Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Kanalisation'
die großem gemauerte Kanäle oder solche von Beton mit Querschnitten verschiedener Form.
Die Form der Kanäle ist abhängig von dem Unterschied
des abzuführenden Minimal- und Maximalwasserquantums und der zur Verfügung stehenden Höhe
und vom Gefälle. Ist ersterer Unterschied nicht sehr groß, so werden gewöhnlich
ei-, kreis-, maul- oder tunnelförmige Profile gewählt (s. Fig. 5–8); ist er bedeutend,
so wird die Sohle mit einer besondern Vertiefung versehen für den Abfluß des Minimalwassers,
wodurch verhindert wird, daß das Minimalwasser die ganze Sohle verschlammt (s. Fig. 9).
Die Fig. 10 zeigt eine für das Trennungssystem bestimmte, in Budapest ausgeführte Anordnung,
bei welcher im obern Kanal das Regenwasser läuft.
Maßgebend für die Berechnung des Querschnitts sind das
Wasserquantum, das Gefälle und der benetzte Umfang. Bei der Berechnung eines Leitungsnetzes
beginnt man bei den sog. Schwanzenden, ermittelt nach den gemachten Annahmen die Wassermengen
und berechnet den Querschnitt, indem man von den Schwanzenden bis zur Stelle, an welcher
das Wasser ausgelassen wird, fortfährt und die Zuflüsse aus den Grundstücken und den übrigen
einmündenden Kanälen mit in Rechnung zieht. Es wird also begonnen mit Thonröhren kleinster
Dimensionen, die in gemauerte Profile immer größerer Höhe und schließlich in die meist
in Tunnel- oder Kreisform hergestellten Hauptsammler übergehen.
Für die Revision und Reinigung der Leitungen dienen
Einsteigschächte (s. d.) und Lampenschächte (s. d.).
Die Lüftung der Leitungen erfolgt entweder durch
Anschluß der Abfallrohre oder der Regenrohre der Hausleitungen an dieselben oder durch
Öffnungen, welche in den Deckeln der Einsteigschächte vorgesehen sind. Wo es angeht,
also bei Lage der Stadt an einem natürlichen Wasserrecipienten, bilden die sog.
Notauslässe (s. d.) ein wichtiges Entlastungsmittel der Kanäle
bei plötzlichen Regenfällen. Für die Reinigung der Leitungen ist die Anlage von
Spülvorrichtungen (s. d.) erforderlich. Überhaupt
muß bei Anlage einer K. auf die Möglichkeit einer bequemen und sichern Reinigung im Betrieb
in ausreichender Weise gesorgt werden. In Berlin erfolgt die Spülung jeder einzelnen
Thonrohrleitung etwa alle 12 Tage, das Begehen jedes einzelnen Kanalstranges etwa
alle 20 Tage, das Durchziehen einer Bürste durch jede einzelne Leitung, je nach
Beschaffenheit der in dieselben gelangenden Abwässer, etwa alle 2-6 Jahre.
Besondere Konstruktionen erfordern die Stellen, an denen Kanäle verschiedenen Querschnitts
zusammengeführt werden. Besonders große Abmessungen (dann Brunnenstuben genannt) erhalten
diese Bauwerke, wenn sie große Kanäle vereinigen und Einsteigschächte haben. Ziemlich
verwickelte Bauwerke sind bei Kreuzungen mit Wasserläufen, Gas- und Wasserleitungen und
ältern vorhandenen Kanälen nötig. Fig. 22 u. 23 stellt eine Kreuzung eines Notauslasses N
mit einem Kanal K und einem Gasrohr G dar; N geht unter dem Kanal K und dem Gasrohr
hinweg: E sind Einsteigschächte.
Hat das Kanalwasser das Ende der Kanäle erreicht, so kann es entweder direkt in den nächsten
großen Wasserlauf eingelassen werden oder muß gesammelt und mittels Pumpen in sog.
