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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Karl II; Karl III

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Karl II. (der Kahle, römischer Kaiser) - Karl III. (der Dicke, römischer Kaiser)

alle laufenden Sachen nur mit den Schöffen erledigen solle, die jetzt aus einem Ausschuß der Gemeinde zu einem Richterkollegium wurden. Ferner suchte er dem Mißbrauch der Amtsgewalt durch regelmäßige Aussendung von außerordentlichen Beamten, Sendboten oder missi dominici, zu steuern, die auf Grund besonderer Anweisungen K.s (capitula missorum) in den überwiesenen Gauen Gerichtssitzungen zu halten, Klagen entgegenzunehmen und jede Art der Aufsicht zu führen hatten. Ferner ermahnte er 811 die Geistlichen nachdrücklich, die Bauern nicht wie bisher durch Vorspiegelung himmlischer Belohnung zu verlocken, ihr Gut an Kirchen und Klöster zu schenken. Aber K.s Bemühungen konnten die Entwicklung nicht aufhalten: diese Schenkungen an die Kirche und die Lasten des Staates erdrückten den Stand der Freien, und gegen Ende seiner Regierung zeigte sich, daß die bisherige Grundlage des Staates, der Unterthanenverband, in der Zersetzung begriffen sei. K. steuerte der Not noch durch seine Persönlichkeit, durch die Sorgfalt, die er auf die Verwaltung der Staats- und Kirchengüter verwandte; aber unter seinen Nachfolgern vollzog sich der Prozeß rasch; der Unterthanenverband fand jedoch in dem Lehnsverband einen gewissen Ersatz.

K. hat erst als Mann und nie ordentlich schreiben gelernt, aber er verstand außer seiner hochdeutschen Muttersprache auch das Volkslatein und das Schriftlatein. Er sammelte einen Kreis von Gelehrten um sich (s. Alkuin und Einhard) und wußte sie für die Hebung der Bildung seines Reichs, besonders seiner Geistlichen und der Kinder seiner Hofleute wie seiner eigenen in der sog. Hofschule, sowie bei der Regelung von Maß und Gewicht, bei seinen Bauten, bei der Sammlung und Erneuerung der Gesetze, für seinen Briefwechsel und seine Staatsschriften u. s. w. zu benutzen. In einer Art von Hofakademie kam er mit den Gelehrten seines Hofs unter angenommenen Namen zwanglos zusammen, um mit ihnen Studien zu treiben, wichtige Fragen zu behandeln und zu scherzen. Groß von Gestalt und stark in seinen Begierden, nicht ohne einen Rest von merowing. Roheit in seinen Sitten, war K. doch auch der feinern Empfindungen fähig. Er fühlte sich als Kaiser der Römer, aber in erster Linie doch als fränk. König; sein Wesen blieb deutsch wie seine Sprache. Er herrschte gewaltthätig, aber in den Formen der fränk. Verfassung, er war kein Despot und wurde kein Römer. Für gewöhnlich kleidete er sich auch in fränk. Weise: Wams und Hosen bis zum Knie, Binden um die Waden, an den Füßen Schuhe, nur zuweilen legte er röm. Gewand an. Er starb 28. Jan. 814 nach kurzem Krankenlager und wurde in dem von ihm erbauten Münster zu Aachen beigesetzt. Kaiser Otto III. ließ im J. 1000 sein Grab öffnen, und Kaiser Friedrich I. erhob 1165 seine Gebeine und ließ ihn durch den (Gegen-)Papst Paschalis III. heilig sprechen. Vermählt war K. viermal, mit Desiderata, Tochter des Desiderius, Hildegard, Fastrada und Liutgard. Von seinen drei ehelichen Söhnen überlebte ihn nur Ludwig der Fromme. Bekannt sind mehrere seiner Nebenfrauen und deren Kinder. - Vgl. Vétault, Charlemagne (2. Aufl., Tours 1880); Böhmer, Regessta Imperii, Bd. 1 (neu bearb. von Mühlbacher, Innsbr. 1880-89); Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 u. 4 (2. Aufl., Kiel 1883 u. 1884); Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter K. d. Gr. (Bd. 1 von Abel, in 2. Aufl. von Simson, Lpz. 1888; Bd. 2 von Simson, ebd. 1883); Mombert, Charles the Great (Lond. 1888); Clemen, Die Porträtdarstellungen K. d. Gr. (Aachen 1890).

