen Philosophie ging auch die erste Litteratur-
zeitung für Deutschland, von Schütz 1785 gegrün-
det, von I. aus und trug, wie die seit 1804, nach
Übersiedelung der Schützschen nach Halle, von Eick-
städt besorgte "Ienaische allgemeine Litteraturzei-
tung" und die 1842-48 u. d. T. "Neue Ienaische
Litteraturzeitung" herausgegebene, viel zur Ver-
breitung neuer geläuterter Ansichten und gründ-
licher Wissenschaftlichkeit bei. Die Stiftung der
Burschenschaft (s. d.) in I. brachte der Universität
mannigfache Nachteile, namentlich 1819 das Verbot
des Besuchs derselben von seiten preuß. Untertha-
nen, das erst 1825 wieder aufgehoben wurde. Die
Universität hatte (Sommer 1893) 91 Docenten und
735 (Winter 1893/94: 655) Studierende. Das alte
Universitätsgebäude (früher Kloster) enthält u. a. die
Aula, die Kollegienkirche, das anatom. Institut mit
Museum und die physiol. Anstalt. In der Nähe
des 1861 eingerichteten neuen Universitäts-(Kollc-
gien-)Gebäudes liegt die Universitätsbibliothek (über
200 000 Bände und 100 000 Dissertationen) und der
schöne botan. Garten; ferner gehören zur Universi-
tät verschiedene Institute, Laboratorien und Museen,
ein landwirtschaftliches Institut, ein Münzkabinett,
die großherzogl. Landesheilanstalten, die Tierarznei-
schule und eine Sternwarte mit Meteorolog. Sta-
tion; der Sternwartengarten, 1795-1802 Eigen-
tum Schillers, birgt eine Schillerbüste.
Ferner hat die Stadt ein großherzogl. Gymna-
sium Carolo-Alerandrinum, 1876 eröffnet (Direktor
Dr. Richter, 17 Lehrer, 9 Klassen, 187 Schüler), das
Pfeiffersche und das Stoysche Lehr- und Erziehungs-
institut für Knaben, 2 höhere Mädchenschulen,
2 Bürgerschulen, von denen die eine mit dem päda-
gogischen Seminar der Universität verbunden ist,
eine Lehrmittelsammlung (ThüringcrSchulmuseum)^
ein Lese-Institut (Litterarisches Museum) sowie meh-
rere wissenschaftliche Vereine, wie die Medizinisch-
Naturwissenschaftliche Gesellschaft, die Geographi-
sche Gesellschaft für Thüringen und der Verein für
thüring. Geschichte und Altertumskunde, 3 Frei-
maurerlogen, endlich 2 Hospitäler, ein Armenhaus,
Sparkasse, Vorschuhverein, Hochdruckwasserleitung,
Gasanstalt und Schlachthaus. Die Industrie ist
wenig bedeutend; I. hat eine Glasschleiferei und
optische Werkstätte (Karl Zeih, s. d.), ein mit Unter-
stützung des Deutschen Reichs errichtetes glastech-
nisches Laboratorium, besonders für optifche Gläser
(Schott und Gen.), Vaseline-, Cement-, Fleisch- und
Wurstwarenfabriken, eine Blechemballage- und Ma-
schinenfabrik und zwei Brauereien.
Eine alte steinerne Brücke führt nach dem ehemali-
gen Kamsdorf, jetzt mit dem nahen Wenigenjena
vereinigt. Im Gasthaus zur Tanne daselbst wurde
1815 die Deutsche Burschenschaft gegründet und
wohnte Goethe 1817 und 1818; in der Kirche da-
selbst wurde 1790 Schiller getraut. In den benach-
barten Ortschaften Lichtenhain, Ziegenhain, Ammer-
bach, Wöllnitzu.s.w. wird ein weitverbreitetes Weiß-
bier, LichtenhainerBier genannt, gebraut. Von
der schönen Umgebung sind zu nennen der nach
^ Vollradisroda sich erstreckende Forst mit dem "Forst-
Haus" und einem 1874 zum Gedächtnis der 1870/71
gebliebenen Ienenser erbauten Denkmal, zugleich
Äussichtsturm, der Landgrafenberg mit neuem
burgartigen Restaurationsgebäude, rechts der Saale
der Fuchsturm auf dem Hausberg (s. d.), der ein-
zige Rest der drei Kirchbergschen Schlösser (vgl.
Schmid, Geschichte der Kirchbergschen Schlösser
auf dem Hausberge bei I., Neust. 1830), der Ienzig
und die Kunitzburg.
Geschichte. I., urkundlich zuerst 1182 als (^6Q6,
dann als "Isken" erwähnt (Ibena, Asna sind latini-
sierte Formen), gehörte zur Herrschaft der mächtigen
Herren von Lobedaburg. 1331 kam es in Besitz der
thüring. Landgrafen und 1485 an die sachsen-ernesti-
nische Linie. 1672-90 war I. Hauptstadt des Her-
zogtums Sachsen-Jena, kam hierauf an Sachsen-
Eisenach und mit diesem 1741 an Sachsen-Weimar.
Besonders denkwürdig ist die Stadt auch durch
die Schlacht bei I., 14. Okt. 1806. Der Oberfeld-
herr des preuh.-sächs. Heers, Herzog Karl Wilhelm
Ferdinand von Vraunschweig, der den linken Flügel
seiner nördlich vom Thürmgerwald genommenen