Pumpstationen (s. d.) weiter
befördert werden. Das erstere Verfahren ist aber nur da anwendbar, wo der Fluß entsprechend
↔ wasserreich ist und genügendes Gefälle besitzt. Andernfalls muß zur
Vermeidung einer fühlbaren Flußverunreinigung (s. d.) der Kanal
einer vorgängigen Reinigung entweder durch Kläranlage
(s. Wasserreinigung) oder durch Rieselfelder (s. d.)
unterzogen werden. Letztere sind vorzuziehen, weil sie eine ausgiebigere landwirtschaftliche
Verwertung des Kanalwassers gestatten. Wo aber Areal für die Berieselung fehlt, sind die
kostspieligen Kläranlagen nötig. Häufig werden am Ende der Kanalleitung sog. Fangbecken
angelegt, in welchen die gröbern und schwimmenden Teile des Kanalinhalts abgefangen werden.
Kanalisationsanlagen gehören zu den kostspieligsten sanitären Einrichtungen der Neuzeit,
weshalb viele kleinere Städte mit der Einrichtung derselben zögern. Die Statistik zeigt,
daß der Gesundheitszustand und die mittlere Lebensdauer
der Bevölkerung einer Stadt sich um so günstiger gestaltet, je besser die Stadt kanalisiert
wird und je mehr die Kanalisationsarbeiten fortschreiten. Fast alle größern Städte,
namentlich Englands, können hier als Beweismaterial dienen. Um nur ein Beispiel anzuführen,
so verminderte sich nach Buchanan infolge der sanitären Einrichtungen in 24 Städten Englands
die Sterblichkeit von 24,7 auf
21,9 Promille; in London sank sie von (1840–49)
25,1 Promille auf (1870–79)
23,0 Promille; in Danzig von (1863–69)
36,85 auf (1872–76) 28,54.
Manche Krankheiten, namentlich der Abdominaltyphus, haben mit den Fortschritten
der Kanalisierung der Städte überhaupt aufgehört, so in München, Danzig u. s. w.
Einen Begriff von den beträchtlichen Kosten einer K. giebt die Thatsache, daß die Baukosten
der bis 1883 fertig gestellten fünf Kanalsysteme in Berlin, einschließlich der
Druckrohrleitungen und Pumpstationen, aber ohne Rieselfelder,
35,62 Mill. M. betrugen. Für die K. Münchens sind
bis Ende 1890 rund 7,3 Mill. M. verausgabt worden.
Folgende Tabelle, von Professor Baumeister zusammengestellt, giebt vergleichende Kosten
ganzer K. ausschließlich der etwaigen Reinigungsanlagen und der privaten Hausanschlüsse.
| Länge | Baukosten | Jahreskosten |
| der Kanäle | in | auf 1 Kopf |
Stadt | in Meter | Mark | in Mark |
| Für | Für | Für | Für | Für | Kanal- | Pumpen- |
| 1 Kopf | 1 ha | 1 Kopf | 1 m | 1 qm | betrieb | anlage |
Augsburg | 0,70 | 180 | 35 | 50 | 0,9 | – | – |
Berlin | 0,70 | 210 | 48 | 68 | 1,4 | 0,26 | 0,41 |
Breslau | 0,40 | 130 | 20 | 50 | 0,7 | 0,14 | 0,13 |
Danzig | 0,50 | 80 | 25 | 50 | 0,4 | – | – |
Frankfurt | 0,90 | 160 | 63 | 70 | 1,1 | 0,18 | – |
Hamburg | 0,50 | 67 | 38 | 75 | 0,5 | 0,30 | – |
München | 0,75 | 150 | 50 | 67 | 1,0 | 0,70 | – |
London | 0,85 | 140 | 68 | 80 | 1,1 | 0,70 | 0,30 |
Liverpool | 0,75 | 190 | 67 | 90 | 1,7 | 0,40 | – |
Paris | 0,30 | 90 | 40 | 134 | 1,2 | 0,60 | 0,30 |
Litteratur. Wiebe, Die Reinigung und Entwässerung
von Danzig (Berl. 1865); Bericht der Kommission für Wasserversorgung, K. und Abfuhr
in München (von 1874 an); Lindley, Das Schwemmsielsystem in Frankfurt a. M. (Frankf. 1878);
Kaftan, Die systematische Reinigung und Entwässerung der Städte (Wien 1880);
Pettenkofer, Vorträge über K. und Abfuhr (Münch. 1880); Gerhard, Anlagen von
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