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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kamenen - Kameralwissenschaft
Kamenen (richtiger als Kamönen), Göttin-
nen, s. (^llM6N^6.
Kamenöz-Podolsk. 1) Kreis im westl. Teil
des russ. Gouvernements Podolien, links am Dnjepr,
von Galizien durch den Sbrutsch getrennt, mit Aus-
läufern der Karpaten und Schwarzerde, hat 2884,2
cikm, 219 569 E. (Kleinrussen), darunter 18 Proz.
Polen und 14,9 Proz. Israeliten; Getreidc-
und Zuckerrübenbau, Viehzucht, Zuckerfabriken. -
2) Hauptstadt des Gouvernements Podolien und des
Kreises K., auf einer steilen von demFlüftchcn Smot-
ritsch gebildeten Halbinsel. Damit verbunden ist eine
untere Stadt zu beiden Seiten des Flusses. Der
Stadt gegenüber auf einem steilen Felsen liegt eine
alte Festung. K. ist Sitz eines Civilgouvernenrs,
des griech. Erzbischofs von Podolicn und Vrazlaw,
ferner Sitz des Kommandos der 2. kombinierten
Kosakendivision sowie der 2. Brigade derselben, hat
(1892) 30989 E., darunter die .Hälfte Israeliten,
in Garnison ein Kuban- und ein Terek-Kosakenregi-
ment, 73 russ., 5 kath., eine armenisch-kath. Kirche,
eine Synagoge, 24 israel. Vethäuser, ein russ.
Mönchs- und 2 kath. Nonnenklöster, ein Gym-
nasium für Knaben, eins für Mädchen, ein Geistliches
Seminar, 2 Theater, 2 Zeitungen; eine Filiale der
Neicksbank; Handel und Industrie sind unbedeutend.
- K. war ehemals eine Hauptfestung Polens und
wird von den russ. Chroniken schon am Ende des
12. Jahrh, erwähnt. Vergebens belagerten es 1621
die Türken, mit denen hier die Polen 17. Dez. 1653
Frieden schlössen. Durch Nikolaus Potocki wurde
es 1672 an Mohammed IV. übergeben und blieb
nun bis 1699 in der Gewalt der Türken, während
welcher Zeit es mehrmals von den, Polen belagert
wurde. K. kam 1795 an Rußland und wurde zur
Hauptstadt der Podolischen Statthalterschaft, 1796
zur Gouvcrnementsstadt erhoben.
Kamenitz an der Linde, Stadt in der österr.
Vezirkshauptmannschaft Pilgram in Böhmen, an
dem zur Nezarka gehenden Braolobache, Sitz eines
Bezirksgerichts (293,40 cikm, 29 Gemeinden, 63 Ort-
schaften, 22502 czech. E.), bat (1890) 2222, als Ge-
meinde 2772 czech. E., Post, Telegraph, ein Schlosi
des Barons Geymüllcr; Knochenstampfe, Dampf-
brett- und Schindelsäge, Mühle, Tuchwalke und
zwei Eisenhämmer.
Kamenschtschiki, Bewohner des Altai (s. d.).
Kamenz. 1)Amtshauptmamlschaft in der sächs.
Kreishauptmannschaft Bautzen, hat 695,9 lhlvin und
(1890) 62 278 (30 092 männl., 32186 weibl.) E.,
4 Städte, 121 Landgemeinden und 50 Gutsbezirke.
- 2) Hauptstadt der Amtshauptmannschaft K., eine
der ehemaligen Scchsstädte
(s. d.) des Markgrafentums
Oberlausitz, an der Schwarzen
Elster, in 200in Höhe, am Hut-
bergc, an der Liuie Arnsoorf-
K. (24,8 Ivin) und der Neben-
linie K.-Elstra (8 km) der
Sächsischen sowie an der Linie
Lübbenau-K. (71,4 km) der
Preuß. Staatsbahnen, Sitz
der Amtshauptmannschaft und eines Amtsgerichts
(Landgericht Vautzen), ist nach dem großen Brande
vom 4. zum 5. Aug. 1842 neu und durchgängig
massiv aufgebaut lind hat (1890) 7749 (38l6
männl., 3933 wcibl.) E., darunter 459 Katholiken;
Postamt erster Klasse, Telegrapb, vier evang. Kir-
chen, darunter die got. Haupttirche mit schönen l
Artikel, die man lml?r 5t vorm
Steinmetzarbciten aus Granit und einem kunst-
vollen Epitaphium der Familie von Ponickau, die
Kloster- und die Iodokuskirche, außerdem ein
schönes Rathaus, zwei Bürger-, eine Tuchmacher-
fachschule, eiue Stadt- und eine (Dunkersche) ^tif-
tungsbibliothek für die Schulen. Die Industrie er-
streckt sich besonders auf Tuch-, Glas- und Thon-
warenfabrikation,DampffärbcreiundGlasraffinerie.