Karl II., der Kahle, römischer Kaiser und erster König des aus dem Fränkischen Reiche durch den Vertrag von Verdun ausgeschiedenen Frankreich, geb. 13. Juni 823 in Frankfurt a. M., jüngster Sohn Kaiser Ludwigs des Frommen von dessen zweiter Gemahlin Judith. Da Ludwig die Teilung des Reichs unter seine drei ältern Söhne bereits 817 geregelt hatte, diese aber nun ändern wollte, um auch K. ein Gebiet zu sichern, so entstanden Kriege der Söhne gegen den Vater und untereinander, die erst nach dem Siege Ludwigs des Deutschen im Bunde mit K. über Lothar (bei Fontenoy 25. Juni 841) durch den Vertrag von Verdun (Aug. 843) beendet wurden. K. erhielt dabei alles Land westlich der obern Schelde, der Maas, Saône und der Rhône, Gebiete, in denen, abgesehen von dem niederdeutschen Flandern, nur Romanen wohnten. Reich begabt, aber launisch, willkürlich und wechselnden Einflüssen zugänglich, vermochte er das ihm Zugefallene kaum zusammenzuhalten. Aquitanien und Bretagne gingen ihre eigenen Wege, die Küsten wurden von Normannen und Mauren verheert, und die Königsmacht schwand durch die Schenkungen und Zugeständnisse, welche er den Großen für Dienste machen mußte, die er nicht erzwingen konnte. Als sein Neffe Lothar II. 869 starb, wollte K. Lothringen an sich reißen, mußte aber schließlich im Vertrage zu Meersen (Aug. 870) die östl. Hälfte desselben Ludwig dem Deutschen überlassen. Beim Tode Kaiser Ludwigs II. (Kaiser Lothars Sohn) 875 gelang es K., sich Italiens und des Kaisertums zu bemächtigen, obwohl Ludwig der Deutsche nähere Ansprüche hatte, und veranlaßte dadurch einen Einfall Ludwigs in Frankreich 875. Da Ludwig der Deutsche während des Krieges 28. Aug. 876 starb, suchte K. am Rhein Eroberungen zu machen, wurde aber von dessen Sohn Ludwig dem Jüngern 8. Okt. bei Andernach vollkommen geschlagen, und als er dann, um einen Aufstand in Italien zu dämpfen, dorthin eilte, brachen auch in Frankreich Aufstände aus. Auf dem Rückwege aus Italien starb er 6. Okt. 877 in einer Alphütte. Ihm folgte in Frankreich sein Sohn Ludwig der Stammler. - Vgl. Böhmer, Regesta Imperii, Bd. 1 (neu bearb. von Mühlbacher, Innsbr. 1880-89); E. Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reichs (3 Bde., 2. Aufl., Lpz. 1887-88).

Karl III., der Dicke, römischer Kaiser und König des Ostfränkischen oder Deutschen Reichs, geb. 839, vermählt 862 mit Richardis, erhielt schon 865 von seinem Vater Ludwig dem Deutschen Alamannien als Erbteil zugewiesen, während von den ältern Brüdern Karlmann Bayern, Ludwig III. Sachsen bekam. Über diese Teilung kam es unter den Brüdern und gegen den Vater bis 873 wiederholt zu Kämpfen. 875 unternahm K. im Auftrag seines Vaters eine erfolglose Heerfahrt gegen Karl des Kahlen Anhang in Italien, und bei der endgültigen Teilung mit den Brüdern nach des Vaters Tode 876 erhielt er Alamannien. 879 überließ ihm sein kranker Bruder Karlmann Italien. 880 machte K. zwei Züge dorthin und einen nach Burgund, wurde 12. Febr. 881 zum Kaiser gekrönt, gewann durch den Tod seiner Brüder das ganze Ostfränkische Reich, und 885 huldigten ihm auch die Franzosen.

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