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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Karlssage - Karlstadt (Andreas Rudolf)
Karlsfage, die volkstümlichen geschichtlichen
Erinnerungen all.^arl d. Gr. und das karoling.
Fürstenhaus, die sich frühzeitig in der Form des
epischen Liedes bei den Franzosen ausbildeten,
durch geschichtliche Erinnerungen entstellt und ver-
ändert wurden und dann die Grundlage der Epen
des karolingischen Sagentreises des Mittel-
alters bilden.' Die K. läßt sich bis in das 9. Jahrh,
zurückverfolgen; karoling. Epen kommen schon im
10. Jahrh, vor, eine große Anzahl mit histor. Hin-
tergrund oder freie Schöpfungen der epischen Pban-
tasie sind in altfranz. Sprache, zum Teil erst in
jüngerer Übermittelung, aus dem 11. bis 14. Jahrh.,
überliefert. Daruuter ist das berühmteste die "(^lui-
80u d6 NoiHnä". Die Epen der K. teilte man schon
im Mittelalter ein in solche, die von den Tha-
ten Karls d. Gr. und seinen Familienangehörigen
("(leäto äu i'oi", d. i. Epen des Königsgeschlechts)
handeln; in Epen von den treuen Vasallen des Karo-
lingerhauses, die Frankreich gegen die Mauren ver-
teidigten ("6eLt6 ti" 6ui1Ia.nmo lni conrt ii63", dem
tapfersten unter diesen Vasallen, der im Mittelpunkt
dieses Epencyklus steht) und in die Epen von den
verräterischen Geschlechtern in Frankreich ("(-65to äs
Doon dtt Na^6iicü", dem Familienhaupt der treu-
losen Vasalleu in Frankreich), unter denen Genelon
und die vier Kinder des Aymon(Haimonskinder,s. d.)
die meiste epische Verühmtbeit besessen haben. Allem
Anschein nach entstanden die Sagen und Epen dieser
drei Cyklen durchaus in Nordfrankreich (vgl. P.
Meyer, IleoliercliLg 8ur 1'6poi>60 lrlui('lN36, Par.
1867). Von dort verbreiteten sie sich in die mei-
sten europ. Länder; nach Deutschland sckon Anfang
des 12. Jahrh, (das Nolandslied bearbeitete mittel-
hochdeutsch schon der Pfaffe Konrad 1139), nach
den Niederlanden, England, Skandinavien (Karla-
magnussaga) und Italien. Selbst in lat. Sprache
wurden einzelne Karolingerepen nachgebildet. Ihre
Lebenskraft behält die K. lange. Im 13. Jahrh,
werden die Karolingerepen zu eyklischen Dichtungen
von immensem Umfang umgebildet, so im Deutschen
"Karlmeinet" (s. d.), im 14. Jahrh, werden sie in
Prosa aufgelöst zu Romanen und Nomancyklen, im
16. werden diese zu den franz. Volksbüchern ver-
iürzt, die die sog. "Zidliotiie^uö disns" ausmachen.
In Italien regen sie indirekt die Dichter der Huma-
nistenzeit zu kunstepischen Erzeugnissen an; Bojardo
dichtet einen "Ori^näo innHuiorato", Ariost einen
"Ori^näo lnrio80)) u. s. w.; von hier aus finden
Stosse der K. Eingang in die dramat. Dicktung des
17. Jahrh., und die litterargeschichtliche Beschäfti-
gung der letzten Decennien mit K. und Karlepen
regte neufranz. Dichter zu epifcher oder dramat.
Bearbeitung der alten Dichtungen und Sagen an.
Auch in Deutschland fand die K. seit dem Anfang
des Jahrhunderts wieder mehr Beachtung, so na-
mentlich durch die Nomantiker (Fouaue, Immer-
mann) und durch Uhland in seinen Balladen. Von
neuern Dichtern sind noch Pfarrius, Simrock und
M. M. von Weber zu nennen.
Vgl. G. Paris, IliLtoii-e posti^iL äs (^Hi-Io
maxi^ (Par. 1865); P. Rajna, I I^^^i äi ^i-ancia
(Bologna 1872); ders., I.o lonti äeii'Oi-Iai^o
t'ui-i080 (Flor. 1878); Gautier, 1^68 e^opLes li-an-
^1868, Bd. 1 (Par. 1878); K. Nyrop, Den old-
franske Hcltedigtning (Kopenh. 1883); P. Najna,
l^.6 01'igini <I"1l' 01)0P"3> t'i'3,nc686 (Flor. 1884).