Die ausgedehntenGranitbrüchc liefern eintrMiches
Baumaterial. K. ist der Geburtsort G. E. Lessings,
dessen Andenken das Lessingsstift (Krankenanstalt
sür Bedürftige), eine Kolossalbüste (von Knauer in
Leipzig) auf dem Schulplatze, eine Gedenktafel an
der Stelle feines Geburtshauses sowie ein massiver
Aussichtsturm auf dem Hutberge gewidmet sind. In
der Nähe das gegen rheumatische Leiden sehr heil-
kräftige Bad Marienborn-Schmeckwitz (1893:
275 Kurgäste). - K. wurde bald nach 1200 von
Bernhard I. aus dem meißnisch-osterländischen
Hause der Vesta als deutsche Stadt gegründet und
ging 1318 in den Besitz des Markgrafen Waldemar
von Brandenburg über. 1346 trat K. als selbständige
Stadt dem Bund der Sechsstädte (s. d.) bei und er-
warb 1409 das Schloß, das 1431 abgebrochen wurde.
Die Gerichtsbarkeit übte seit 1318 ein landesherr-
licher "Erbrichter" mit Schöffen aus der Bürger-
schaft, doch erwarb die Stadt schon 1383 dies Amt
für sich und dehnte die Gerichtsbarkeit auch über
die von der Gemeinde oder einzelnen Bürgern er-
worbenen Landgüter aus. Der Pönfall, den Ferdi-
nand I. 1547 über die Sechsstädte verhängte, weil
sie ihre Truppen im Schmalkaldischen Kriege zu früb
zurückgezogen hatten, entzog der Stadt ihren Land-
besitz und die Gerichtshoheit. K. war bis zur Refor-
mation Sitz eines Erzpriestcrs und seit 1496 auck
eines Franziskanerklosters; doch schloß sie sich der
Reformation sehr schnell an, die Klostergebäudc
sielen 1565 an die ^tadt. Mit der Oberlausitz kam
K. 1635 an Sachsen. - Vgl. Ilrkundenbuch der
Städte K. und Löbau, hg. von H. Knothe im "(^oäLx
äjpioinHticuZ 8ux0nm6 i'6ß'i3.6", Bd. 7 (Lpz. 1883).
Kamenz, Dorf in Schlesien, s. Camenz.
Kamerad (frz. cainNi^äo), Standesgefäbrte, im
allgemeinen Bezeichnung für jemand, der mit einem
oder mchrern andern gleiche Rechte und Pflichten
in gleichem Stande teilt; wahrscheinlich abzuleiten
von lat. clunm-ii (Stube) und uvMünHlvch auf die
Schlafgenossenschaft in einer ^tube zu beziehen; be-
sonders beim Militär gebräuchlich.
Kameralist, Keuucr der Kameralwissenschaft.
Kamerallvisfenschaft (Omsi^Iia), früher der
Inbegriff der Kenntnisse für eine zweckmäßige Ver-
waltung der Einkünfte der fürftl. Kammer. Da
diese Einkünfte in Abhängigkeit von dem wirt-
schaftlichen Gedeihen des Landes standen, so schloß
sich der K. auch die Lchre von dcr Wohlfahrtspolizei
an. Sie umfaßte daher einerseits die allgemeinen
Lehren von der Land- und Forstwirtschaft, dem
Bergbau, dem Gewerbe- und Fabrikwcsen, anderer-
seits auch die theoretischen Grundsätze der Wirt-
schaftslehre und der Volkswirtschaftspflege und die
Finanzwisfenfchaft in ihrer primitiven Gestalt. Sie
war also wesentlich ein aus praktischen Gründen
abgegrenzter Wisscnskreis, aus dem sich, wenigstens
in Deutschland, die Volkswirtschaftslehre, die Ver-
waltungslehre und die Finanzwiffenschast c^s^e-
schieden hat. Als Vertreter der ältern deutschen K.
sind unter andern zu uennen Obrecht (gcst.^16l2),
Besold (gest. 1638), Klock (gest. 1655), von '^ccken-
ißt, sind untcr (5 aufzusuchen.