Karlsschule, höhere Lehranstalt zu Stuttgart,
Schöpfung des Herzogs Karl Eugen von Württem-
berg, wurde 1770 als Militärisches Waisenhaus
auf dem Lustschlosse Solitüde gegründet, 177^,'zur
Herzoglichen Militärakademie umgebildet und 1775
nach Stuttgart verlegt. Dann wurde die Anstalt
nach und nach zu einer Akademie für Wissenschaften
und Künste erweitert und durch Kaiser Joseph II.
1781 zur Hochschule erhoben, die nun "Hohe K." hieß
und außer den Wissenschaften einer jurist., mediz.
und philos. Fakultät auch Kriegswissenschaft, schöne
Künste, Landwirtschaft und Gartenbau lehrte und
fo eiuen merkwürdigen Versuch einer vielumfasscn-
den Vilduugsanstalt darstellte. Ihre berühmtesten
Zöglinge sind: Schiller (1773-80), Cuvier und
Tannecker. 1794 wurde die K. von dem Herzog
Ludwig Eugen aufgehoben. - Vgl. H. Wagner,
Geschichte der Hohen K. (3 Bde., Würzb. 1856-58);
Klaiber, Der Unterricht in der ehemaligen Hohen K.
(Programm des Realgymnasiums in Stuttg. 1873).
Karlstad, Hauptstadt des schwcd. Län Werm-
land, nördlich am Wenersee auf der Insel Ting-
! valla an der Mündung der Klarelf, an der Linie
Lara-Norweg. Grenze der Staatsbahn gelegen und
mit dem Festlande durch zwei Brücken verbunden,
ist Sitz des Landeshauptmanns und eines Bischofs
und hat (1892) 8870 E., ein Gymnasium, ein Se-
minar für Volksschullehrer, eine Bank; eine mechan.
Werkstätte, Zündhölzchen- und Tabakfabriken fowie
Ausfuhr von Holzwaren und Eisen. K. wurde
1584 vom Herzog Karl (später Karl IX.) gegründet
und nach dem Brande 1865 neu aufgebaut.
Karlstads-Län, f. Wermlands-Län.
Karlstadt. 1) Bezirksamt im bayr. Neg.-Bez.
Nntcrfranken, hat 476,w ^m, (1890) 29420 (14207
männl., 15213weibl.) E., 49 Gemeinden mit 90 Ort-
schaften, darunter 2 Städte. - 2) Bezirksstadt im
Bezirksamt K., am Main und an der Linie Würz-
burg-Aschaffenburg der Bayr. Staatsbahnen, Sitz
des Bezirksamtes und eines Amtsgerichts (Land-
gericht Würzburg), hat (1890) 2525 E., darunter
'158 Katholiken und 41 Israeliten, Poftexpedition,
^ Telegraph, altesRathaus,Kapuzinerkloster; Cement-
i fabrik (500 Arbeiter), Maschinen- und Cigarren-
fabriken, Wein-, Hopfen- und Obstbau. K/ist Ge-
burtsort von Andreas Vodenstein, genannt K. (s.d.).
> Karlstadt, kroat. Karlovac; ungar. X^rolv-
^ vHl08, königl. Freistadt mit Municipium und Festung
im ungar. Komitat Agram in Kroatien, in 142 in
Höhe, am Einfluß der Korana in die hier schiffbar
werdende Kulpa und an der Linie Zäkany-Agram-
Fiume der Ungar. Staatsbabnen, Sitz einer Ve-
zirksbehörde, eines Bezirksgerichts sowie Artillerie-
zeugdepots, hat (1890) 5559 meist kath. kroat. E.,
darunter 508 Griechisch-Orientalische; in Garnison
3 Bataillone des 96. ungar. Infanterieregiments
"Freiherr von Namberg" und das 39. Divisions-
Artillerieregiment, Post, Telegraph, mehrere kath.
und eine griech.-orient. Kirche, ein Franziskaner-
tloster, in Nakovac bei 5k. ein königl. Nealobergym^
nasium imd Oberrealschule, eine Infanteriekadetten-
schule und höhere Mädchenschule, eiue griech.-orient.
Lebrcrpräparandie; lebhaften Handel, namentlich
mit Wein, Spirituosen, Getreide und Mehl.
Karlstadt, eigentlich Andreas Rudolf Boden-
stein, Vorkämpfer der deutschen Reformation, geb.
um 1480 zu Karlstadt in Franken, studierte auf ital.
Universitäten, ward 1504 an die Universität Witten-
! berg berufen, wo er 1508 Kanonikus am Aller-
^ beiligenstift, 1513 Archidiakonus an der Stiftskirche
! wurde. Als strenger Thomist trat er Luthers Ve-
Nrlik>,'l, die man unti'r K vcrmifzt, sind unter C aufznsnchon.